«Stadt der Quar­tie­re» im Fo­rum Ar­chi­tek­tur Win­ter­thur

Quartierplanung als Ritt auf dem Tiger

In den letzten Jahrzehnten waren weder Richtplanungen noch Bau- und Zonenpläne griffig genug, um die städtebauliche Entwicklung der Schweiz befriedigend zu lenken. Auch die allseits geforderte innere Verdichtung wirft Fragen auf. Wie soll die bauliche Konzentration auf bereits erschlossene Gebiete konkret aussehen? Welche Methoden, Verfahren und Prozesse führen zu guten Ergebnissen?

Data di pubblicazione
27-10-2013
Revision
25-08-2015

Um diese Fragen zu erörtern, lud das Forum Architektur Winterthur am 24. Oktober 2013 zur Veranstaltung «Stadt der Quartiere» ins Amt für Städtebau in Winterthur ein. Der Anlass wurde in Zusammenarbeit mit der ZHAW (Institut Urban Landscape, Departement Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen) durchgeführt und stand im Rahmen des Jahresprogramms «Winterthur: Masterplan!».

Als Diskussionsgrundlage diente die These, dass die Aufwertung bestehender Quartiere einen gewichtigen Beitrag zur Verbesserung unserer Städte leisten kann. Eine realistische Chance, solche Aufwertungen vorzunehmen, besteht zurzeit tatsächlich: Wenn die vielerorts angestrebte Verdichtung umgesetzt wird, kann man im Zug der ohnehin fälligen baulichen Eingriffe die räumliche Qualität der Quartiere stärken. Aus den Erfahrungen auf diesem Gebiet gilt es so weit wie möglich zu profitieren, weshalb die drei Referate des Abends aktuellen Beispielen gewidmet waren.

Problematische Ausgangslage

Andreas Sonderegger (pool Architekten, Zürich) berichtete über die Testplanung Stadtzentrum Luzern Nord. Bei diesem Projekt kumulieren sich verschiedenste erschwerende Umstände: eine Vielzahl von Beteiligten aus Kanton und Gemeinden an einem Ort, der von einer starken Verkehrsbelastung und dem Fehlen von funktionierenden öffentlichen Räumen geprägt war. Das Ziel der Quartierentwicklung bestand darin, einen urbanen Brennpunkt zu entwickeln, der die Stadt Luzern mit ihrem nördlichen Umland verbindet. Entsprechend der komplexen Ausgangslage galt es, die Belange von Städtebau, Verkehrsplanung, Nutzungsplanung und Landschaftsgestaltung unter einen Hut zu bringen.

Matthias Wehrlin (Atelier Wehrlin, Städtebau Gestaltung Architektur, Wünnewil) berichtete über die städtebaulichen Leitbilder und -linien, die er für das Telli Quartier in Aarau erarbeitet hat. Das städtebauliche Entwicklungskonzept für das Gewerbegebiet im Zentrum des oft als «Problemquartier» betitelten Ortes sollte die Weichen für dessen Aufwertung legen. Wehrlin setzte bei den Freiräumen an: In einer Mischung aus Analyse und Konzept untersuchte er, wie diese beschaffen sein müssten, um eine günstige Entwicklung zu fördern.

Peter Jenni schliesslich stellte das bauliche Leitbild Oberwinterthur vor, das er und Stefan Kurath (beide ZHAW) erarbeitet haben. Das Projekt ist eines von zwei Umsetzungsbeispielen im Rahmen eines Forschungsprojekts der ZHAW (mit zahlreichen Partnern aus Verwaltungen und Praxis), bei dem es darum ging, eine Planungsmethode zur Erstellung städtebaulicher Quartierentwicklungsleitbilder zu finden. Denn die Diskrepanz zwischen Planung und Umsetzung kann nur dann reduziert werden, wenn die Planung die langfristig wichtigsten Themen richtig identifiziert und berücksichtigt. 

Die Kräfte nutzen, statt über sie zu klagen

In der anschliessenden Podiumsdiskussion gab es Gelegenheit, die präsentierten Beispiele zu vergleichen und Lehren daraus zu ziehen. Einig war man sich darin, dass Veränderungen nur dann von allen Akteuren mitgetragen und umgesetzt werden, wenn der Handlungsbedarf (um nicht zu sagen der Leidensdruck) gross genug ist. Dies ist beispielsweise bei massiver Verkehrsbelastung der Fall. Paradox ist, dass dieselben Kräfte, die von jeher zu Zentrumsbildungen geführt haben – Verkehr und Wirtschaftswachstum – schliesslich zur Gefahr für ebendiese Zentren auswachsen. Daher gilt es, die wirkenden Kräfte nicht zu verteufeln, sondern sie als Chance zu begreifen und zu nutzen, um positive Effekte für die Stadt zu erreichen.

«Wir müssen den Tiger reiten», stellte Andreas Sonderegger fest. Es gilt zu vermeiden, dass Quartierentwicklungen lediglich auf bereits erlittene Veränderungen reagieren, anstatt diese aktiv zu steuern. Dass die Planung gute Ideen und intelligente Strategien bereithält, ist dabei Voraussetzung, reicht aber nicht aus. Unverzichtbar sind handfeste Anreize für die betroffenen Grundeigentümer, um die Gunst der Stunde zu nutzen. Vor allem aber braucht es Allianzen mit allen Akteuren aus Politik, Verwaltung und Bewohnerschaft. Die Rolle der Planerinnen und Planer erweitert sich dabei um weitere Nuancen: Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kommunikation sind gerade in der Städteplanung wichtiger denn je.

Die nächste Veranstaltung des Forum Architektur Winterthur, «Bahnhöfe als Katalysatoren der Stadtentwicklung», findet am 7. November 2013 ab 19.00 Uhr im Salzhaus statt.

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