BIM ist ni­cht 3-D

BIM ist inzwischen eine anerkannte Methode für die Planung, Verwaltung und Durchführung von Bauprojekten. Trotzdem läuft nicht alles rund. Das Bundesamt für Strassen arbeitet als Auftraggeber mit dem Markt und anderen öffentlichen Bauherrschaften an Möglichkeiten zur Implementierung.

Data di pubblicazione
24-03-2023

Der Bund hat es 2019 in der damaligen Strategie ­Digitale Schweiz publiziert und auch heute ist das die vorherrschende Meinung in den Planungsbüros: Bis 2025 soll das Building Information Modelling (BIM) im Tiefbau eingeführt sein. Das heisst auch, dass nicht nur Bauherrschaften BIM-Daten bestellen, sondern auch Planende, Unternehmungen und Lieferanten diese liefern können.

Nun – 2025 ist bald. Und in der aktuellen Strategie Digitale Schweiz ist kein Termin für die Einführung von BIM mehr enthalten. Ein guter Grund, der Frage nachzugehen: Wo stehen die öffentlichen Auftraggeber, beispielsweise das Bundesamt für Strassen (Astra) heute, und was ist zu tun? «Wir gehen seit 2018 schrittweise das Thema an. Dabei ist das Jahr 2025 nur ein Meilenstein. Da BIM einerseits klar in der Norm SN EN ISO 19650-1 definiert ist und wir bereits jetzt konkrete Mehrwerte erkennen, werden digitale Methoden wie BIM ab 2025 breit kommen, aber praxisnah», erläutert Odilo Schoch, Gesamtprogrammleiter BIM beim Astra.

Noch vor vier Jahren hiess es von Seiten des Bundes: Demnächst werde BIM für alle Bauvorhaben des Bundes zwingend. Mehr dazu im Beitrag «Macht des Modells»

Orien­tierungshilfe bietet Externen die frei zugängliche Teilstrategie BIM des Astra. Dort findet man erstaunlich wenig zu 3-D Modellen, hingegen mehr zu den Inte­ressen des Bundesamts für Strassen selbst. Es wird deutlich: BIM ist Teil der Digitalisierung, BIM betrifft viele Bereiche des Astra – von Pilotprojekten bis zu Verträgen und Automatisierungssoftware – und die Anwendung von BIM wird eher in Bau und Betrieb gesehen als bei der Planung. Als öffentliche Bauherrschaft hat man demnach Interesse, langfristig Zugang zu Projektinformationen zu haben.

Über allem steht der Auftrag der Regierung, die Mobilität auf den Strassen zu gewährleisten. Das Astra nutzte die Digitalisierung schon früh und möchte das auch in Zukunft können. Daraus folgt aber, dass man andere Interessenschwerpunkte hat als beispielsweise die korrekte 3-D-Kollisionsprüfung seitens der Planenden. Als Teil der Eidgenossenschaft wirken unterstützend die Grundsätze der Erklärung von Tallin (EST), die 2017 von der Schweiz und weiteren 31 europäischen Staaten unterzeichnet wurde. Dieses Dokument legt den Grundsatz der Interoperabilität fest. Was sich sehr abstrakt liest, ist ein Kern der Methode BIM: Daten können wiederverwendet werden. Und zwar einschliesslich der Bedeutung der einzelnen Bauteilbezeichnungen, Attribute und Attributswerte. Die Bundesverwaltung hat hierzu den Interoperabilitätsserver i14y.admin.ch aufgeschaltet, der für verschiedene Themen der öffentlichen Hand eine zentrale Quelle von mensch- und maschinenlesbaren Referenzdaten bietet. Referenzdaten aus dem Bauwesen fehlen allerdings noch, beispielsweise die Attributschreibweise, die das Astra braucht. Interessant ist, dass die Logik dieselbe ist wie die des Attri­but­servers von Buildings­SMART international oder Profilservern wie dem des CRB – und sich mit diesen vernetzen lässt.

Den Objekten Merkmale zuordnen

In den letzten Jahren hat sich BIM von einer Idee zu konkreten Anwendungen entwickelt. Bei der Planung und Erstellung von Bauwerken ist die Strukturierung und Erhebung der Daten heute relativ gut definiert. Beim Astra wird aus Sicht des Erhaltungsman­agements erst noch festgelegt, welche BIM-Daten in welcher Form und in welchem Detaillierungsgrad benötigt werden. Hier macht sich auch bemerkbar, dass sich die Tätigkeiten und Verantwortungen einer Tiefbauingenieurin von denen des Astra-internen Erhaltungsplanenden unterscheiden.

Man weiss, dass jede Aufgabe ihre ­spezifischen Anforderungen an Informationen hat. Das war schon vor der Digitalisierung so. Die Wirkung im Kontext von BIM ist allerdings, dass man nicht immer die Informationen der Projektverfassenden oder der Bauunternehmung direkt für die Erhaltungsplanung verwenden kann. Beispielsweise sind Informationen eines konkreten Brückenpfeilers in unterschiedlichen Arten gespeichert.

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Wie eine Infrastrukturbauherrschaft bei Tausenden von Bauwerken die Übersicht behalten kann, hat die europäische Konferenz der Strassendirektorate (CEDR) schon 2016 konzeptionell und technisch spezifiziert. Das Astra hat strategisch festgelegt, diese Empfehlung aufzunehmen. «Konkret bedeutet das für die Planenden, Bau­unternehmungen und Lieferanten, dass das Astra noch nicht den Abgleich gemacht hat zwischen den Datenmodellen, beispielsweise aus IFC und jenen der bestehenden Mistra-Datenbanken. Dabei ist weniger die Schreibweise eines Attributs wichtig, sondern die identische Bedeutung. Im Hochbau habe dieser Abgleich hingegen meist schon stattgefunden, sagt Schoch.

Pilotprojekte: Vorteile, Lücken, Potenziale

Damit der Plan, BIM breit einzusetzen auch aufgeht, werden beim Astra Dutzende Pilotprojekte durchgeführt. Mit Hilfe von konkreten und überschaubaren Projekten erarbeitet das Astra Anforderungen und Lösungen, um die modellbasierte Arbeitsweise ganzheitlich zu testen und zu etablieren. Wie sollten Datensätze strukturiert und zur Verfügung gestellt werden, sodass sie im Betrieb operativ möglichst einfach genutzt und aktualisiert werden können?

«Die Pilotprojekte sind jeweils so gewählt, dass man einen Mehrwert generiert sowie unterschiedliche Ziele und Anwendungsfälle bearbeiten kann. Mit überschaubarem Aufwand lernen wir im Infrastrukturbau, mit Datenmodellen umzugehen», sagt Rolf Eberle, Projektleiter in der Astra-Infrastrukturfiliale Winterthur. Er initiierte die digitale Dokumentation des sanierten Schöneichtunnels in Zürich (vgl. «Instandsetzung Tunnel Schöneich, Dokumentation des ausgeführten Werks»).

Die Unterlagen aus den 1970er-Jahren dienten als zusätzliche Informationsgrundlage für die nun präzise erfassten Daten zu Geometrie, Technik und Materialien. Die Ingenieurinnen berücksichtigten Logik und Schreibweise von Bauteilinformationen, um so die einfachere Importierbarkeit in die bestehenden Astra-Datenbanken sicherzustellen. Die jetzt erfassten Daten und deren Modelle sind aufgrund der Vernetzung von Alphanumerik und 3-D höherwertiger als jene im üblichen Astra-Management. Man digitalisiere nicht auf Vorrat, sondern nur, wenn die Daten und Informationen gebraucht werden. Dieser Grundsatz gilt für alle öffentlichen Bauherrschaften und ist in der Strategie «Digitale Methoden im Bauwesen» aller Bundesämter festgehalten.

Daten verknüpfen

Ein übergeordnetes Ziel ist es, die Daten der Einzelprojekte über semantische und technische Standards zu verbinden. «Bisher speichern wir viele Bestandsinformationen in Datenbanken und zudem Infomationen in Dateien», sagt Schoch. So könne man in Zukunft aus dem sogenannten Data Lake herausziehen, was gebraucht wird. Das Datenverständnis sei allgemein in den letzten Jahren gestiegen. Schoch räumt ein: «Was wir allerdings noch nicht können: Aus einer umfassenden BIM-kompatiblen Datenbank einzelne gesonderte Informationen extrahieren.» Vorrangig wichtig ist, die Daten so zur Verfügung zu stellen, dass alle ihre Informationen in der Form und Korrektheit erhalten, in der sie gebraucht werden. Das muss nicht immer ein 3-D-­Modell sein, was immer noch oft unter BIM verstanden wird. Besonders im Hochbau werde die 3-D-Modellierung oft in den Vordergrund gestellt, während BIM im Infrastrukturbau stärker von Daten ausgehe.

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In den konkreten Projekten beobachtet Schoch öfters mehrere initiale Missverständnisse. Beispiels­wei­se, dass über die Bestellung von konkreten Lieferobjekten und die damit zu erreichenden Ziele Klarheit geschaffen wird, statt dass die Planenden in die Rolle des Bauherrenvertreters schlüpfen, um nach der SIA-Norm 2051 die Projektziele zu definieren. Dieser Grundsatz ist auch in der EIR-Vorlage der KBOB umgesetzt. Es zeigt sich, dass beim datengestützten Arbeiten die Bauherrschaft nicht die alleinige Daten-Bestellerin ist. Die Verantwortung kehrt sich teilweise um und die Auftragnehmenden werden zu Bestellern, indem sie nach Attributslisten verlangen. «Wir als öffentliche Bauherren müssen lernen, das zuzulassen», räumt Eberle ein.

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Wenn alle derart ebenbürtig zusammenarbeiten, dass über Plattformen Bauherrschaft und Zeichnende gleichermassen Projektinformationen sehen und sich Aufgaben zuweisen können, stellt sich die Frage, ob sich das nicht mit hierarchischen Strukturen in der Verwaltung oder in den Planungsbüros beisst? Agilität sei hier das passende Stichwort. Der geschickt gewählte Begriff weckt Assoziationen zu Veränderung und Gestaltung der Zukunft. «Agilität ist eine neue Philosophie. Wir müssen alle lernen, mit weniger hierarchischen Strukturen umzugehen», so Eberle.

Strategisches Ziel und seine Massnahmen

Das Astra hat auf strategischer Ebene eine Teilstrategie Daten publiziert. Aktuell wird eine Teilstrategie Digitale Transformation erarbeitet. Diese sind kompatibel mit den der Teilstrategie BIM. Eine Überarbeitung dieser für das Astra wichtigen BIM-Grundlage könnte Antworten formulieren, um aktuell fehlende normative Klarheit im Markt zu verlangen. «Was diese Teilstrategien und auch die übergeordnete Strategie des Astra dem Markt mitteilen möchte, ist: Das Astra wird die Vorteile der Digitalisierung nutzen. Wir wollen digi­tale Zwillinge. Wir erreichen das nur zusammen mit dem Markt und anderen Bauherrschaften», so Schoch. Die Teilstrategien formulieren die Massnahmen. In­teressierte können nachlesen, wie das Bundesamt für Strassen die Digitalisierung samt BIM umsetzt.

Digital vernetzt arbeiten

Durch Pilotprojekte und den Austausch mit Planenden, Bauunternehmungen und anderen Bauherrschaften im In- und Ausland würden die dominanten Probleme der BIM-Implementierung klar werden. Problematisch sind die häufigen Medienbrüche, die durch kleine Tools reduziert werden könnten. Das Astra wird daran arbeiten, beispielsweise indem Attributslisten via Tabelle verteilt werden. «Tabellen können aber schlecht Wertebereiche und Listen kommunizieren. Da möchten wir den Standard IDS etablieren helfen», so Schoch. Eigentlich muss nicht jedes Büro die Inkompatibilität von Tools oder auch nur ModelViewDefinitions kennen. Derzeit ist das aber manchmal notwendig, da in den konkreten Projekten sogar marktübliche Software selten meldet, ob Daten falsch importiert worden sind.»

Zudem begegneten Firmen oder Einzelpersonen der Bauherrschaft mit einer gewissen Zurückhaltung, würde man BIM erwähnen. Wenn man jedoch erkläre, dass es um bessere Datendurchgängigkeit und dadurch gute Prozesse ginge, seien die Beteiligten wieder dabei. Die Anwendung der BIM-Methode werde gern verkompliziert und sei zu entmystifizieren. «Es ist tatsächlich noch nicht alles End-User-gerecht, auch nicht immer seitens Astra. In der Schweiz gibt es wahrscheinlich 30000 Planende im Infrastrukturbau. Nicht jeder kann all die Workarounds um technische Probleme oder Sinn und Unsinn von Empfehlungen kennen. Wir wünschen uns aber ein minimales Datendenken. Alle Beteiligten müssten dafür offen sein, digital vernetzt zu arbeiten.» Das betreffe nicht nur die Planenden, sondern auch bei Bauunternehmungen gebe es digitale Initiativen, die bereits wertvolle Erfahrungen lieferten.

Die ausführliche Version dieses Artikels sowie weitere Beiträge zum Thema sind erschienen in TEC21 9/2023 «Infrastruktur digital erfassen».

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