Der «Oscar» der Schweizer Ingenieurbaukunst
Building Award
Der Building-Award, seit 2015 alle zwei Jahre vergeben, ist als grosse Auszeichnung im schweizerischen Bauwesen fest etabliert. Wie sein Pendant beim Film gibt es ihn in verschiedenen Kategorien. Auch 2025 wählte die Jury hochkarätige Gewinner aus den erlesenen Nominationen aus.
Die Aufgabe ist keine ganz einfache: Aus 52 Nominationen für den Building-Award sechs Projekte herauszuschälen, die sich durch «das gewisse Etwas» von ihren Mitbewerbern abheben. Dabei sind die Themengebiete so bunt und vielfältig wie das gesamte Potpourri des Bauingenieurwesens, sogar noch mit Einflüssen aus anderen Ingenieurdisziplinen. Die Sieger der jeweiligen Kategorien 2025 präsentieren sich jedenfalls so spannend wie ein Hollywood-Blockbuster:
Kategorie Hochbau: HB Zürich – Generalinstandsetzung des Südtrakts
Der denkmalgeschützte Südtrakt des Hauptbahnhofs Zürich aus dem Jahr 1871 brauchte eine Generalsanierung. Frühere Raumstrukturen im Erdgeschoss sollten wiederhergestellt werden und es bedurfte einer neuen Erschliessung der verschiedenen Stockwerke. Dies hatte Auswirkungen auf die Tragstruktur, weswegen die Planenden eine «Opferzone» im Gebäudeinnern definierten, in der die historische Bausubstanz neuen Betonwänden für Lifte, Steigschächte und Gebäudeaussteifungen, auch für die Erdbebensicherheit, weichen musste.
Das umgesetzte Konzept dieser neuen Erschliessung bringt mehr Durchlässigkeit und auch eine höhere Nutzungsflexibilität: Eine zweigeschossige Aufstockung mit Vierendeelträgern schafft neue Nutzflächen und erlaubt eine haustechnisch nachhaltige Erschliessung des Trakts. Ein neuer Glaskubus entstand und der Posthof ist neu überdacht. Vom Untergeschoss blieben nur die Aussenwände bestehen, dafür ragt es nun teilweise bis auf Höhe der Durchmesserlinie hinab.
Eine zweigeschossige Unterkellerung des Ostportals und ein Umbau unter der sogenannten Wannerhalle schaffen weitere Raumkapazitäten und die Vorhalle sowie die Verbindungspassagen zwischen Bahnhofsplatz und Haupthalle sind neu über die gesamte Gebäudelänge geöffnet. Ein ebenso immenser wie beeindruckender Aufwand für den meistbefahrenen Bahnhof Europas.
Kategorie Infrastruktur und Umwelt: Brücke Punt in Bondo
Der Bergsturz am Piz Cengalo 2017 führte zu Murgängen, die verheerende Auswirkungen auf die Dörfer Bondo, Sottoponte, Spino und Promontogno nach sich zogen. Der Geschiebesammler musste vergrössert, der Mündungsbereich der Bondasca in den Fluss Maira neu gestaltet, die Kantonsstrasse auf das Schutzziel angepasst und Bondo mit Promontogno wieder verbunden werden. 2025 sind nun die Arbeiten an den Schutzbauten und an der Verkehrsinfrastruktur abgeschlossen. Die Brücke Punt lässt die Dörfer als herausragendes Element wieder zusammenkommen. Da Murgänge weiterhin möglich sind, brauchte die Brücke ein ausreichendes Freibord.
Um die Brückenkote nicht zu hoch und die Auffahrtsrampen nicht zu steil zu machen, klappten die Planenden den Brückenbogen aus Beton mit einer lichten Spannweite von 50.8 m um 90° in Richtung Tal. Die Steilheit des Bachgerinnes ermöglicht dadurch den nötigen Durchflussquerschnitt. Diese kluge Idee schafft gleichsam einen Logenplatz über den Verbauungen und dem Tal, wirkt dabei aber nicht zu dominant. Dies gelingt durch die harmonische Integrierung in die angrenzenden Mauern der Verbauungen aus Naturstein, der zu grossen Teilen direkt aus dem Murgang entnommen wurde.
Kategorie Energiesysteme und Gebäudetechnik: Erneuerung Giacomettistrasse 4, Bern
Eine Reduktion des Endenergiebedarfs beim Heizen um 95 % bei einem Betonplattenbau von 1967 und dazu noch geringere Kosten der baulichen Massnahmen im Vergleich zu herkömmlichen Standardlösungen – dies gelingt bei der Sanierung des neungeschossigen Mehrfamilienhauses in Bern. Möglich macht es ein innovatives Lowtech-System zum Heizen, Kühlen und Lüften. Die wichtigste Massnahme war der Einsatz vorfabrizierter Elemente, der eine Kombination der Heiz- und Kühltechnik mit der Innendämmung aus Zelluloseflocken ermöglichte.
Mit nur 26ºC Vorlauftemperatur werden die Wohnungen konvektiv über ein bis zwei Geräte beheizt, die auch für die Kühlung herangezogen werden können. Effiziente Niederhubwärmepumpen mit einer Jahresarbeitszahl von mindestens 7 und COP-Werten von idealerweise > 10 ziehen ihre Wärme aus Erdwärmesonden und werden durch eine eigene Photovoltaikanlage betrieben.
Seit Oktober 2024 zeigt sich die einwandfreie Funktion der Anlage und auch die Werte erfreuen: Der Heizwärmebedarf wird hochgerechnet etwa 24 kWh/m2a betragen, der Stromverbrauch der Wärmepumpen bei rund 5 kWh/m2a liegen. Das Ganze zu einem Preis von ca. 400 Fr./m2 ergibt ein Musterbeispiel einer energetischen Sanierung im Bestand.
Kategorie Forschung, Entwicklung, Start-ups: Kohle statt Kies
Die Zementproduktion verursacht rund 8 % der weltweiten CO2-Emissionen. Um diese zukünftig zu binden, erforscht die Empa einen interessanten Lösungsansatz: Forschende der Abteilung «Beton und Asphalt» haben Pellets aus Pflanzenkohle, Wasser und Zement produziert, die herkömmliche Gesteinskörnungen als Zuschlagstoff im Beton ersetzen könnten.
Bei einem Anteil von 20 % dieser Kohlenstoffpellets erreicht Beton eine Netto-Null-CO2-Bilanz, bei 45 % werden sogar negative Emissionen von – 290 kg CO2/m3 erzielt. Herkömmlicher Beton verursacht + 200 kg CO2/m3. Keine derzeit verfügbare Lösung hat einen so grossen Einfluss auf die Emissionen von Beton.
Ausserdem forscht die Empa an einem Konzept namens «Mining the Atmosphere», bei dem CO2 aus der Luft zur Herstellung von synthetischem Kohlenstoff genutzt wird. Durch Pyrolyse entsteht dabei fester Kohlenstoff, der – ähnlich wie Pflanzenkohle – in Beton eingebracht werden kann. Dies könnte die Bauindustrie revolutionieren und massgeblich zur Erreichung der Klimaziele beitragen.
Kategorie Young Professionals: Pascal Joos, Neues Glas
Für die kleinen Schauhäuser des Botanischen Gartens der Universität in Bern sollte eine isolierende Dachverglasung projektiert werden – mit einem maximalen Gewicht von 15 kg/m2. Nach einem ausgiebigen Variantenstudium schlug Pascal Joos vor, die äussere Scheibe robust und widerstandsfähig zu gestalten, die innere aber sehr leicht umzusetzen.
Mit chemisch vorgespanntem Glas, das eine hohe Biegezugfestigkeit und Verformungsfähigkeit aufweist, allerdings für das Bauwesen nicht genormt ist, arbeitete er die Konstruktion aus. Ein Testkonzept und verschiedene Prüfungen wurden mit der Hochschule Luzern, dem Fraunhofer Institut und der Fachhochschule Ost umgesetzt.
Kategorie Nachwuchsförderung: Promtec SUPSI-SAMT
Die technischen Berufe brauchen Nachwuchs. Das Projekt Promtec SUPSI-SAMT der Abteilung Gender und Diversity nimmt sich dieser Problematik in Zusammenarbeit mit den beiden technischen Abteilungen der SUPSI (DACD und DTI) und der Kunst- und Gewerbeschule Trevano an. Insbesondere Mädchen sollen besser über Ausbildungsgänge und Berufe im Bereich Ingenieurwesen und Architektur informiert werden.
Auf Sekundarschulen, technische Berufsschulen und die SUPSI zielt Promtec SUPSI-SAMT ab und hat damit Erfolg: Eine konstant hohe Teilnehmerzahl ist das Ergebnis eines soliden Kooperationsnetzes zwischen den verschiedenen Akteuren, wie etwa den Schulen, Familien, dem Ufficio dell’orientamento scolastico e professionale (UOSP) del Canton Ticino und Berufsverbänden.
Die ständige Zusammenarbeit mit der Region gewährleistet den hohen Innovationsgrad des Projekts und führt zu Synergien, die nicht nur zur Verbesserung des Projekts selbst führen, sondern sich auch positiv auf die Bildungs- und Berufswelt bezüglich Chancengleichheit und nachhaltiger Entwicklung auswirken.
Der Building-Award wird von vier wichtigen Trägern (Stiftung bilding, Infra Suisse, Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen suisse.ing und Schweizerischer Baumeisterverband SBV) organisiert und durchgeführt.
Schweizer Ingenieurbaukunst
L’art des ingénieurs suisses
Opere di ingengeria svizzera
2023–2025
Der fünfte Band der beliebten Buchreihe «Schweizer Ingenieurbaukunst» versammelt herausragende Werke aller Disziplinen des Ingenieurwesens, Neues aus der Forschung, Interviews und erstmals auch alle Nominierten des Building-Awards.
128 Seiten, dreisprachig deutsch, französisch und italienisch, ISBN 978-3-907479-06-3, Fr. 49.–
Bestellen unter buch [at] espazium.ch (buch[at]espazium[dot]ch) oder im Buchhandel
Sieger der Kategorien
1. Kategorie: Hochbau
Zürich Hauptbahnhof – Generalinstandsetzung Südtrakt, Zürich;
WAM Planer und Ingenieure, Bern
2. Kategorie: Infrastruktur und Umwelt
Brücke Punt, Bondo;
Conzett Bronzini Partner, Chur
3. Kategorie: Energiesysteme und Gebäudetechnik
Erneuerung Giacomettistrasse 4, Bern;
Plan K, Suhr
4. Kategorie: Forschung und Entwicklung, Start-ups
Beton, der unerwartete Klimaretter;
Empa, Abt. Beton und Asphalt, Dübendorf
5. Kategorie: Young Professionals
Botanischer Garten – Kleine Schauhäuser;
Pascal Joos, Lüchinger Meyer Partner, Zürich;
Suter + Partner Architekten, Bern
6. Kategorie: Nachwuchsförderung
Project «Promtec SUPSI-SAMT»;
Haute école spécialisée de la Suisse
italienne (SUPSI) et Centre professionnel
technique de Lugano-Trevano (CPT)
Jury
Viktor Sigrist, Direktor Hochschule Luzern – Technik und Architektur, Horw, Jurypräsident
Adrian Altenburger, Instituts- und Studiengangleitung Gebäudetechnik und Energie, Hochschule Luzern – Technik & Architektur, Horw
Massimo Cereghetti, Mitglied Zentralvorstand SBV, Präsident SSIC-Ticino, COO Gianini & Colombo, Chiasso
Eleni Chatzi, Ordentliche Professorin für Strukturmechanik und Monitoring, Departement Bau, Umwelt und Geomatik, ETH Zürich
Clementine Hegner-van Rooden, Fachjournalistin BR und Publizistin Ingenieurbaukunst, Oberägeri/Zug
Jürg Herzog, Country Head Smart Infrastructure, Siemens Schweiz, Zürich
Patrick Hofer-Noser, CEO / Inhaber 3S Swiss Solar Solutions, Thun
Valentina Kumpusch (-Orsenigo), Vizedirektorin und Abteilungschefin Infrastruktur West, Bundesamt für Strassen ASTRA, Ittigen
Patrick Kutschera, Vizedirektor Bundesamt für Energie, Leiter Energieeffizienz und erneuerbare Energien, Ittigen
Daniel Löhr, Swiss Engineering STV, Vizepräsident Fachgruppe Karriere & Kommunikation, Mitinhaber e-selection, Brugg
Urs Rieder, Hochschule Luzern – Technik & Architektur, Projektleiter Campus Horw, Vorstand SIA
Judit Solt, Fachjournalistin BR, Chefredaktorin TEC21 – Schweizerische Bauzeitung, Zürich
Cristina Zanini Barzaghi, Zanini Gozzi, Lugano
Susanne Zenker, Präsidentin SIA