Ener­gie­zu­kunft Sch­weiz

Viel Optimismus unter den Fachleuten

Der Wunsch ist da: Energieeffizienz, Energie einsparen, neue Energien nutzen – ohne Einbusse an Komfort. Das Forum für Universität und Gesellschaft ist in Bern an fünf Veranstaltungen unter dem Titel «Die Kunst der Effizienz» Fragen zu künftigen Energiestrategien in der Schweiz nachgegangen. Die Schlussveranstaltung vom 16. Februar widmete sich der Energiezukunft und der Rolle der Politik.

Data di pubblicazione
20-02-2013
Revision
01-09-2015

Die Sicherheit der Versorgung und der Technik, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit – diese vier Begriffe betonte der Direktor des Bundesamts für Energie, Walter Steinmann, als wesentlich bei den Weichenstellungen für die Energiestrategie 2050, wie sie der Bund anstrebt. Das Wachstum der Bevölkerung und der Bedarf nach Erneuerungen in der Energieinfrastruktur sind Gegebenheiten, die so oder so Massnahmen fordern. Die Versorgungssicherheit der Schweiz braucht internationale Kooperationen. Herausforderungen seien auch der Klimawandel und letztlich der Energiemarkt und seine Preise. Im Rahmen der Energiestrategie 2050 soll die Energieeffizienz verstärkt werden, gelte es, erneuerbare Energien auszubauen und den Restbedarf durch fossile Stromproduktion und Importe zu decken. Steinmann bezeichnete die Kosten eines solchen Umbaus mit 39 Milliarden Franken innert 40 Jahren als tragbar.

Wissen um Energieeffizienz als Exportartikel

Patrick Hofer-Noser (Fa. Meyer Burger, Technologie für Fotovoltaik, Gwatt bei Thun) skizzierte die Megatrends beim Energieverbrauch und die daraus folgenden Herausforderungen. Nur im Gesamtsystem betrachtet lasse sich die Wirksamkeit einzelner Massnahmen beurteilen. Das bedeutendste Potenzial bei erneuerbaren Energien komme der Solarenergie zu, neben Geothermie, Wind- Gezeiten- und Wellenkraft sowie Wasserkraft. In der Fotovoltaik nimmt die Schweiz offenbar eine wichtige Stellung ein. Es gehe nun nicht mehr bloss darum, im heimischen Markt zu wirken, sondern vielmehr mit integrierten Systemangeboten international als industrieführend aufzutreten. Fotovoltaik werde sozusagen zu einem Baustoff, so wie etwa beim Bau der Umweltarena in Spreitenbach. Hofer-Noser erwartet von der Politik langfristig wirksame, stabile Rahmenbedingungen, und er zieht Lenkungsmassnahmen den Subventionen vor.

Ökosteuer als Erfolgsprojekt

Für den Ökonomen Gebhard Kirchgässner (Schweiz. Institut für Aussenwirtschaft und angewandte Wirtschaftsforschung der Universität St. Gallen) ist klar, dass die Schäden an unserem Ökosystem drohen irreversibel zu werden. Die Schweiz verbraucht mehr, als die Natur bietet. Und er betonte, dass mit höherer Energieeffizienz kein Komfortverlust einhergehe, sofern die richtigen Massnahmen ergriffen würden. Derzeit sei der Preis für Energie viel zu tief angesetzt, meinte Kirchgässner. Er müsse deutlich steigen, damit überhaupt eine Verhaltensänderung und Massnahmen zur Effizienzsteuerung ergriffen würden. Seiner Meinung nach wäre eine ökologische Steuerreform ein gangbarer Weg zu mehr Energieeffizienz. Die Idee dahinter: Statt wie jetzt die Arbeit durch Steuern und Abgaben zu belasten, sollte der Faktor Umwelt- und Ressourcenverbrauch zur Staatsfinanzierung beitragen – eine Umschichtung der Steuer- und Abgabenlast also.
Unter der Bedingung, dass dadurch die Arbeitslosenrate gleich tief bleibt wie bisher, der Staatskostenanteil nicht steigt, die Auswirkungen auf die Wirtschaft nicht negativ sind und eine faire Rückverteilung erfolgt, sieht Kirchgässner hier eine reale Möglichkeit zur verbesserten Steuerung des Energieverbrauchs. Die Idee wird nicht allein in der Schweiz diskutiert. Aber Kirchgässner ist klar, dass die politische Akzeptanz erste Voraussetzung für einen derartigen Systemwechsel ist. Die ökologische Lenkungswirkung einer solchen Steuer müsse sichtbar werden.

Die beste Energie ist jene, die wir nicht verbrauchen

Im Bits-to-Energy Lab, einem gemeinsamen Forschungsprojekt von ETH und Universität St. Gallen, untersucht und entwickelt ein Team von Ingenieuren, Informatikern, Psychologen und Betriebswirten unter der Leitung von Thorsten Staake Lösungen, die Konsumenten zu einem effizienten Einsatz von Ressourcen motivieren. Im Zentrum der Tätigkeit steht eine Kombination von Wissen aus verhaltensorientierten Wirtschaftswissenschaften mit einer umfassenden rechnergestützten Informationsverarbeitung. Nicht mit Geboten und Verboten und einer Unzahl von Vorschriften seien Menschen zu einem besseren Umgang mit Energie zu gewinnen, sondern durch psychologisch geschickt eingesetzte, direkt auf ein bestimmtes Verhalten reagierende Information. Staake zitierte die rund 2000 kWh Energie, die ein typischer Haushalt jährlich für die Warmwasseraufbereitung benötigt – deutlich mehr als für Kochen, Kühlschrank, Licht und elektrische Geräte zusammen. Wer direkt merke, dass sein Griff nach dem Wasserregler wirksam Einsparungen erzielt, die sich übers Jahr summieren, reagiere anders, als wenn er die Einsparung bloss in Prozentzahlen ausgedrückt kenne und damit als marginal auffasse. Warum nicht Spass und Unterhaltung beim Lernen rund um Energiethemen vermitteln? Wer sich so mit seinem Energieverhalten auseinandersetzt, dürfte sich eher freiwillig und gerne für Energieeffizienz begeistern – ganz anders, als dies bei einem Strauss von Vorschriften der Fall ist.

Ein Plädoyer für neue Energien

Engagiert nahm der Präsident von Swissolar, Roger Nordmann, während der Schlussdiskussion Stellung zu den Fragen rund um die Energieproblematik. Er sieht ein Szenario, das den Atomstrom zu 70% durch Solarenergie ersetzt, als realistisch an, sofern Windkraft und Biomasse die restlichen 30% decken können. Nordmann stellte fest, dass die Schweiz heute im Laufe der Jahreszeiten Strom importiert und auch exportiert, doch produziere sie insgesamt etwa jene Menge, die sie innert eines Jahres verbraucht. Mit einer verbesserten Speicherkapazität (rund 30%) für erneuerbare Energien während der Wintersaison sei ein Umstieg möglich. Die Schweiz verfüge über wichtige Vorzüge: die Infrastruktur zur Speicherung von 14% der jährlich produzierten Strommenge, die Möglichkeit, bis 2020 Pumpspeicherkraftwerke auszubauen und so zwei Drittel der landesweiten Leistung aufzunehmen, und eine genügende Sonneneinstrahlung für eine effiziente Energiegewinnung. Nordmann sieht in der Solarenergie eine Technologie mit hoher Akzeptanz und einfacher Installation bei zudem konstant sinkenden Preisen.

Langfristig denken

Eigentlich waren sich in der Schlussdiskussion alle einig: Wir müssen alles tun, um den Energieverbrauch zu reduzieren und die vorhandene Energie effizient zu nutzen. Aber der Teufel steckt im Detail – wie die Massnahmen umzusetzen sind, darüber gehen die Meinungen deshalb auseinander. Diskussionsleiter Martin Läubli vom «Tages-Anzeiger» stellte denn auch fest, dass Kostenwahrheit für Energie in der Schweiz nur dann realistisch wird, wenn international Kostenwahrheit besteht. Auf technischem Gebiet hingegen stehe die Schweiz sehr gut da, Cleantech könne zum Exportartikel werden.
Doch das Verbrauchsverhalten im Land selber lässt teilweise noch zu wünschen übrig. So stellte Thorsten Staake fest, dass kurioserweise Haushalte, die «grünen Strom» abonnieren und damit deutlich mehr bezahlen, nicht selten eher mehr als weniger verbrauchen – wer dank Ökostrom-Abo sein Verhalten als vorbildlich empfindet, nimmt sich anscheinend mehr Freiheiten beim Verbrauch. Und zur offenbar recht umstrittenen Ökosteuer war zu hören, dass sie ja schon teilweise eingeführt sei, bei 20 Fr. CO2-Abgabe pro Tonne Heizöl. Klar war immerhin für alle, dass nur langfristige Perspektiven in Bezug auf die Energiepolitik und ihre Folgen eine dauerhafte Verhaltensänderung beim Energieverbrauch bewirken können.

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