Sta­bi­li­sie­rung, Ver­trauen­sbil­dung, Hei­lung

Neue Kinder- und Jugendpsychiatrie, Windisch

Ängste lindern und eine vertrauenswürdige Umgebung schaffen – das sind die Zielvorgaben für ein Gebäude, in dem psychisch kranke Kinder und Jugendliche ein Zuhause auf Zeit beziehen.

Data di pubblicazione
03-11-2016
Revision
04-11-2016

In Kürze wird das Kinder- und Jugendpsychiatrische Zentrum (KJPZ) in Windisch bei Brugg seinen Nutzern übergeben. Um die bisher weit über das Gelände verstreut gelegenen verschiedenen Arbeitsbereiche zusammenzufügen, wurde ein Neubau nötig. Die knappen Personalressourcen in der Psychiatrie können durch die räumliche Bündelung zukünftig effektiver eingesetzt werden. Auch für die Kinder und Jugendlichen ist es von Vorteil, wenn sie in verschiedenen Stadien ihrer Behandlung an den immer ­gleichen Ort mit den gleichen Bezugspersonen zurückkehren können.

Durch die in enger Zusammenarbeit mit den Ärzten erstellte Neugestaltung des Raumprogramms eröffnen sich für Therapie und Unterbringung der Patientinnen und Patienten zeitgemässe Möglichkeiten. 

Magie für Windisch

Den Gesamtleistungsstudienauftrag gewann vor nur zwei Jahren die ­Arbeitsgemeinschaft von Erne Holzbau als Totalunternehmer und fsp Architekten, Zürich. Ihrem Entwurf namens ­«Fidelius» liegt die Idee eines verzauberten Internats zugrunde: In den Mittelpunkt stellen die Planer die Vision eines Orts, der zwar anders ist als ein Zuhause, aber auf ähnliche Weise eine be­sondere ­Gemeinschaft beherbergt und schützt. Auf die Struktur der lose gestreuten Pavillons, die an das KJPZ angrenzen, haben die Architekten mit der Grundform von zwei grös­seren, ineinander verschränkten Kuben reagiert, die jeweils einen Innenhof umfangen.

Durch das Zusammenspiel der hellen Putzfelder auf den lehmfarbenen Fassaden und der dunkel gefassten Fenster gewinnt das Haus eine warme und freundliche Ausstrahlung. Diese Felder aus horizontal gekämmten Putzstreifen verleihen der Oberfläche eine haptische, stoffliche Anmutung. Von Weitem betrachtet wird ersichtlich, dass sie sich wie ein Mäander um das Haus ziehen. Dieses Motiv, Sinnbild einer hinterlassenen Spur, ist in verschiedenen Dimensionen und Materialien im ganzen Haus anzutreffen. Die innere Organisation ist bewusst sehr übersichtlich. Empfang und Aufenthaltsbereich dienen als Verteiler vor den Behandlungszimmern. Im seitlich liegenden Kubus befinden sich die Schulräume. 

Dreh- und Angelpunkt ist das Treppenhaus im Schnittpunkt der beiden Kuben, das perspektivisch verschoben und mit eigenwilligen Ausblicken versehen ist. Hier beziehen sich die Planer auf das verwunschene Treppenhaus in «Hogwarts», dem Internat von Harry Potter, das ihnen als identitätsstiftendes Vorbild dient. Die in den oberen Stockwerken liegenden Schlafräume sind geschossweise wie Wohngemeinschaften organisiert. Dies täuscht nicht darüber hinweg, dass hier Menschen in Notsituationen leben. Die Balance zwischen Rückzugsmöglichkeiten und Orten unter Dauerbeobachtung ist fragil. Die Grundrisse lassen Spielräume in beide Richtungen zu. 

Zu viel des Guten

Das Farbkonzept in den allgemeinen Räumen spielt sich auf der Skala der als beruhigend geltenden Grüntöne ab – deren Bandbreite wurde dann aber auch weidlich ausgenutzt. Über die Wirkung von grünem Beton und ebensolchem Linoleum zusammen mit grünen Mäandern auf hellgrünen Wänden kann man geteilter Meinung sein. Das Orange in den Zimmern entspricht ebenfalls nur dem Klischee südländischer Gemütlich­keit – hier jedoch kommt es eher mit dem Zartgefühl einer Warnweste daher. Da hätte man sich zugunsten des Wohlbefindens der Bewohner und Mitarbeiter einen sensibleren Farbkanon gewünscht.

Platz für neue Spuren

Besonders geglückt ist hingegen eine andere Idee der Raumgestaltung: Für eine lange Wand im Schulbereich wurde eine Tapete entwickelt. Darauf sind luftig gestreut, aber mit Bezug auf den Raum einfarbig reproduzierte Zeichnungen ehema­liger Patienten gedruckt. Die teils witzigen, teils nachdenklich stimmenden Skizzen sollen die zukünftigen Schüler zur Weitergestaltung, zur Entfaltung ihrer eigenen Ideen anregen. So können sie sich den Raum nach und nach zu eigen machen und ihre persönlichen Spuren darin hinterlassen. Insgesamt ist das Gebäude  eine gelungene Antwort auf eine ­diffizile Bauaufgabe. Es nimmt dem Ort den Schrecken und bietet Raum für Entwicklungen, die sich durch die zukünftige Forschung ergeben werden.

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