Ein Ei­spa­la­st für die Kö­ni­gin der Na­cht

Anfang des Jahres berichtete TEC21 über die Berliner U-Bahnlinie 5 und ihre neuen Bahnhöfe. Bauingenieur Dr. Martin Hohberg hat sich bei uns mit einem Artikel zum Bahnhof Museumsinsel gemeldet, der die bautechnischen Details erläutert.

Data di pubblicazione
12-11-2021

Unter dem Titel «Ab durch die Mitte!» behandelte TEC21 1–2 / 2021 in zwei Beiträgen den Lückenschluss der Linie U5 in Berlin-Mitte mit dem neuen Bahnhof «Museumsinsel», dem einzigen bergmännisch aufgefahrenen des Streckenabschnitts. Bevor der viel gerühmte Sternenhimmel des Architekten Max Dudler leuchten konnte – eine Hommage an das Bühnenbild von Karl Friedrich Schinkel in der Staatsoper für die Aufführung von Mozarts «Zauberflöte» von 1816 – mussten die Ingenieure im Spezialtiefbau und Untertagebau ihre Arbeit tun, darunter auch einige mit Schweizer Hintergrund. Die Bauhilfsmassnahmen sind sogar noch weniger sichtbar als der Tunnel an sich, besonders wenn sie wie beim Gefrierverfahren zur Selbstauf­lösung bestimmt sind.

Stabilisierung mittels Gefrierkörper

Die beiden Tunnelröhren mit je 6.7 m Durchmesser wurden im Grund­­wasser durch die noch nicht ausgehobenen Schlitzwandkästen der Zugangsbauwerke Ost und West hindurch mit einer Hydroschild-Tunnelbohrmaschine aufgefahren, wobei unter dem Spreekanal zur ­Reduktion des erforderlichen Stützdrucks auf eine spezielle Dicksuspension umgestellt wurde. Die Schlitz­wände binden in die Mergelschicht ein und sind in 43 m Tiefe durch eine HDI-Sohle abgedichtet. Danach konnte ausgehoben und die Durchdringungslinie der Tunnelröhren mit den Stirnwänden nachinjiziert werden.

Zur Vorbereitung der Boden­vereisung installierte man aus den Tunnelröhren heraus 4 × 8 radiale Mess­lanzen zur Dicken­überwachung des Gefrierkörpers. Da sich der westliche Schacht zwischen der Kommandantur und dem Boulevard «Unter den Linden» möglichst auf die Abmessungen des Zugangsbauwerks beschränken sollte, musste der östliche Schacht neben dem HumboldtForum umso grösser ausgebildet werden, um dort den Lafetten für das präzise Vorpressen der Gefrierlanzen Platz zu bieten; aus dem Westschacht heraus war nur ein kurzer Gegenvortrieb kurzer Gefrierlanzen zur Sicherstellung einer ausreichenden Überlappung mit den 105 m langen Hauptlanzen möglich.

Nach 40 Tagen des Aneisens mit –37 °C kalter Sole als Kühlme­dium war der Gefrierkörper dicht, nach weiteren 35 Tagen seine statisch erforderliche Wandstärke von 2.5 m erreicht. Die 35 cm starken Tübbinge der Tunnelröhren sind auf 30 m Wassersäule bemessen, über radiale Drainagebohrungen konnte bedarfsweise der Porenwasserdruck entspannt werden. Was wie der Dachboden einer Kathedrale im tiefsten Winter aussieht, ist der temporäre Stahleinbau in den Tunnelröhren, der die Gelenkkette der ­Tübbinge während des Mittelstollenvortriebs stabilisierte. Zuvor war aus dem östlichen Schacht heraus der Vortrieb des Mittelstollens gestartet worden, der der gesamten Logistik des Kavernenaushubs, dem Einbringen der Fördergeräte, der Schal­wagen und der vorgefertigten Bewehrungskörbe diente.

Kontrollierter Innenausbau

Der Mittelstollen wurde zunächst mit temporären Stahlstützen gesichert, danach begann der Rückbau der Tunnelröhren und die Aufweitung zu Seitenstollen im Schutz einer Spritzbetonsicherung. Für den definitiven Ausbau wurden zuerst die massiven Stahlbetonstützen mit Decken- und Sohlsegment für den späteren Bahnsteig auf Schalwagen betoniert, gefolgt von den beiden Gleisstollen.

Der im Endzustand mit 28 000 m3 rekordgrosse Gefrierkörper wurde über intermittierend an- und abgeschaltete Gefrierlanzen kontrolliert. Unter dem Nachbau des Kommandantenhauses von 1795/96 auf der Westseite hatte man vorausschauend einen Fächer von Manschettenrohren gebohrt, um Setzungen zu kompensieren, mit denen trotz der verformungsarmen Bauweise vor allem während des Auftauvorgangs zu rechnen war.

Die horizontale Aussteifung der Schlitzwandkästen konnte dank der tiefen Einbindelänge auf die Decken des Zugangsbauwerks beschränkt werden, was Erdruckumlagerungen vorbeugen sollte. Trotzdem war die gesamte Logistik durch den Ostschacht durch das  Wechselspiel von Aushub und Ausbau auf engem Raum eine grosse Herausforderung.1

Dass die offizielle Eröffnungsfeier des Humboldt-Forums erst am 20. Juli 2021 über die Bühne ging, lag übrigens nicht nur an der Pandemie. Erst ab dem 9. Juli konnten nämlich die U-Bahn-Züge im schmucken Bahnhof «Museumsinsel» halten; vorher hatten sie ihn wegen Verzögerung in der Fertigstellung der Zugänge acht Monate lang nur durchfahren.

 

Eine Langfassung dieses Beitrags steht hier zum Download zur Verfügung.

Anmerkung


1 Dokumentarfilm vom Rundfunk Berlin-Brandenburg rbb «U-Bahn unterm Sternenhimmel»
 

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