Zum Dik­tat der Kom­pak­theit

Der Kanton Basel-Landschaft will die beiden Sekundarschulen von Muttenz am Standort Hinterzweien zusammenführen. Entgegen dem Trend zu immer kompakteren Schulhäusern schlagen Gschwind Architekten zwei Gebäude vor, die spezifisch auf die divergierenden Anforderungen ausgelegt sind.

Data di pubblicazione
27-10-2022

Erweiterung Sekundarschule Hinterzweien, Muttenz; Einstufiger Projektwettbewerb im offenen Verfahren

Die Sekundarschule in Muttenz ist heute auf die beiden Standorte Gründen und Hinterzweien verteilt. Da die Schulanlage Gründen stark sanierungsbedürftig ist, soll sie abgebrochen werden. Im Gegenzug wird die Schul­anlage Hinterzweien erweitert, sodass die Sekundarschule Muttenz an einem Standort zusammengeführt werden kann. Sie besteht aus drei unterschiedlichen Gebäuden. Dreh- und Angelpunkt ist die 1934 gebaute Primarschule des Architekten Rudolf Christ, die in den 1960er-­Jahren mit den beiden Trakten 1 und 3 ergänzt wurde (siehe auch TEC21 47/2016). Das Ge­bäudekonglomerat schlängelt sich durch das ganze Geviert von Nordwesten bis Südosten. In der nordöstlichen Ecke befindet sich die Kirche Johannes Maria-Vianney des Architekten Max Schnetz aus dem Jahr 1964. Die diagonal gegenüberliegende Freifläche dient als Pausenplatz und als Rasenspielfeld. Sie bildet den Wettbewerbsperimeter zur Erweiterung der Schulanlage.

Die Wettbewerbsaufgabe zur Erweiterung des Standorts Hinterzweien umfasste zusätzliche Unterrichtsräume für insgesamt 27 Regelklassen und die kantonale Sportklasse sowie eine zusätzliche Doppelsporthalle. Um Lösungs­ansätze für diese Aufgabenstellung zu erhalten, hat der Kanton Basel-Landschaft einen einstufigen Projektwettbewerb im offenen Verfahren durchgeführt. Die Ordnung für Wettbewerbe SIA 142 war verbindlich. Die 29 eingereichten Beiträge verfolgen zwei gegensätzliche Strategien. Die Stapelung der Sporthalle und der Unterrichtsräume zielt auf einen möglichst kompakten Baukörper ab mit einem möglichst kleinen Fussabdruck. Die Aufteilung der Sporthalle und der Unterrichtsräume in zwei Gebäude wiederum hat den Vorteil, dass die Tragwerke spezifischer auf die unterschiedlichen Anforderungen ausgelegt werden können und die Leitungsführung der Haustechnik vereinfacht wird.

Pas de deux

Die Jury empfiehlt dem Auftraggeber den Beitrag «hannes» von Gschwind Architekten einstimmig zur Weiterbearbeitung. Der Entwurf sieht für die Unterrichtsräume und die Sporthalle ein Gebäudepaar als Abschluss der Schulanlage im Südwesten vor. Damit wird der bestehende Pausenplatz räumlich gefasst, und der alte Baumbestand bleibt erhalten. Der viergeschossige Klassentrakt und die eingeschossige Turnhalle mit einem Sportfeld auf dem Dach fügen sich gut in das heterogene Konglomerat ein. Neben der römisch-katholischen Kirche und dem viergeschossigen Kopfbau aus den 1960er-Jahren im Nordwesten erhält die Anlage mit dem neuen Klassentrakt einen dritten, markanten Akzent im Südwesten.

Durch die Aufteilung des Raumprogramms auf zwei Gebäude können diese an die spezifischen Anforderungen hinsichtlich des Tragwerks ausgelegt werden. Die teilversenkte Sporthalle mit einem Sportfeld auf dem Dach hingegen soll aus Stahlbeton erstellt werden. Vorgespannte und vorfabrizierte Binder mit einem Abstand von 4 m überbrücken die Spannweite von 28 m. Sie tragen die vorfabrizierten Betonplatten, die als Schalung für den Überbeton dienen. Das Sportfeld auf dem Dach der Sporthalle dient auch als zusätzliche Pausenfläche und bereichert das Angebot an Aussenräumen.

Der kleine Fussabdruck des Klassentrakts ermöglicht eine Erschliessung mit nur einem Treppenhaus und eine freie Unterteilung der Grundrisse. Lärmige und stille Nutzungen sind auf die verschiedenen Geschosse verteilt, was betriebliche Vorteile bietet. Bis auf den Betonkern ist das Gebäude als reiner Holzbau aus vorfabrizierten Elementen vorgesehen. Den vertikalen Lastabtrag übernehmen Kantholzstützen mit einem Abstand von vier Metern. Die Decken bestehen aus Hohlkastenelementen mit einer Spannweite von 8 m.

Der architektonische Ausdruck ist wohltuend schlicht und zurückhaltend. Die Brüstungsbänder der Fassaden sind mit Wellblech aus Aluminium verkleidet. Zur Raumluftregulierung über eine CO2-Steuerung und zur Nachtauskühlung sind die Holzmetallfenster motorisiert. Vieles erinnert an ein Bürogebäude: die Fassaden mit den umlaufenden Fensterbändern, die flexibel unterteilbaren Grundrisse und die effiziente Erschliessung mit einem durchgehenden Treppenhaus.

Kompakter Solitär

Das mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Projekt «Der grüne Heinrich» der ARGE Brunhart Kindle Kurt sieht einen zweigeschossigen Solitär in der südwestlichen Ecke des Areals vor, der sich massstäblich auf die bestehenden Schulbauten und Einfamilienhäuser bezieht. An der Schnittstelle von Pausenplatz und Neubau ergibt sich ein offener, gedeckter Gebäudeeingang, der gut auffindbar ist. Die Wegverbindungen werden mit Sitzmöglichkeiten unter Baumdächern ergänzt. Mit einfachen Mitteln wird so ein abwechslungsreiches Angebot an Freiflächen geschaffen.

Das neue Gebäude stapelt die Unterrichtsräume über der Sporthalle im Obergeschoss. Im Erdgeschoss befinden sich die öffentlichen Bereiche wie Mittagstisch und Mehrzweckraum. Zwei raumhohe Fachwerkträger aus Holz, überspannen die Sporthalle und gliedern das Schulgeschoss. Die Erschliessung mit einer Wendeltreppe ist als einzige Erschliessung weder betrieblich geeignet, noch entspricht sie von der Brandabschnittsbildung den feuerpolizeilichen Vorschriften. Der Kombiraum ist lediglich mit Vorhängen abtrennbar, was wegen seiner Nutzung als Werkraum nicht umsetzbar ist.

Der Beitrag ist hinsichtlich der Anforderungen an die Nachhaltigkeit in vielen Aspekten vorbildlich. Das Gebäude ist kompakt, und der Fussabdruck sowie das unterirdische Volumen sind klein. Die Konstruktion als konsequenter Holz­bau, der ausgewogene Fenster­anteil, die Photovoltaikmodule auf den Brüstungsbändern und die umlaufenden Brise Soleils tragen zu diesem guten Gesamteindruck bei. Wegen betrieblicher und brandschutztechnischer Mängel hat der Entwurf aber die Jury nicht restlos überzeugt.

Schule der Zukunft

Der Beitrag «hannes» zeigt eindrücklich, dass zu einer nachhaltigen Strategie noch andere Kriterien als ein kleiner Fussabdruck, eine kompakte Bauweise, ein optimaler Fensteranteil mit gut gedämmter Gebäudehülle und ein geringer Verbrauch von grauer Energie gehören. Weil sich die Anforderungen im Schulbetrieb in den letzten Jahren grundlegend geändert haben, sind immer mehr flexible Raumaufteilungen gefragt. Von den Klassenzimmern mit Wandtafeln für den Frontalunterricht geht die Entwicklung in Richtung «Lernen im Atelierbetrieb». Damit rückt der Schulbetrieb näher an den Berufsalltag. Die Schulge­bäude nehmen immer mehr den Charakter von Bürobauten an. Aus der ­starren Raumaufteilung von Klassenzimmern und Gruppenräumen werden offene, flexibel unterteilbare Lernlandschaften. Gschwind Architekten haben die Zeichen der Zeit erkannt und ihren Entwurf präzise auf die Anforderungen der Schule von morgen getrimmt.

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 34–35/2022 «Die Leich­tig­keit des Steins».

-> Weitere Pläne und Bilder auf competitions.espazium.ch.

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «hannes»
Gschwind Architekten, Basel; Thomas Boyle + Partner Bauingenieure, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «Der grüne Heinrich»
ARGE Brunhart Kindle Kurt, Zürich; blesshess bauingenieure, Luzern
3. Rang / 1. Ankauf: «Unter einem Dach»
ARGE Märki Sahli Architekten und Kollektiv Palinpsao, Bern; WAM Planer und Ingenieure, Bern; extra Landschaftsarchitekten, Bern
4. Rang / 3. Preis: «Patio im Piano Nobile»
Jans Raphael, Zürich; Ingeni Zürich, Zürich; Andreas Geser Landschafts­architekten, Zürich
5. Rang / 4. Preis: «Bernhard»
Oplatek Architekten, Basel; Aegerter & Bosshardt, Basel; Classen Haustechnik, Basel

FachJury

Marco Frigerio, Kantonsarchitekt Kanton Basel-Landschaft (Vorsitz); Ünal Karamuk, Architekt, Zürich; Anne Marie Wagner, Architektin, Basel; Christoph Heitz, Bauverwalter Gemeinde Muttenz; Vinzenz Reist, Architekt, Projektleiter Hochbauamt (Ersatz)

SachJury

Petra Schmidt, Stv. Generalsekretärin, Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD); Simon Schweizer, Schulleitung Sekundarschule Muttenz; Flavio Naef, Lehrperson Sekundarschule Muttenz (Ersatz)

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