Zweites Le­ben

Aufstockung und Sanierung Wohnhaus, Genf

Der Architekt Raphaël Nussbaumer nutzte eine Aufstockung, um ein Mehrfamilienhaus in Genf räumlich, optisch und auch in Bezug auf Wärmedämmung und Statik aufzuwerten. Gemeinsam mit den Bauingenieuren von Ingeni entwickelte er einen Hybridbau aus Stahl, Beton und Holz.

Date de publication
13-04-2018
Revision
13-04-2018

Als der Architekt Raphaël Nussbaumer vor dem Gebäude Nummer 9, avenue de Séche­ron in Genf stand, beschloss er, diesem kleinen Wohngebäude aus den 1950er-Jahren ein zweites Leben zu schenken. Mit einer Sanierung und Aufstockung verbesserte er die räumliche Organisation, die Erdbebensicherheit, die Energiebilanz und das Erscheinungsbild des Objekts. Dies war möglich, da durch die geänderte Bebauungsordnung (L 5 05 – Loi sur les con­structions et les installations diverses [LCI]) eine Nachverdichtung in die Höhe für mehr Wohnraum erlaubt wurde. Zudem befand sich das Gebäude im Familien­besitz des Architekten. So konnte er die Eingriffe präzise auf seine Bedürfnisse zuschneiden.

Im Zuge der Planung der drei zusätzlichen Stockwerke wurden auch die fünf Bestandsgeschosse aufgewertet. Die neue Nord- und Südfassade erhielten ein verjüngtes Gesicht, das sich selbstbewusst von den aneinandergereihten Nachbargebäuden abhebt. Die anders­artigen Ansichten verleihen dem Gebäude eine starke Identität und ein einheitliches visuelles Erschei­nungsbild über die insgesamt acht Stockwerke.

Zur Hofseite hin wurde mit Wintergärten ein überwiegend homogenes Fassadenbild geschaffen, während die optische Kontinuität auf der Strassenseite weitgehend auf das künstlerische Mitwirken von Karim Noureldin zurückzuführen ist. Dieses im Dialog zwischen Künstler und Architekt entwickelte Konzept soll eine Balance zwischen städtebaulicher Situation und Architektur schaffen. Der auf den Putz gestrichene Raster, Teil des Kunstkonzepts, bezieht sich auf die horizontale Fassadengestaltung der Nachbargebäude. Denn obwohl die Anzahl der Fenster in den Bestandsgeschossen von denen der Aufstockung abweicht, gelingt es durch den Raster, diesen Unterschied auf subtile, aber effiziente Art zu überspielen.

Multifunktionale Elemente

Die gewählten Lösungen übernehmen gleich mehrere Funktionen. Auf der Hofseite erhielten alle acht Geschosse einen vorgesetzten Wintergarten, um von der Südausrichtung zu profitieren. Die zuvor recht bescheidene Fläche der ursprünglichen Wohnungen wird so vergrössert, bietet den Bewohnern neue Nutzungsmöglichkeiten und erhöht den passiven Solar­eintrag. Die Wintergärten wurden als selbsttragen­de, am Bestand angedockte schlanke Stahlkonstruktion realisiert.

Auf der Nord- und Südseite verstärken Tafeln aus Brettschichtholz das Tragwerk des Gebäudes, das im bestehenden Teil aus rechtwinklig zu den Fassaden ausgerichteten Ziegelmauern besteht, die – gleich einem Kartenhaus – auf sehr dünnen Stahlbetondecken ruhen. Diese Holztafeln, die an der Mauerwerksfassade des Bestands und an den De­cken­randsteinen verankert sind, erhöhen die Standsicherheit des Gebäudes in Längsrichtung und verbessern seine thermischen Eigenschaften. Auf der Nordseite erhielten sie ein Wärmedämmverbundsystem in Putzausführung, nach Süden hin, in den temperierten Räumen der Winter­gärten, nur einen Anstrich.

Hybride Aufstockung

Die drei neuen Geschosse der Aufstockung setzen sich aus verschiedenen, ineinander übergehenden Bau­weisen zusammen. Es handelt sich um einen Stahl-Beton-Holz-Hybridbau. Der Beton­kern übernimmt in Verlängerung des Bestandsgebäudes die aussteifende Funktion, während die peripheren Bereiche (Deckenübergang, Fassaden und Dachkonstruktion) in Holzbauweise ausgeführt sind – hauptsächlich aus Gründen der thermischen Optimierung. Um die neuen Auflasten auf dem vorhan­denen Rohbau zu minimieren, wurde für das Tragwerk ein schlankes Stahlskelett als Lösung gewählt.

Aufgrund der acht Geschosse im Endzustand konnte ein Holzrahmenbau angesichts der Brandschutz­anforderungen nicht bewilligt werden. Die auf das beste­hende Mauerwerk aufgeständerte Stahlkonstruktion definiert den Raster für die Geschoss­decken der Aufstockung. Die Stahlbauweise gewährleistet die Ein­haltung der gesetzlichen Mindest­abmessungen für die Raumhöhe und ermöglicht den Einbau zahlreicher Installations­kanäle. Aus Brandschutzgründen ist diese Konstruktion unsichtbar unter den abgehängten Decken und in den Trennwänden verborgen. Die tragenden Systeme des Bestands- und des Neubaus unterscheiden sich durch ihre Baustoffe ebenso wie durch ihr statisches Prinzip. Sie sind wie die Fassaden eng miteinander verbunden und funktionieren komplementär.
 

Projekt
Aufstockung in Sécheron, Genf
Termine
16 Monate Ausführungsdauer; Fertigstellung: 2015
Tragwerkstyp
Hybridbau Stahl-Beton-Holz
Kenndaten SIA 416
Bebaute Fläche: 1100 m2 + 560 m2
Nutzfläche: 3000 m3 + 1850 m3

Anmerkung
Dieser Artikel erschien bereits unter dem Titel «Zweites Leben für ein Wohnhaus» in steeldoc 01/18.
(Übersetzung aus dem Französischen: Anna Friedrich)

Am Bau Beteiligte
 

Bauherrschaft
Privat

Architektur
Burrus Nussbaumer Architectes, Genf

Tragwerksplanung
Ingeni, Genf

Stahlbau
Sottas, Bulle

Fassadenplanung (Glas)
Arteco, Chexbres

Fassadenplanung (Schlosserarbeiten)
Acomet, Monthey

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