Frei­bad Wey­er­manns­haus: Iko­ne, auf­ge­frischt

Die Stadt Bern ist bekannt für ihre Badekultur. Neben dem legendären «Aareschwumm» sorgen fünf öffentliche Freibäder im Sommer für ­Abkühlung. Eines davon, das denkmalgeschützte Freibad Weyermannshaus, wurde zwischen November 2020 und Mai 2022 instand gesetzt. Die Besonderheit: Das «Weyerli» ist weit mehr als nur ein Bad.

Publikationsdatum
09-06-2023

Es ist das grösste Freibad der Schweiz – und wohl auch eines der ungewöhnlichsten: Seine Lage im heute industriell geprägten Berner Westen, eingeklemmt zwischen Autobahnen und Bahngleisen, ist ebenso exotisch wie seine Gestaltung. Statt normierte Sportbecken bietet das Freibad eine weiherartige Wasserfläche mit einem Umfang von 460m. Mit einem Volumen von 25000 m3 gehört das Becken zu den grössten künstlichen Freibädern in ­Europa. Charakteristisch ist das betonierte «Inseli» in der Beckenmitte.

Für die Badeaufsicht ist das keine einfache Situation. Sie interveniert – falls nötig – per Lautsprecher, denn für ein erfolgversprechendes Rufen vom Beckenrand oder das Benutzen einer Trillerpfeife sind die Dis­tanzen schlicht zu gross. Und was tun, wenn etwas passiert oder jemand seine Kräfte überschätzt? Dann kommt das wahrscheinlich einzige Ruderboot in einem Schweizer Freibad zum Einsatz – ein ungewöhnliches Bad erfordert ungewöhnliche Lösungen. Bemerkenswert ist auch, dass das Wasser im Becken ausschliesslich durch Grundwasser erneuert wird. Es ist deshalb in der Sommersaison normalerweise etwas kühler als in anderen Freibädern. Im Herbst kann die Temperatur sogar deutlich unter 20 ºC sinken.

«Vivarium sive lacum nostrum situm ante civitatem»1

Die Anfänge dieses besonderen Freibads reichen weit zurück. Bereits im 13. Jahrhundert befand sich an dieser Stelle ein Weiher, damals als Teil des Landguts Weyermannshaus. Rund 300 Jahre später wurde das Gewässer in drei Fischteiche geteilt. 1620 begann man, die Teiche zu entwässern und den Grund landwirtschaftlich zu nutzen. Ausgenommen blieb ein Teil des westlichen Weihers, der als Ausgleichsbecken für den Stadtbach diente. Von 1908 bis 1910 wurde hier, im damals noch natürlichen Weiher, eine erste Badestelle eingerichtet. Der Ausbau zum städtischen Freibad erfolgte Ende der 1950er-Jahre: Der Boden des Beckens wurde befestigt, der Rand betoniert. Unter der Leitung des Berner Architekten Hanns Beyeler (1894–1968) – einem ehemaligen Profifussballer bei den Berner Young Boys, Schweizer Meister im Eisschnelllauf und auch Architekt des Berner Freibads Ka-We-De (1933) – entstanden diver­se, teilweise noch erhaltene Kleingebäude. 1971 erweiterten die Architekten Friedli und Sulzer das Bad zur heutigen Sport- und Freizeitanlage Weyermannshaus mit Hallenbad und Kunsteisbahn. 2011 bauten 3B Architekten den Garderoben- und Eingangstrakt des ­Hallenbads um (vgl. TEC21 19/2012), aktuell ist ein Ersatzneubau für das Hallenbad projektiert (Architektur: Berrel Berrel Kräutler, Basel/Zürich).2

Für Sportlerinnen und Geniesser

Heute ist das «Weyerli» eine polysportive Anlage, die das ganze Jahr in Betrieb ist. Wie bei allen Berner Freibädern, mit Ausnahme der Ka-We-De, ist der Eintritt gratis. Im Winter dient die Anlage als öffentlicher Park, zudem ist die Kunsteisbahn mit drei Eisfeldern geöffnet. Seit 2017 kann man im Weyerli sogar Ski fahren. Der Schnee für die Minipiste besteht aus dem Abriebmaterial der Kunsteisbahn, ein Zauberteppich transportiert die meist jungen Wintersportlerinnen und Wintersportler auf einen kleinen Hügel. Im Sommer dient die Eisbahn als Beachvolleyballfeld. Neben dem Freizeitsport ist das Freibad aber auch wettkampftauglich – zumindest saisonal: Bis zur Fertigstellung der neuen Schwimmhalle im Neufeld im Herbst 2023 (vgl. TEC21 34/2018) befindet sich im Weyerli eines von drei 50-m-Becken der Stadt Bern, integriert in die grosse Wasserfläche. Ein Sprungturm mit einem Ein- und einem Dreimeterbrett sowie das «Inseli» in der Mitte der Wasserfläche ergänzen die Schwimmbadinfrastruktur, neu dazugekommen ist eine Breitwellenrutsche aus Edelstahl. Aussen laden 32000 m2 Rasenfläche zum Sonnenbaden ein.

Lesen Sie auch: «Wasseraufbereitung XXL» Wasseraufbereitung Freibad Weyermannshaus in Bern

Das Freibad mit seinen Kleinbauten aus den 1950er-Jahren sowie der Aussenraum sind im Bauinventar der Stadt Bern als schützenswert eingestuft. Von den 1957 errichteten Bauten bestehen heute noch das einstige Hauptgebäude mit Hauswartwohnung und Restaurant (Stöckackerstrasse Nr. 11) sowie einer von ursprünglich drei Garderobentrakten (Stöckackerstrasse Nr. 15) auf der Südseite des Beckens.

Höhere Temperaturen, höhere Frequenz

So weit, so formschön und funktional. Doch das beliebte Freibad hatte bis vor Kurzem ein entscheidendes Manko: Das riesige Becken war undicht, zudem gab es keine Wasseraufbereitung. Eine Instandsetzung war also unumgänglich (vgl. «Wasseraufbereitung XXL») – dies auch vor dem Hintergrund aktueller globaler und lokaler Entwicklungen. Denn einerseits geht die Stadt Bern in ihrer Wasserstrategie von 2018 davon aus, dass die Besucherzahlen der Freibäder aufgrund der Klimaerwärmung steigen werden. Andererseits befindet sich das Bad innerhalb des kantonalen Premium-­Entwicklungsschwerpunkts Ausserholligen. Das heute noch industriell geprägte Gebiet wird sich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren zu einem neuen Stadtquartier entwickeln. So werden etwa die sich aktuell im Bau befindende Siedlung Holliger auf dem Areal der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage jenseits der Autobahn oder der für 2026 geplante neue Campus der Berner Fachhochschule am östlichen Rand des Freibads (vgl. TEC21 11–12/2019) noch mehr Menschen in das Gebiet und damit wohl auch ins Freibad bringen – die Nutzungsvereinbarung für die In­standsetzung nennt einen Maximalwert von 10000 Besucherinnen und Besuchern pro Tag. Der Durchschnittswert der vergangenen Jahre liegt bei jährlich 150000 Personen.

Weitere Beiträge zum Thema Bäder finden sich in unserem digitalen Dossier.

Für die Instandsetzung suchte die Stadt Bern bereits 2012 per Dienstleistungsausschreibung einen Generalplaner. Auf Basis eines Planerwahlverfahrens wurde die Arbeitsgemeinschaft bestehend aus Zwischen­raum Landschaftsarchitektur aus Altendorf und dem Zürcher Ingenieurbüro Staubli, Kurath&Partner (SK&) mit der Planung beauftragt. Verstärkt wurde das Team  mit den Spezialisten von probading aus Zumikon sowie mit dem Berner Büro Suter+Partner Architekten.

Denkmalschutz im Freibad

Mit der technischen Instandsetzung gingen auch architektonische Anpassungen einher, immer im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz und heutigen ­Anforderungen. So blieb das Becken trotz dem Einbau etlicher neuer Düsen für das Badewasser nahezu unverändert. Vier neue unterirdische Ausgleichsbecken (drei fürs Weyerli, eines für das Planschbecken) sorgen nahezu unbemerkt für die Wasseraufbereitung. Die Einstiege zu diesen Ausgleichsbecken sind als mit Holz verkleidete Liegeflächen gestaltet. Auch der Boden des Beckens wurde belassen und mit einer Schwimmbadfolie abgedichtet. Einer der ­wenigen sichtbaren Eingriffe, bei denen die denkmalpflegerischen Vorgaben tangiert wurden, ist der Hindernisfreiheit geschuldet: Drei der Einstiegstreppen baute man um, um auch köperlich beeinträchtigten Menschen den Zugang ins Wasser zu ermöglichen. Dabei dürfen die Stufen nicht höher als 15 cm sein, der Auftritt nicht tiefer als 28 cm. Doppelhandläufe führen in das am Rand 1.10 m tiefe Wasser. Die Treppenstufen sind entsprechend der SIA-Norm 500 zur besseren Erkennbarkeit mit Streifen markiert. Die weiteren Treppen blieben in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Alle Treppenstufen sowie der Beckenboden bis zu einer Tiefe von mindestens 80 cm wurden mit rutschhemmender Folie abgedeckt und die Treppenstufen für sehbehinderte Menschen gekennzeichnet.

Daneben erneuerte man den Weg um das Becken mit einem rot eingefärbten Asphaltbelag. Die sechs neuen Aussenduschen orientieren sich in der Gestaltung am ursprünglichen Konzept, einer Mittelsäule in einer fünfeckigen Fläche. Die neuen Duschen platzierte man möglichst nahe an den ursprünglichen Standorten – die Duschen waren mit der Sanierung 1971 verlegt worden. Unter den Aussenduschen werden die Badegäste von einem erwärmten Wasserstrahl benetzt. Das Duschwasser bezieht die Wärme über einen Wärmetauscher vom Badewasser. Ein neues, von der Denkmalpflege akzeptiertes Element ist die 15.5 m lange Breitwellenrutsche im nordöstlichen Teil des Beckens. Ihre Materialisierung in Edelstahl und die Unterkonstruktion, der Aufstieg und die Plattform aus feuerverzinktem Stahl lehnen sich an den benachbarten Sprungturm an. Verantwortlich dafür zeichnet – ebenso wie für die Gestaltung der Duschen und die Re­no­vation der Garderoben – das Berner Büro Suter+ Partner ­Architekten. Ebenfalls neu gestaltet wurden Planschbecken und Wasserspielplatz. Hier war wiederum probading federführend.

Spaziergang am Beckenrand

Ein markanter, aber jeweils nur temporärer Eingriff ist der neue modulare Zaun mit Handlauf um die Wasserfläche. Er sorgt in den Wintermonaten für ­Sicherheit, da das Wasserbecken nicht geleert wird, um Frostschäden am Becken zu vermeiden und um Verfärbungen der Folie zu minimieren. Der Wasserspiegel wird jedoch um ca. 30 cm abgesenkt. Die Abwärme der Eismaschinen verhindert, dass das Becken zufriert. Früher war es erforderlich, Styroporblöcke oder Holzstämme ins Wasser zu legen. Die Steuerungen bleiben eingeschaltet und werden von den Badangestellten auf Winterbetrieb umgestellt.

Seit Mitte Mai 2023 ist der Winterzaun abgebaut und das Weyerli wieder als Freibad für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Die letzte Saison inklusive Hitze­sommer hat gezeigt, dass die Instandsetzungsmassnahmen erfolgreich waren. Bei einem (Bade-)Besuch in Bern lohnt sich also nicht nur der Sprung in die Aare.

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 19/2023 «Besser baden in Bern».

Instandsetzung Freibad Weyermannshaus, Bern

 

Bauherrschaft
Hochbau Stadt Bern

 

Generalplanung
Planergemeinschaft Freibad Weyermannshaus: Staubli, Kurath & Partner, Zürich; Zwischenraum Landschaftsarchitekten, Altendorf; probading, Beratung für Bäder, Zumikon; Suter + Partner Architekten, Bern

 

Fachplanung Elektro
CSP Meier, Bern

 

Fachplanung Sanitär
Matter + Ammann, Bern

 

Fachplanung Entwässerung und Kanalisation
IPG Ingenieur- und Planungs­büro Gränicher, Bern

 

Baumeisterarbeiten
Kästli Bau, Rubigen

 

Fachplanung Geologie und Hydrogeologie
Geotest, Zollikofen

 

Elektroanlagen
CKW Bern-Köniz, ­Niederwangen

 

Sanitäranlagen
EQUANS Services, Bern

 

Beckenauskleidung mit Folie
ARGE SITENE Weyermannshaus: SikaBau, Kirchberg; Tecton Spezialbau, ­ Emmen­brücke; Neptun ­Schwimmbadbau, Wil

 

Badewassertechnik
Fehlmann ­Wasser­aufbereitung, Münchenbuchsee

 

Edelstahlbecken
Mauchle Pool, Sursee

Anmerkungen

 

1 Am 1. März 1235 gab Heinrich von Hohenstaufen Peter von Bubenberg, dem damaligen Schultheissen von Bern, einen «Weiher oder See etwas ausserhalb der Stadt» («vivarium sive lacum nostrum situm ante civitatem») zu Lehen. Der Name des Guts dürfte sich vom Sitz des Verwalters dieses Gewässers herleiten: des Weiher-­Manns Haus. Vgl. Hans Morgenthaler, «Die Weiermannshausteiche und ihre Trockenlegung», in: Blätter für bernische Geschichte, Kunst und Altertumskunde, Jahrgang 25, Heft 2/3, 1929, S. 138–143.

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