Stahl und Ver­bund ver­bin­den Ufer

Streckenausbau über Wasser

Knapp 23 m über den Rädern der Eisenbahn wölben sich die Bögen der neuen Brücke Massongex. Sie verbindet das südliche walliserische Rhoneufer mit dem nördlichen auf Waadtländer Seite.

Publikationsdatum
06-10-2016
Revision
15-10-2016

Der Neubau, der mit einer Spannweite von 125.80 m als längste stählerne Eisenbahnbrücke der Schweiz gilt, ersetzt zwei bestehende, eingleisige Stahlbrücken aus dem Jahr 1903 und 1923, die dem Güterverkehr nicht mehr gewachsen waren. Die oberstrom gelegene Brücke war für die schwerste Zugkategorie (D4) nicht mehr zugelassen. Zugleich bargen die alten Bauwerke mit einer Spannweite von je 70 m und je beidseitig vorgelagerten 10-m-Brücken zum Eisenbahndamm hin wenig Spielraum bezüglich zukünftiger flussbaulicher Massnahmen der 3. Rhonekorrektion (vgl. TEC21 10/2012).

Da die flussabwärts gelegene, bestehende Brücke noch besser intakt war, galt es, diese zuletzt ausser Betrieb zu setzen und den Eisenbahnverkehr auf der Simplonstrecke bis zum Einsatz der neuen Brücke über sie abzuwickeln. Folglich musste das Einschieben der neuen Brücke stromabwärts geschehen und ein Installationsplatz oberstrom der alten Brücken gefunden werden. Da auf der Bexer Seite Hochspannungsfrei­leitungen zu nah am Waadtländer Ufer verliefen, blieb nur, die Stahlkonstruktion linksufrig auf der walliserischen Seite zu erstellen.

Lager im, am und unterm Strom

Das Stahltragwerk wurde auf Pfahljochen erstellt. Erst der Bau von je einem Vorschublager beidseits der Rhone und zweier provisorischer Pfeiler auf einer vorgeschütteten Plattform im Fluss machten den späteren Vorschub der Brücke möglich. Um die provisorischen Pfeiler zu erreichen, die 68 m vom linksufrigen Vorschublager an der gegenüberliegenden Flussseite entfernt lagen, musste die Stahlkonstruktion mit einem 30 m langen Vorbauschnabel ausgestattet werden.

Die im Fluss geschüttete Plattform, deren Sicherung mit Spundwänden erfolgte, hatte aufgrund der Fliessquerschnittseinengung auch Folgen für den Uferschutz. Am gegenüberliegenden Ufer wurden im Vorfeld auf einer Länge von 70 m Uferschutzmassnahmen vorgenommen, um Erosionen aufgrund Strömungsumlagerungen zu vermeiden.

Die beiden Vorschublager an den Ufern sind auf acht 20 m langen Bohrpfählen fundiert, deren Durchmesser 1.50 m beträgt. Die Pressen bei der Montage der definitiven Auflager werden ebenfalls an diesen Lagern angesetzt.

Endgültig ruhen wird die Brücke auf vier Kalottenlagern, die in Querrichtung frei beweglich und in Längsrichtung am linksufrigen Widerlager aus Stahlbeton arretiert sind.  Die Fundation am linken Ufer besteht aus drei Reihen mit je fünf Bohrpfählen, deren Durchmesser 1.50 m bei einer Länge von 27 m beträgt. Zur Aufnahme horizontaler Lasten insbesondere aus seismischen Aktivitäten sind die äusseren Pfähle um 5.7° geneigt. Für die Fundierung des rechtsufrigen Widerlagers reichten zwei Reihen mit je fünf Pfählen von 20 m Länge aus, da dort das Auflager in Längsrichtung beweglich angeordnet ist. Für den Bau der Widerlager wurden in den bestehenden Eisenbahndämmen beiderseits der Rhone zwei Baugruben ausgehoben. Vier provisorische Brücken überspannen zur Aufrechterhaltung des Bahnverkehrs die Gleise. Die Spannweiten dieser Behelfsbrücken von 17.50 m gaben auch die maximale Grösse der Baugruben vor.  

Als Tragsystem der neuen Brücke wurde ein Langerscher Balken (Bow-String) gewählt, der auch als Stabbogenbrücke bekannt ist. Die Bögen sind mit den Trägern der Fahrbahn verankert, sodass die Fahrbahn als Zugband wirkt. Die Fahrbahnträger nehmen somit die horizontalen Auflagerreaktionen der Bögen auf, und  die Lager der Brücke erhalten aus ihrem Eigengewicht nur vertikale Lasten. Gleichzeitig ist die Fahrbahn mittels Hängern mit den Bögen verbunden, sodass Letztere axialen Druckbeanspruchungen ausgesetzt sind.

Geneigte Bögen und Stege

Das primäre Stahltragwerk besteht aus zwei um 12° nach innen geneigten Bögen mit Kastenprofil und zwei Längsträgern auf Fahrbahnebene, die die Funktion der Zugglieder übernehmen. Zur Kraftübertragung der Hänger an die Bögen ist eine mittlere dritte Wand in die Hohlkästen eingeschweisst. Die Profilhöhen der Bogenkästen verjüngen sich von 1.85 m am Kämpfer auf 1.20 m am Scheitel. Vier Querträger, die ebenfalls als Hohlkasten ausgeführt sind und beim Vorschub abgestützt werden, verbinden die beiden Bögen. Die Bogenkämpfer sind in die Längsträger eingespannt und über ein 1.10 m hohes Querprofil zur Abtragung der Kräfte in die Auflager verbunden.

Die Längsträger, deren Stege ebenfalls um 12° geneigt sind, jedoch horizontale Flansche der Stärke 120 mm aufweisen, haben eine konstante Höhe von 4 m und weisen eine Überhöhung von 200 mm auf. Im Auflagerbereich erfolgt die Einbindung der Bögen in die Längsträger über ein Kastenprofil. Auf den Obergurten sind zur Krafteinleitung der Hänger Laschen angeschweisst. Je Bogen sind 16 Hänger aus Flachstahl (60 × 300 mm) angeordnet. Um eine zu starke Biegung   der äusseren Hänger beim Vorschub der Brücke zu vermeiden, werden diese durch provisorische, flexiblere   ersetzt. Erst nach dem Betonieren der Bodenplatte, wenn die Stahlkonstruktion bereits über der Rhone liegt,  werden die endgültigen Hänger montiert. Verwendung bei der Stahlkonstruktion fand Stahl der Sorte S355 M/ML, ein thermomechanisch gewalzter, schweissgeeigneter Feinkornbaustahl.                 

Über die Rhone, betoniert Richtung Genf

Der Vorschub der stählernen Brückenkonstruktion erfolgte erst vom Installationsplatz über die provi­sorischen Pfeiler im Fluss bis auf das rechtsufrige Vorschublager. In dieser Position begannen die Beto­nierarbeiten zur Erstellung des Brückentrogs. Dieser besteht aus einer Platte, deren Stärke zwischen 40 cm und 52 cm an ihrer Achse beträgt, und seitlichen, 2.20 m hohen Stahlbetonträgern mit variabler Wandstärke.  Der Brückentrog ist über Kopfbolzen in Verbundbauweise mit den Längs- und Querträgern der Stahlkon­struktion verbunden.

Um das Eindringen von Wasser zwischen Trog und Stahl zu vermeiden, ist die Ober­seite des Betonträgers mit einer Neigung nach innen ausgeführt. Für die Abdichtung des Betontrogs fanden eine 5 mm starke PBD-Dichtungsbahn  und eine 40 mm dicke Gussasphaltschicht Verwendung. Zur Entwässerung dieser dichten Konstruktion wurde die Oberfläche des Trogs mit mindestens 2 % Gefälle facettenartig ausgeführt, sodass anfallendes Wasser über die im Abstand von 6.80 m angeordneten Brückenabläufe direkt in die Rhone abfliessen kann.

Das Auffüllen des Trogs geschah mit einer  75  cm tiefen Schotterschicht und entlang der Schwellen mit einer Auffüllreserve mit 12 cm Höhe. So ausgestattet konnte der Einschub der Brücke bis zu ihrer endgültigen Lage beginnen. Nach dem Rückbau der provisorischen Pfeiler im Fluss wurde der Neubau bis zur oberstromigen, alten Brücke geschoben. Diese wurde unter Zuhilfenahme der neuen Brücke demontiert. Nach einem weiteren Zwischeneinschub bis zur noch bestehenden Brücke konnte ein erstes Gleis über die neue Konstruktion gelegt und somit der Eisenbahnverkehr erstmals umgelegt werden. Nach dem derzeit laufenden Abbruch der verbliebenen alten Brücke wird die neue Brücke nach einem nochmaligen Schub ihre endgültige Position erreichen.

Anmerkung

Vorliegender Artikel beruht auf der Veröffentlichung «Un nouveau pont ferroviaire sur le Rhône» der Autoren Hugo Anacleto, Tristan Jakob, Hartmut Mühlberg, Stéphane Utz, Philippe Morel, erschienen in TRACÉS 09/2016; inhaltliche Koordination: Philippe Morel und Jacques Perret.

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
SBB AG

Unternehmen
Implenia

Ingenieure
Monod-Piguet + Associés Ingénieurs Conseils S.A.

Stahlbau
Zwahlen Mayr SA

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