940 Me­ter un­ter Dach und Fach

Sie ist ein wirklich spezielles Projekt, die Einhausung Schwamendingen, und dürfte sich zum teuersten Autobahnkilometer der Schweiz entwickeln. 445 Millionen werden aufgewendet, um die bereits bestehende Autobahn A1L zwischen Zürich-Ost und dem Schöneichtunnel einzupacken und auf dem Dach einen Park entstehen zu lassen.

Data di pubblicazione
03-12-2020

Galt bisher die Autobahn A2 südlich von Luzern als teuerster Nationalstrassenabschnitt der Schweiz – der Kilometer beläuft sich hier auf etwa 150 Millionen Franken –, wird dieser Wert mit der ­Eröffnung der Einhausung Schwamendingen voraussichtlich im Jahr 2024 verdreifacht.

Wohlgemerkt, die Strasse selbst ist schon da, bereits seit 1980. Und genau das ist auch das Problem. Denn sie führt in nächster Nähe zu Wohnbauten direkt durch Schwamendingen und teilt den Zürcher Stadtteil in zwei Hälften. Konträrer geht es kaum. An und für sich grossartige Wohnlagen – das Stadtzentrum Zürichs ist in greifbarer Nähe – erinnern durch die viel befahrene Strasse  – 110 000 Fahrzeuge am Tag be­nutzen sie – eher an den Charme eines Gewerbegebiets in der Peripherie.

Die Strasse bleibt auch zukünftig erhalten, schliesslich ist sie die wichtigste Einfallstrasse von Nordosten nach «Downtown Switzerland», wie es früher so schön hiess. Da man die Strasse nicht wegbekommt, entschied das Zürcher Stimmvolk 2006, sie verschwinden zu lassen. Den Anstoss zu dem Projekt gab 1999 eine Volksinitiative, in der 12 000 Unterschriften eine Einhausung forderten. In einem städtebaulichen Studienauftrag – es wurde auch eine Brücke über das Quartier hinweg oder eine Teileinhausung, verbunden mit einer abschnittsweisen Untertunnelung, vorgeschlagen – setzte sich sich 2004 letztlich die Va­riante einer Einhausung durch (vgl. TEC21 23/2015). Das Projekt schliesst direkt an den bestehenden ­Schön­eichtunnel, der ins Stadtzentrum führt, an und reicht bis zum Autobahnkreuz Zürich-Ost an der A1.

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Die bisherige Einfahrt Aubrugg auf dieser kurzen Wegstrecke wird im Zuge des Projekts aus verkehrs- und sicherheitstechnischen Überlegungen aufgehoben. Es ist schlichtweg nicht genügend Platz für einen funktio­nierenden Beschleunigungsstreifen vorhanden. Und da die etwa 7 m hohe Einhausung eine sehr grosse Dachfläche entstehen lässt, wird diese in eine öffentliche Grünanlage umgewandelt. Oben können Anwohner den Park geniessen, unten Pendler das Parkieren auf der Autobahn, zumindest in den Stosszeiten.

Nicht neu, bis auf Weiteres aber einzigartig

Für die Schweiz ist ein solches Konzept – Neuland für die Öffentlichkeit auf dem Dach der Autobahn – ­nicht wirklich neu. Existieren doch schon mehrere Einhausungen respektive Unterführungen, auf deren Dach diverse Nutzungen vorgesehen sind. Etwa die Überdeckung Katzensee an der A1 der Nordumfahrung Zürich, die als Wildtierkorridor fungiert. Im ländlichen Raum werden die Dächer von Verkehrsbauten ­«guerillamässig» schon des Öfteren einer Nutzung zugeführt. An der A3 am Kerenzerberg etwa klettert man vom Galeriedach in die Felsen der Weisswand los. Dies ergibt sich aber aus praktischen Gründen – schliesslich führt der Wanderweg ebenfalls über das Dach – und wurde nicht explizit als Naherholungsziel geplant.

Einzigartig dürfte die Einhausung Schwamendingen jedoch aufgrund ihrer schieren Grösse sein: Ein Park in etwa 7 m Höhe mit fast einem Kilometer Länge und rund 30 m Breite stellt schon etwas Be­sonderes dar. Dazu erfolgt die gesamte Umsetzung im städtischen Gebiet und unter laufendem Verkehr. Hinzu kommt wie beim Katzensee die Vernetzung der Anlage. Nur dient sie in Schwamendingen nicht den Wildtieren, sondern in erster Linie den Menschen. Nicht bloss die beiden Quartiere diesseits und jenseits der ­Autobahn werden wieder besser verbunden, auch die bereits bestehenden Grünzonen und Naherholungs­gebiete Zürichberg und Glatt­raum rücken gefühlt ­näher zusammen.

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Mag der zukünftige Überlandpark in Schwamendingen zwar der Erste seiner Art sein, steht eine ähnliche Umsetzung doch schon in den Startlöchern. Innerhalb des Projekts «Bypass Luzern» entstehen die Grosshofbrücken der A2. Auch auf diesen soll eine ­Parklandschaft entstehen, unter dem Bauwerk gar noch eine Ladenpassage.

In Schwamendingen stellt sich eine Nutzung unterhalb der Fahrbahn nicht – die Einhausung ist ja keine Brücke, und zudem führt unterhalb der Autobahn ­teilweise ein Tramtunnel hindurch. Die Linien 7 und 9 durchfahren diesen. Eine Nutzung auf drei Ebenen ist also ohnehin gegeben.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 37/2020.

Gesamtprojektleitung
Bundesamt für Strassen Astra, Infrastruktur­filiale Winterthur


Oberbauleitung
Lombardi, Bellinzona-Giubiasco; Aegerter & Bosshardt, Basel


Bauherrenunterstützung
EBP Schweiz, Zürich


Architektur, Städtebau
AGPS Architecture Ltd., Zürich


Rohbau
Locher Ingenieure, Zürich; Emch + Berger, Bern;
Bänziger Partner, Zürich


Hochbau, Stahlbau
Gähler und Partner, Ennetbaden


BSA
AFRY Schweiz, Zürich;
INGE B2H: Basler & Hofmann, Zürich; HDZ Elektroingenieure, Urdorf


Geologie
SC + P Sieber,
Cassina + Partner, Zürich


Unternehmen
Implenia Schweiz, Dietlikon; Marti Bau­unternehmung, Zürich; Walo Bertschinger, Zürich; Anliker, Zürich; Eberhard Bau, Kloten; Keller-Frei, Wallisellen; Zani, Winterthur; Senn, Oftringen; Kull Elektro, Zürich


Weitere Beteiligte
Farner Consulting, Zürich; HBI Haerter, Zürich; Erb + Partner Ingenieurbüro, Winterthur; Krebs und Herde, Winterthur; Hager Partner, Zürich; SNZ Ingenieure und Planer, Zürich; ILU, Uster; Geotest, Zürich; Basler & Hofmann, Zürich; Amberg Technologies, Regensdorf-Watt; Schällibaum, Wattwil; Dr. Heinrich Jäckli, Zürich


Baukosten
445 Millionen Franken


Inbetriebnahme
2024

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