Di­ch­te ist nur ei­ne Za­hl

Städtebau, Raumplanung

Kann man Städtebau mit Raumplanung gleichsetzen? Der Blick der verschiedenen Disziplinen auf die Themen Dichte und Stadt ist sehr unterschiedlich. Das kann man als Problem erachten oder als Chance.

Data di pubblicazione
17-09-2014
Revision
18-10-2015

Stadträume mit gleicher Dichte, aber gänzlich unterschiedlichem Erscheinungsbild? Das ist möglich. Die beiden Bildpaare in der Bildergalerie zeigen das sehr anschaulich: Zwei Beispiele mit jeweils ein und derselben Dichte, doch die Gestalt dieser Stadträume, ihre Bebauung und ihre Strassenzüge könnten kaum unterschiedlicher sein.

Welche Aussagekraft hat die Dichtekennziffer in der städtebaulichen Planung? Die TEC21-Heftserie zur Dichte hat im vergangenen Jahr einen Einblick in die vielfältigen Aspekte der Dichte und ihre Schnittstellen in der interdisziplinären Planung gegeben. Das Thema ist nach wie vor von hoher Aktualität und zugleich sehr anspruchsvoll, da es die unterschiedlichsten Disziplinen miteinander verbindet: Architektur, Städtebau und Raumplanung, Rechts- und Ingenieurwesen oder auch Geografie und Sozialwissenschaften. Vor diesem Hintergrund erstaunt es kaum, dass Städtebau und Raumplanung gern miteinander verwechselt werden. 

In der aktuellen städtebaulichen Diskussion geht es meist um die bauliche Dichte. Als Verhältniszahl stellt diese üblicherweise den Anteil an überbauter Geschossfläche bezogen auf eine einzelne Parzellenfläche dar und beschreibt damit den Grad der Ausnützung. Sie macht eine Aussage über die Privatparzellen, nicht über die öffentlichen Aussenräume.

Die Diskussion um die Dichte wird jedoch auf Ebene der Stadt geführt. Dabei wird die Dichte im Zusammenhang mit den öffentlichen Stadträumen und deren Aufenthaltsqualität gesehen. Hier besteht eine Diskrepanz: zwischen der herkömmlichen Definition der baulichen Dichte mit Bezug auf die einzelne private Parzelle und ihrer Anwendung im Kontext der Stadt.

Müssten die öffentlichen Aussenräume, die für die Stadt von so grosser Bedeutung sind, bei der Ermittlung der Dichte nicht auch berücksichtigt werden? Diese spezifische Form der baulichen Dichte, die sich auf den Stadtraum bezieht und auch die öffentlichen Aussenräume mit einschliesst, wird daher hier als «Stadtdichte» bezeichnet. Sie ist die Basis für die Dichteberechnung der gezeigten Beispiele.

Ebenso relevant ist die Frage, wie sich die Gestalt der Stadt in Abhängigkeit von dieser städtebaulichen Dichte verändert: Werden die Stadträume durch dichtes Bauen vielfältiger, oder geschieht gerade das Gegenteil – wird der Raum zwischen der Bebauung für die Menschen unattraktiver? In welcher Form verändert sich das Erscheinungsbild – und damit auch die Aufenthaltsqualität – von Stadträumen in Abhängigkeit von der Dichte 

Vor dem Hintergrund, dass die Dichtekennziffer als zentrale Planungsgrösse sowohl im Städtebau als auch in der Raumplanung gilt, lohnt es sich, über die Aussagekraft dieser Zahl nachzudenken und zu hinterfragen, inwieweit der Stadtraum durch die Festlegung der Dichte überhaupt bestimmt wird. Die Beispiele der hier dargestellten Stadträume sprechen für sich: Die Gestalt der Stadt kann selbst bei gleicher städtebaulicher Dichte stark variieren. Sie relativieren damit die Bedeutung der Dichtekennziffer. 

Das Verbindende in all diesen Fragen ist der Bezug zum Stadtraum. Denn die architektonischstädtebauliche Sicht ist geprägt von dem Denken im dreidimensionalen Raum, von der Ebene des einzelnen Gebäudes bis hin zur Stadt. Es geht dabei um die Volumen der Bebauungsstrukturen und den Stadtraum. Auf städtebaulicher Ebene ist die Art und Weise, wie Volumen zueinander gesetzt sind und in Beziehung stehen, von grosser Bedeutung für den Raum, der zwischen der Bebauung entsteht: Bleiben nur noch Resträume oder Abstandsflächen übrig, oder handelt es sich um Aussenräume mit einer eigenen Qualität 

Es geht um die Proportionen und Gestaltung dieser Stadträume, die Frage der Privatheit oder Öffentlichkeit, um die Nutzungen, die Aufenthalts- und Lebensqualität, die sie den Menschen bieten, die historische und kulturelle Dimension dieser Orte und um spezifische Identität, kurz: um Fragen der Architektur, die auf einen grösseren Kontext bezogen werden – auf die Massstabsebene der Stadt.

Dieser Blick auf die baulich-räumlichen Strukturen der Stadt ist ein charakteristisches Merkmal des Städtebaus. Und dieser starke Bezug auf die Morphologie der Stadt (Städtebau im Sinn von «Stadt bauen») ist ein zentraler Punkt, in dem sich die Sicht der Architekten von der Raumplanung unterscheidet. Raum kann nicht allein über die Möglichkeiten der Raumnutzung gestaltet werden. Ebenso wenig zielführend ist es, sich allein auf morphologische Fragen zu konzentrieren und dabei Rechts- und Infrastrukturplanung oder weiter reichende Anforderungen, seien es soziale, ökologische oder wirtschaftliche, aussen vor zu lassen.

Dabei ist entscheidend, ob vom architektonischen Raum oder vom geografischen Raum gesprochen wird. Mit nur einer Zahl, nämlich besagter Dichtekennziffer, lässt sich die Komplexität eines Stadtraums jedoch nicht beschreiben. Dazu braucht man ein differenzierteres Wissen: über die Morphologie der Stadt sowie die verschiedenen Massstabsebenen und Anforderungen in der Planung. Die Sichtweisen der Architekten und Raumplaner sind unterschiedlich, allein schon, weil ihnen ein unterschiedliches Verständnis von Raum zugrunde liegt. Es ist sinnvoll, diese parallel zu betrachten und in der Planung miteinander zu verbinden. 

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