«We­nig­stens die Geo­lo­gen ge­hen of­fen mit den Vor­komm­nis­sen um»

Seit 13. Dezember 2020 ist der Ceneri-Basistunnel fahrplanmässig in Betrieb. Nicht ganz so planmässig, wie es vielleicht innTEC21 33/2020 den Anschein hatte, verliefen die Vortriebe des Tunnels. Hierzu erreichte uns ein Leserbrief von Dr. J.-Martin Hohberg.

Data di pubblicazione
10-03-2021

«Im Artikel wurde von mehreren Störzonen gesprochen, jedoch ohne Erwähnung der drei Niederbrüche in der Oströhre des Südloses Sigirino. Wenn schon die Bauleute sich bedeckt halten, so gehen doch wenigstens die Geologen mit den Vorkommnissen und Lehren ­offen um.1 Die Pläne im zusammenfassenden geologischen Schluss­bericht zeigen nicht nur die an­getroffene Geologie, sondern auch Erkundungen, Gesteinsfestigkeiten, Vortriebs- und Sicherungsart sowie Deformationen, Ereignisse, Zusatzmassnahmen und Gewölbestärke des Innenausbaus.

Das zur Ankerbohrung und Benetzung gegen Staubbildung verwendete Wasser wirkte sich tendenziell ungünstig auf die Ortsbruststabilität aus, wobei auf gravitationsbedingte Ausbrüche eine von unten nach oben fortschreitende Kaminbildung folgte. Grössere Niederbrüche ereigneten sich am 2. Februar 2014 bei km 231.63 (Val Mara), am 14. Juli 2017 bei km 233.56 (Gola di Lago) sowie insbesondere am 3. Mai 2011 bei km 237.48. Letzterer erfolgte in der bekannten 600 m langen Val-Colla-Störzone, die vorgängig von der Geländeoberfläche aus durch 250 m Überlagerung hindurch mittels Kernbohrungen erkundet worden war.

Die stärkste Sicherungsklasse SPV 10 bestand aus tangential verschieblichen TH-Stahlbögen im Meterabstand, 8 bis 10 m langen Injektionsankern und 15 cm Spritzbeton. Zur Sicherung der Ortsbrust waren temporäre Injektionsanker sowie allenfalls ein Spiessschirm vorgesehen. Der Ringschluss mit Sohlgewölbe erfolgte 15 bis 20 m hinter der Ortsbrust, die endgültige Spritzbetonschalendicke betrug 25 bis 30 cm.

Die Niederbrüche begannen jedes Mal mit Ausbruch aus der Ortsbrust und Bildung eines Haufwerks, das man durch Spritzbetonauf­trag sofort zu einer Berme zu stabilisieren versuchte. Das Nachankern und das etappenweise Verfüllen der Kamine – bei Gola di Lago insgesamt 112 m3 für einen 5.15 m hohen Kamin – bedingte jeweils sechs bzw. elf Tage Zeitverlust auf das Bau­programm, sodass schliesslich als Beschleunigungsmassnahme ein dritter Angriffspunkt nötig wurde.

Beim Niederbruch in der Val-Colla-Linie mag der Vortriebsstillstand während der Osterwoche eine Rolle gespielt haben, in der Erkundungsbohrungen vorgenommen worden waren. Nach Wiederaufnahme am 2. Mai 2011 um 14 Uhr wurde die Ortsbrust geöffnet, um den ersten Stahlbogen einzubauen. «Im dar­auffolgenden Vortriebszyklus am 3. Mai 2011 um 2 Uhr begannen beim Vortrieb mittels Abbauhammer kontinuierlich Steine aus dem Firstgewölbe herauszurieseln», bis zum eigentlichen Niederbruch um 4 Uhr, bei dem sich in wenigen Minuten ein 150 m3 grosses Haufwerk bildete. An Bohrkernen durchgeführte Triaxversuche ergaben effektive einaxiale Druckfestigkeiten von < 450 kPa bei einem E-Modul von 3.5 GPa.

Glücklicherweise bestand von der vorauseilenden Weströhre her bereits der Querschlag 30, aus dem heraus ebenfalls Schlagbohrungen zur Erkundung des Hohlraums und zur Verfestigung der Auflockerung (bis zu 13 m über den Firstpunkt) vorgenommen werden konnten, während aus dem Vortrieb heraus ein Spiessschirm eingebaut wurde. Innerhalb weniger Stunden stellten sich 50 mm Setzung und Spannungsumlagerungen bis zu mehr als drei Tunneldurchmessern ein. Inklusive weiterer Bohrungen zur Überprüfung der erreichten Festigkeit der Verfüllung vergingen hier sogar 15 Tage bis zur Wiederaufnahme des Vortriebs.»


Anmerkung


1 J.-P. Hürzeler u. a., Ceneri-Basistunnel: Geologie, Geotechnik, Hydrogeologie und Bautechnik – zusammenfassender Schluss­bericht. Bericht der Landesgeologie Nr. 12. Bundesamt für Landestopografie (swisstopo), Wabern 2020.

Die Ceneriden
Neben dem Vortrieb scheint das Gestein selbst auch für Überraschungen gut. Dr. Roger Zurbriggen entwickelte eine Theorie zu den «Ceneriden», den Gesteinen, die am Monte Ceneri anstehen. Die bereits in den 1990er-Jahren entwickelte Theorie – also in einer Zeit, in der die Planungen zum Basistunnel erst aufgenommen wurden – wird nun in den letzten Jahren in Fachkreisen diskutiert.

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