Räu­me zum Träu­men

Zwischennutzungen boomen. Was für Typen es gibt, welche Akteure involviert sind und welche Rolle Zwischennutzungen als Planungsinstrument spielen, zeigt diese Übersicht.

Data di pubblicazione
20-02-2020

Wandelbar ist sie, schwer zu fassen und doch sehr präsent: Die Zwischennutzung von Gebäuden oder Arealen involviert verschiedenste Akteure – Behörden, Immobilienbüros, private Initianten – und zeigt sich in unterschiedlichen Formen. Eine Definition des Begriffs kann sich daher nur vom kleinsten gemeinsamen Nenner herleiten: Zwischennutzung ist der temporäre Gebrauch von Arealen und Gebäuden zu einem anderen Zweck als jenem, für den sie ursprünglich erstellt wurden.

Der Charme des Temporären

Der Boom der Zwischennutzungen in der Schweiz begann mit dem Wegzug der innerstädtischen Industrie ab den 1980er-Jahren. Die Verlagerung von Produktions­standorten auf die grüne Wiese oder ins Ausland hinter­liess weitläufige Brachen und grosszügige Industriehal­len – ideale Freiräume, vor allem für Kreativschaffende. Die ersten Zwischennutzungen gingen häufig aus ­Gebäudebesetzungen (oder deren Androhung) hervor, so in der Roten Fabrik in Zürich (1980) oder der Reitschule in Bern (1981, vgl. «Ruhe durch Planung?»). Diese beiden Institutionen stehen hier stellvertretend für den Typus des «dauerhaften Provisoriums», haben sie sich doch längst als kulturelle Zentren etabliert.

Die klassische Zwischennutzung ist jene, die die Zeit bis zu einem mehr oder weniger konkreten Bauprojekt überbrückt. So entstand 2011 die Stadionbrache auf dem Gelände des 2008 abgerissenen Fussballstadions Hardturm im Westen von Zürich (vgl. Abb. oben). Bisher hat sie einige Abstimmungen überlebt. Nach 2003, 2013 und 2018 kann nun das Stimmvolk am 17. Mai 2020 wegen eines Referendums erneut über das für das Grundstück vorgesehene Bauprojekt entscheiden.

Schneller scheinen diesmal die Uhren in Bern zu ticken: Seit letztem Sommer finden hier im Rahmen der zu­künftigen Überbauung im Viererfeld (ab 2023; vgl. «Alles richtig gemacht») Testplanungen für den dort vorgesehenen Stadtteilpark statt: Aktuell leben Bauwagenbewohner auf einem Teil des Geländes. Die «Quartieroase.Bern», eine private Initiative, bietet mit einem Pavillon zudem einen «Möglichkeitsraum» zum Andocken für weitere Interessenten. Ab Frühling ist ein Mountainbike-Gelände neben dem bestehenden Spielplatz geplant.

Neben Brachen gibt es die klassische Zwischennutzung auch für Gebäude. Als zweitgrösste Immobi­lieneigentümerin des Landes verfolgen auch die SBB diese Strategie, so in jüngerer Zeit unter anderem mit der Zwischennutzung des Berner Bubenbergzentrums, dessen Abriss für 2021 zugunsten eines neuen Bahnhofzugangs vorgesehen ist. Das Angebot richtet sich jeweils an Start-ups und Kreative mit dem Ziel, Leerstand zu vermeiden.

Mit der Verwaltung und Vermarktung der Liegenschaft in Bern beauftragten die SBB die Zürcher Agentur Projekt Interim, selber ein Start-up, das sich 2011 auf die Verwaltung von Zwischennutzungen spezialisiert hat. Eines seiner Projekte war 2017 ­­die voraussichtlich bis 2021 laufende Vermietung der «Hotel-WG Waldhuus» im ausgemusterten Hotel Dolder Waldhaus in Zürich. Über 1000 Bewerber kamen zur Besichtigung im Vier-Sterne-Haus mit 70 Wohnungen, zudem Büros, Ateliers, Lagerräumen und Parkplätzen (vgl. Abb. S. 29). Die Ziele der Eigentümerschaft: Deckung der Fixkosten des Hotelkomplexes – und dass sich keine Besetzer auf dem Areal niederlassen.1

Ist der Kontext auch vergleichbar, so variieren doch die Rahmenbedingungen für jede Immobilie und jedes Grundstück. Der 2010 vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) herausgegebene «Leitfaden Zwischennutzung»2 benennt drei Hauptphasen eines Projekts: der Übergang von der ursprünglichen Nutzung zur Zwischennutzung, die eigentliche Zwischennutzung und die Transformation von der Zwischen- zur neuen Nutzung. Diese Phasen können unterschiedlich ausgeprägt sein und sind alle miteinander kombinierbar, was zu 54 Varianten führt. Gemäss der Untersuchung ist dabei der Typ der Übergangsnutzung – die Zwischen- wird teilweise von der neuen Nutzung abgelöst, teilweise verstetigt sie sich zur Umnutzung – der weitaus häufigste (vgl. «‹Die Übergangsnutzung ist ein Instrument›»).

Anmerkungen

1 www.projekt-interim.ch; Daniel Fritzsche, «Ansturm auf die Zürcher Hotel-WG», NZZ 17.6.2017.
2 Matthias Bürgin, «Leitfaden Zwischennutzung», büro metis: Bern /Basel 2010.

Eine ausführlichere Version dieses Artikels finden Sie in TEC21  5/2020 «Utopien auf Zeit».

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