Ein Pla­tz als neue Mit­te

Neuer Schlaftrakt für die Jugendherberge Bern

Die Berner Jugendherberge hat einen neuen Schlaftrakt erhalten. Zusammen mit dem dazugehörigen sanierten Altbau umfasst er den zentralen Platz, der jetzt das Herz des Ensembles bildet. Nach einer Machbarkeitsstudie von 2006 hatten Aebi & Vincent aus Bern 2013 den Wettbewerb gewonnen und konnten das Gelände nun nach 16-monatiger Bauzeit den Nutzern übergeben.

Data di pubblicazione
25-04-2018
Revision
02-05-2018

Der eigentliche Clou der Anlage ist das Zusammenspiel von Alt und Neu. Beschirmt von einer mächtigen Platane erstreckt sich der Platz, das sogenannte Aussenzimmer, zwischen Neubau und dem revitalisierten Altbau. Er verankert die Jugendherberge im Stadtbild. Zum Hang bildet ein bereits vorhandener Saal den räumlichen Abschluss. In den Bestandsbauten, 1956 von Peter Indermühle geschaffen, sind die Funktionen gebündelt, in denen kommuniziert werden darf und soll.

Da ist zunächst der rund um die Uhr besetzte Empfang, der zugleich als Bar gestaltet ist. Von hier aus sind der grosse Saal und daran anschliessende Seminarräume zu begehen. Das neue Treppenhaus wurde so geschickt eingefügt, dass der Weg zum erhöht liegenden Lift und zum Saal barrierefrei ist. Sein geometrisches Stahlgeländer in pudrigem Grün verleiht der Sichtbetontreppe eine musikalische Note und verbindet eine zeitgenössische Architektursprache mit jener des Bestands.

In den oberen Räumen befinden sich die grossen Mehrbettzimmer mit bis zu acht Betten und gemeinschaftlichen Waschräumen. Den Schlafbereichen ist jeweils ein Kubus aus Beton eingestellt. Er ist mit abschliessbaren Fächern ausgestattet ist und dient als Vorraum. Auf diese Weise soll es gelingen, die Schlafenden in ihrer Nachtruhe von den Geräuschen der Spätankommenden akustisch abzuschirmen. Über diese Raumboxen erhalten die Zimmer nicht nur eine klare Organisation, sondern gleichzeitig eine starke Hauptfarbe. Das sorgfältig komponierte Farbkonzept verschränkt die typischen Pastelltöne der 50er-Jahre mit zeitgenössischen Klängen und verknüpft die einzelnen Baukörper zu einem Ensemble.

Die ursprüngliche Formensprache des Bestands wurde hervorgekehrt und vielfach auf den Neubau ausgedehnt. Zu Recht stand bei der Wahl der Materialien deren Qualität und Robustheit im Vordergrund, sodass Gebrauchsspuren ohne Verlust getragen werden können. Innenräumlich bilden Sichtbeton, Linoleum und Plättli den Fond für schöne Glühbirnen in einfachen Fassungen, altbewährte Rippenheizkörper mit Aufputzleitungen, schwarze Elektroinstallationen und Bäder, wie sie ursprünglich einmal gedacht waren. Umso stärker fällt der Blick auf die Details, die durchweg überzeugend sind.

Im Neubau, der aus Betonfertigteilen gefügt ist, sind die Räume formal nochmals reduzierter. Vom Ufer der Aare aus wirkt das Dormitorium zunächst hermetisch und isoliert. Ein serieller Raster aus Betonstreifen, das die raumhohen Glasfelder umschliesst, prägt das viergeschossige Volumen. Statt eines Sockels trennt eine Schattenfuge den Baukörper vom Aussenraum und lässt ihn isoliert erscheinen.

Der etagenweise Wechsel der Korridore von der Vorder- auf die Rückseite des Gebäudes ist von aussen ablesbar: Während die Rahmen der Fenster sowie einzelne Felder auf Seiten der Zimmer aus Holz gestaltet sind und damit Wohnlichkeit signalisieren, verschmelzen die weissen Rahmen der korridorseitigen Fenster mit dem Beton. So sind manche Zimmer also vom Blick auf die Aare geprägt und schön belichtet. Die Bewohner der anderen zwei Etagen müssen sich mit dem Ausblick auf den Steilhang begnügen, über dem das Bundeshaus thront.

Der neue Trakt beherbergt 30 Doppel- und Vierbettzimmer, zusammen 90 Betten, mit eigenen Bädern. Dieses Angebot berücksichtigt die steigende Anzahl nicht mehr ganz jugendlicher Gäste mit höherem Anspruch an Komfort und Ruhe.

Dem Platz zugewandt ist ein offenes, architektonisch reizvolles Treppenhaus vorgelagert, das sich mit einiger Sicherheit zu einem beliebten Treffpunkt auf dem Weg zu den Schlafräumen entwickeln wird. Von hier lässt sich wie aus Theaterrängen herab das Geschehen rundherum beobachten. Die strenge Struktur des Gebäudes ist über die Geschosse hinweg aufgelöst, und es entsteht ein poetisches Spiel von Licht und Schatten, von offenen und geschlossenen Flächen.

Zu den Finessen der Aussenraumgestaltung gehört, dass der Raster der grossen Bodenplatten auf der Terrasse die unterschiedlichen Linien der beiden Kopfgebäude verknüpft und dementsprechend verzogen ist – unauffällig für den Besucher, beglückend für den Gestalter. Hier kreuzen sich die internen Wege der Gäste mit denen der Besucher. Bei sommerlichen Temperaturen dehnt sich die Bestuhlung aus dem Speisesaal und der Bar in den Aussenraum aus. Ein wichtiger Teil des Betriebskonzepts ist die Integration der Quartiersbewohner, die zur Nutzung dieser Angebote eingeladen sind.

Bleibt als Wermutstropfen die zunächst so entrückt wirkende Platzierung des neuen Trakts zwischen Aare und Altstadt, geduckt unter dem Berg mit dem schweren Bundeshaus. Mit Kenntnis des gesamten Geländes und dem auf einer Kopfseite gebündelten Bezug zum Aussenraum und zu den weiteren Komponenten des Ensembles erklärt sich jedoch die architektonische Absicht.

Den Gästen bietet sich ein Haus, dem der spartanische Geist der Jugendherberge auf eine angenehme Weise innewohnt und in eine für Jung und Alt einladende Atmosphäre verwandelt ist. Die Zeiten, in denen ein eigenes Küchenhandtuch ins Gepäck gehörte, sind eindeutig überstanden – comfort oblige.
 

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