Re­mi­nis­zenz an den Git­ter­trä­ger

Brückenbau

Die Bahnbrücke beim Schloss Aarwangen wurde in nur vier Wochen ersetzt. Die beteiligten Ingenieure berichten unter anderem, wie die vorfabrizierten Segmente von der benachbarten Strassenbrücke montiert wurden

Publikationsdatum
20-11-2015
Revision
27-11-2015

Die Bahnbrücke beim Schloss Aarwangen prägte seit ihrer Inbetriebnahme durch die Langenthal-Jura-Bahn 1907 das Ortsbild an dieser historisch gewachsenen Brückenstelle. Das Ständerfachwerk über zwei Felder mit symmetrischen Spannweiten von 48 m galt als markantestes Bauwerk der heutigen Bahnlinie der Aare Seeland mobil AG (asm). Als genietete Stahlkonstruktion in die Jahre gekommen, wies sie verschiedene alters- und konstruktionsbedingte Mängel auf, die für eine weitere Nutzung zu beheben waren.

Da eine Instandsetzung mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden gewesen und das Erscheinungsbild der filigranen Fachwerkkonstruktion durch die notwendigen Verstärkungen zu stark beeinträchtigt worden wäre, beschloss die asm in Absprache mit dem Bundesamt für Kultur und der Berner Denkmalpflege, die Brücke zu ersetzen.

Da das geschützte Ortsbild und die Qualität der bestehenden Brücke nach einem hochwertigen Ersatz verlangten, wurde im Jahr 2013 ein Studienwettbewerb durchgeführt. Die in diesem Verfahren favorisierte Brückenvariante sah vor, den bestehenden Unterbau weitgehend zu restaurieren und nur wo unabdingbar notwendig zu verstärken. Der neue Oberbau war hingegen als moderner Parallelgurtträger mit einer Trägerhöhe von 3.1 m in Stahl konzipiert.

Zugunsten eines leichten Erscheinungsbilds wurden die Stegflächen in Reminiszenz an alte Gitterträger in einem rautenförmigen, an den Schubkraftverlauf angepassten Muster perfo­riert. Die Perforierung verleiht dem Träger sichtbare Leichtigkeit und erlaubte eine Reduktion des Trägergewichts um ca. 5 %, was insbesondere für die Montage Vorteile versprach. 

Durch die grössere Schlankheit des neuen Trägers gegenüber dem 4 m hohen bestehenden Ständerfachwerk konnte sowohl der Freibord vergrössert als auch die Gurt­oberkante abgesenkt werden, was eine weniger in Erscheinung tretende Präsenz mit spannender Ambivalenz zwischen Vollwand- und engmaschigem Gitterträger ergibt. 

Für den Ersatz der Brücke war lediglich eine vierwöchige Betriebspause vorgesehen, die dank einem hohen Vorfabrikationsgrad und einem effizienten Bauvorgang gewährleistet werden sollte. Sowohl der Rückbau als auch das Versetzen der neuen Brückensegmente aus Stahl waren in der Nacht von der benachbarten Strassenbrücke aus vor­gesehen. Um die Hubgewichte zu beschränken, sollten sowohl der bestehende Überbau für den Rückbau als auch die neue Brücke in vier ­Segmente getrennt werden. Das Projekt des Studienwettbewerbs konnte in der Folge ohne nennenswerte ­Anpassungen zur Baureife weiterbearbeitet und erfolgreich umgesetzt werden.

Vorbereitung auf den Betriebsunterbruch

Das Arbeitsprogramm innerhalb des Betriebsunterbruchs wurde durch das Vorziehen sämtlicher Bauhilfsmassnahmen und der möglichen Massnahmen am Unterbau entschlackt. Die vier Brückensegmente der neuen Bahnbrücke wurden samt den Gehflächen und Schwellen, mit Ausnahme der Gleise, in der Werkstatt der Firma Senn AG in Oftringen vorgefertigt und für den Ausnahmetransport zur Baustelle vorbereitet. 

Für die Erstellung des parametrisch auf die statischen und konstruktiven Anforderungen abgestimmten Lochmusters in den Stegblechen kam ein robotergesteuerter Brennschneider zur Anwendung. Die Verbindungen wurden grösstenteils geschweisst. Ausser für die Halsnähte der Vollwandträger zwischen Flansch und Steg, die mittels Schweissroboter erstellt wurden, kam Handschweissung im Metall-Aktivgas-Schweissverfahren (MAG) zum Einsatz.

Rascher Ersatz

Der Ersatz des bestehenden Überbaus erfolgte wie vorgesehen mit minimalen Hilfsmassnahmen – es waren nur zwei Hilfsjoche zur temporären Abstützung notwendig – von der benachbarten Strassenbrücke aus. Diese war dank ihrer Auslegung für die Überfahrt von Schwertransporten in der Lage, die grossen ­Lasten während des Rück- und Neubaus abzutragen. Das in der Nacht zwischen 24 Uhr und 3 Uhr unter Sperrung des Strassenverkehrs reali­sierte Aus- und Einheben der segmentierten Brückenüberbauten verursachte allerdings durch die beiden Mobil­kräne von 75 t bzw. 90 t sowie die bis zu 52 t schweren Überbauteile beachtliche Beanspruchungen der Strassenbrücke.

Um die Tragsicherheit gewährleisten zu können, musste der konzentrierte Tatzendruck der Mobilkräne daher über Lastverteilelemente in die Fahrbahnplatte eingeleitet werden. Damit die Elemente des alten Überbaus nicht am Haken des Krans getrennt werden mussten, wurden diese bis zum Ausheben durch eine 9 × 12 m grosse Schwimmplattform gestützt. Die Montage der neuen Bahnbrücke erfolgte in der umgekehrten Reihenfolge des Rückbaus, sodass vor Ort allein drei Längsstösse im MAG-Verfahren ausgeführt werden mussten. Diese Schweissarbeiten dauerten eine Woche und fanden in provisorischen Einhausungen statt. 

Nach erfolgtem Fugenschluss mussten der Oberflächenschutz ergänzt und die Schienen sowie die Bahntechnik montiert werden, worauf die Brücke nach vierwöchiger Betriebspause dem Verkehr übergeben werden konnte. 

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Aare Seeland mobil


Tragwerk
Fürst Laffranchi Bauingenieure


Architektur
Ilg Santer GmbH

Verwandte Beiträge