Zwei­tes Hap­py End fürs Hal­len­bad Alt­stet­ten

Erweiterung und Instandsetzung Hallenbad Altstetten, Zürich

Berrel Kräutler Architekten erneuern und erweitern das Hallenbad in ­Zürich-Altstetten mit wenigen Eingriffen in die Bausubstanz. Grund­struktur und Erscheinungsbild des Baus von 1973 bleiben weitgehend ­erhalten, während geschickte Rochaden im Innern die ­Abläufe deutlich verbessern.

 

Publikationsdatum
07-03-2024

Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Aus zwei ganz unterschiedlichen Gründen hätte es diesen Wettbewerb fast nicht gegeben. Zum einen, weil die Stadt Zürich bei Sanierungen bisher jeweils keinen Projektwettbewerb durchgeführt hat, sondern lediglich ein Planerwahlverfahren. Zum andern, weil das Hallenbad in den 1990er-­Jahren eigentlich hätte geschlossen und abgebrochen werden sollen.

Aber der Reihe nach: Das Stadtzürcher Amt für Hochbauten hat für einmal einen Wettbewerb durchgeführt, weil man künftig häufiger mit Um-, An- und Aufbauten erneuern und verdichten wolle, wie im Jurybericht steht. Noch sorgfältiger wolle man abwägen, ob es Ersatzneubauten wirklich brauche. Um die Qualität der Erneuerung im Bestand zu heben, ist deshalb «als Testlauf» ein Projektwettbewerb im selektiven Verfahren durchgeführt worden.

Die Diskussion der letzten Jahre hat also gefruchtet. Die Stadt war zum Teil heftig kritisiert worden, weil sie spannenden Lösungen, die Teile des Bestands erhalten wollten, keine Chance gab. Dies war vor allem bei den Wettbewerben um den Ersatz der Siedlung Salzweg von Manuel Pauli und den Neubau der Schulanlage Höckler der Fall. Bereits jetzt kann man sagen: Der Testlauf fürs Hallenbad Altstetten war vorbildlich und hat ein überzeugendes Ergebnis gebracht.

Radikale Sparübung

Dass man dieses Hallenbad Ende der 1990er-Jahre ersatzlos abbrechen wollte, ist heute kaum mehr verständlich. Die Eintrittszahlen seien rückläufig, es gebe zu viele Bäder in der Stadt, zudem sei die ­Bausub­stanz so schlecht, dass die Baupolizei keinen weiteren Betrieb mehr erlaube. So begründete der Zürcher Stadtrat die radikale Sparübung. Ende 1996 wurde das Bad geschlossen, doch es bildete sich im Quartier eine Genossenschaft, die den Betrieb übernehmen wollte. Nach langen Diskussionen gelang der Neustart tatsächlich. Offenbar war die Bausubstanz doch nicht so marode wie zunächst gedacht: In mehreren Schritten wurde saniert, die Betriebsgenossenschaft geschäftete im Auftrag der Stadt viel günstiger, als es unter direkter städtischer Führung möglich war.

Das Hallenbad Altstetten war schon zu Beginn der 1960er-Jahre entworfen worden. Die Architekten Bolliger, Hönger und Dubach gewannen damals den Projektwettbewerb mit acht eingeladenen Büros. Wegen Konjunkturdämpfungsmassnahmen des Bundes musste die Realisierung dann aber ausgesetzt werden. Und die Pläne für die Olympischen Winterspiele 1976 in Zürich liessen die Behörden zögern, einzelne Objekte ausserhalb der Planung für dieses Grossereignis zu bauen. 1969 lehnte das Volk das Olympia-­Abenteuer an der Urne ab, womit die Sportstättenplanung unabhängig vom geplanten Event angepackt ­werden musste. 1973 wurde das Hallenbad Altstetten eröffnet. «Endlich ein zweites Hallenbad», ­titelte die NZZ. Bis zu diesem Zeitpunkt war Hermann Herters City-­Hallenbad aus dem Jahr 1941 das einzige in Zürich. Erst 1978 folgte mit dem Hallenbad Oerlikon das dritte grosse Hallenbad.

Heute ist das Hallenbad Alt­stetten sehr beliebt und verzeichnet rund 320 000 Eintritte pro Jahr. Das Gebäude besteht aus einem dreigeschossigen Kopfbau aus Beton. Die verglaste Halle ist geprägt von einem Mero-Stahlfachwerk und Metall­teilen, vor allem den freiliegenden Lüftungsrohren, die zeittypisch in Gelb, Rot und Orange gestrichen sind. Es gibt drei Becken, eines für die Schwim­mer (25 m lang), eines für Turmspringer und eines für Nichtschwimmer. Zum Erfolg beitragen dürften auch die später hinzugekommenen Wellnessbereiche und die Sauna mit eigenem Aussenbereich.

«Minimalinvasiv»

Nun ist eine Instandsetzung des Baus nötig. Gleichzeitig sollen die Abläufe optimiert und das Bad um ein Lernschwimmbecken für Schüle­rinnen und Schüler ergänzt werden. Neu soll es zudem eine Verbindung vom Restaurant zur Liege­wiese und eine zweite Rutsche geben. Zielkosten: 46.5 Millionen Franken. Zehn Teams wurden eingeladen, diese Aufgabe anzupacken.

Die Jury wählte Berrel Kräu­t­ler Architekten aus Zürich zusammen mit den Landschaftsarchi­tek­ten Bryum aus Basel einstimmig auf den ersten Rang. Vom Büro stammen etwa der Uvek-­Cam­pus in Ittigen oder die Erweiterung des WHO-­Haupt­quar­tiers in Genf. Ihr Beitrag zeichne sich durch eine «Reihe von folgerichtigen und sorgfältig ausgearbeiteten Entschei­dungen aus», heisst es im Jurybericht. Das Team selber bezeichnet seine Umbaupläne als «minimal­invasiv». Es behält die Grundstruktur mit schwerem Kopfbau und leichtem Badebereich bei und bemüht sich um möglichst wenige Eingriffe in die bestehende Substanz. Über dem neuen Lern­schwimm­­becken, das gleich hinter dem Nichtschwimmerbecken zu liegen kommt, soll das Mero-Fachwerk erweitert werden, wenn möglich mit gebrauchten Elementen. Die Teams auf dem zweiten und dritten Rang hatten dagegen das Lernschwimmbecken in einem neuen, das Ensemble prägenden Bau unterbringen wollen.

Das  Siegerprojekt verzichtet auf die markanten Wendeltreppen, womit das Foyer viel grosszügiger wirkt als heute. Die Abläufe wurden unter anderem durch den Tausch von Barfuss- und Schuhbereich verbessert. Schulen und Öffentlichkeit gehen im Gebäude eigene Wege, die Schülergarderoben befinden sich oben, die anderen unten. Die Sauna verlegen Berrel Kräutler auf das Dach des Kopfbaus, was eine deutliche Aufwertung des Bereichs ergibt: Man blickt nun nicht mehr an die Abschrankungen, sondern hat freien Blick auf den Uetliberg. Durch die Aufhebung des bisherigen Sau­na­gartens wird zudem Platz frei für eine Erweiterung der Liegewiese und die neue Rutsche.

Interessant ist der Ansatz des zweitplatzierten Teams für die Verbindung von Restaurant und Liegewiese: Es führt einen Steg mitten durch den Raum über das Schwimmbecken hinweg. Das sieht gut aus, dürfte aber, wie auch die Jury anmerkt, die seriösen Schwimmerinnen und Schwimmer stören. Berrel Kräutler gehen aussen herum: Ihre Passerelle erweitert sich gegen die Liegewiese hin und wird zu einem neuen Ort, wo man sich Tische des Restaurants, aber auch Liegestühle denken kann. Von der neuen Terrasse führt eine Sitztreppe hi­nun­ter zur Liegewiese.

Graues Holz statt Beton

Ein Wermutstropfen im sonst so überzeugenden Siegerprojekt ist die Aussendämmung des Betonbaus und die Verkleidung mit Holz. Auch wenn dieses vorvergraut sein soll, dürfte kaum mehr das heutige Erscheinungsbild erreicht werden. Auch die Jury diskutierte lange über diesen Punkt, fand aber schliesslich, diese Aussendämmung sei ein pragmatischer Ansatz, mit dem der Anlage ein neues Leben ermöglicht werde. Das Siegerprojekt erfüllt die Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit dank kleinem Flächen- und Volumenverbrauch. Die Treibhausgasemissionen für Erstellung und Betrieb sind laut der Jury niedrig. Allerdings lässt sich auf dem Mero-­Dach aus statischen Gründen keine PV-Anlage erstellen.

Ganz anders als in Altstetten plant die Stadt in Oerlikon: Dort soll das Hallenbad aus dem Jahr 1978 abgebrochen und durch ein Sportzen­trum ersetzt werden, in dem auch ganzjährig nutzbare Eisfelder und verschiedene Werkhöfe untergebracht sind. Den entsprechenden Wettbewerb haben Boltshauser ­Architekten aus Zürich gewonnen. Allerdings dürfte das Projekt noch zu reden geben: Im letzten Herbst musste der Zürcher Stadtrat nämlich bekannt geben, dass die Kosten wohl nicht 200 Millionen Franken, sondern eher 400 betragen dürften. Ein viertes Gross-Hallenbad ist überdies für das ­Areal der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage mitten im Kreis 5 geplant. Mehr als das Entwicklungskonzept für das Areal existiert allerdings noch nicht.

-> Jurybericht auf competitions.espazium.ch.

Teilnehmende

1. Rang, 1. Preis: «Nepomuk»
Berrel Kräutler Architekten, Zürich; Bryum, Basel; Dr. Neven Kostic, Zürich; Pirmin Jung Schweiz, Thun; Kannewischer Ingenieurbüro, Cham
2. Rang, 2. Preis: «Pralinato»
ARGE Studio Burkhardt + Stücheli und Pestalozzi Schiratzki Architekten, Zürich; MØFA urban landscape studio, Zürich; Pirmin Jung Schweiz, Frauenfeld
3. Rang, 3. Preis: «Tatsu»
Markus Schietsch Architekten, Zürich; Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau, Zürich; Dr. Neven Kostic, Zürich; Kannewischer Ingenieurbüro, Cham
4. Rang, 4. Preis: «Bosco»
Armon Semadeni Architekten, Zürich; Mettler Landschaftsarchitektur, Gossau; JOP Josef Ottiger + Partner, Rothenburg; WaltGalmarini, Zürich; Dürsteler Bau­planer, Winterthur; Gartenmann Engineering, Zürich
5. Rang, 5. Preis: «Less Is Mero»
K&L Architekten, St. Gallen; ryffel + ryffel, Uster; Gruner, Zürich; PBM, Zürich; Kannewischer Ingenieurbüro, Cham; braune roth, Rorschacherberg

Fachjury

Jeremy Hoskyn, Amt für Hochbauten (Vorsitz); Lenita Weber, Amt für Städtebau; Fabian Kaufmann, Architekt, Luzern; Ramel Pfäffli, Landschaftsarchitekt, Kehrsiten NW; Carlos Rabinovich, Architekt, Zürich

Sachjury

Aziza Awenat, Immobilien Stadt Zürich; Benjamin Leimgruber, Immobilien Stadt Zürich; Tobias Bernhard, Sportamt Stadt Zürich; Rolf Müller, Quartierverein Altstetten

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