Fachhochschule St. Gallen: zwei Jahre Nachbetreuung
Beispielhafte Qualitätssicherung I
Muss die Inbetriebnahme von Gebäuden besser kontrolliert und länger betreut werden? Nach Eröffnung des Fachhochschulzentrums St. Gallen stellte eine zweijährige Nachbetreuungsphase sicher, dass nur mehr halb so viel fossile Energie verbraucht wird wie bei Inbetriebnahme.
Seit Semesterbeginn 2013/2014 gehen über 3000 Studierende im neuen Zentrum der Fachhochschule St. Gallen, unmittelbar neben dem Hauptbahnhof, ein und aus. Die 19 000 m2 grosse Nutzfläche wird unter anderem von Vorlesungssälen, Seminarräumen sowie einer mehrgeschossigen Mediathek belegt. Wahrzeichen ist der 65 m hohe Turm, in dem Dozentenschaft und Verwaltung ihre Büros eingerichtet haben und der aus einem fünfgeschossigen Sockel ragt (vgl. TEC21 7–8/2014).
Planung und Ausführung des Fachhochschulzentrums dauerten zehn Jahre. Mindestens zwei weitere Jahre Zeit nahm sich die Bauherrschaft, das kantonale Hochbauamt, um die Nachbetreuung der Gebäudetechnik sicherzustellen. Seit der Eröffnung wurden deshalb nicht nur Garantiefälle behoben, sondern auch ein Optimierungs- und Nachjustierungsprogramm inklusive Erfolgskontrolle durchgeführt.
Ein hybrides System aus Geothermie und Erdgas versorgt das FHS-Zentrum mit Wärme. 30 Erdsonden liefern die Grundwärme für die zentrale 244-kW-Sole-Wasser-Wärmepumpe; bei Bedarf schaltet sich ein 540-kW-Gas-Brennwertkessel zu. Aufgrund der anwesenden Personen und des IT-Geräteparks sind die Räume zeitweise auch an kalten Tagen abzukühlen. Dazu trägt auch eine kombinierte Anlagengruppe bei. Als primäre Kältesenke wird das Erdsondenfeld genutzt; die Abwärme wird in einem Geocooling-Kreislauf abtransportiert. Zusatzbedarf und Leistungsspitzen decken Kältemaschinen ab, die mit Strom betrieben sind.
Das gegenseitige Zusammenspiel im Alltagsbetrieb wurde allerdings unerwartet gestört: Der integrierte Frostalarm brachte den erdgekoppelten Kühlkreislauf wiederholt zum Stillstand, obwohl dies nicht erforderlich war. Die Geocooling-Blockade löste wiederum den Einsatz der Kältemaschinen aus, weshalb der effektive Stromkonsum höher war als der berechnete Bedarf. Erst ein zusätzlicher Temperaturregler brachte die Einsatzbedingungen im bivalenten Kühlsystem wieder ins energieeffiziente Gleichgewicht.
Nach der ersten Heizsaison fiel zudem auf, dass auch für die Raumheizung mehr Wärme bereitgestellt werden musste, als im Minergie-Nachweis für das FHS-Zentralgebäude berechnet worden war. Tatsächlich war dies auf fünf weitere betriebliche und technische Gründe zurückzuführen: Entgegen der definierten Normnutzung (werktags von 8 bis 22 Uhr) finden jeweils auch am Samstag Kurse statt. Zudem wird ein behagliches Unterrichtsklima im realen Alltag mit 22 °C warmen Räumen gleichgesetzt; in den Büros liegt die Wunschtemperatur oft bei 23 °C. Demgegenüber beträgt der Planungswert nur 20 °C.
Und im Vergleich zur Planungskalkulation gehen die Nutzer im Alltag auch mit den Storen anders um: Der Blendschutz erhält im Winter so viel Vorrang, dass die externe Wärmeeinstrahlung effektiv geringer ausfallen kann als geplant. Die Heizgrenze in gut gedämmten Gebäuden ist derweil grundsätzlich schwierig zu bestimmen; im FHS-Gebäude schalteten sich die Heizgruppen unnötigerweise auch an einzelnen kühlen Sommertagen ein. Und zu guter Letzt liefen sämtliche 16 Lüftungsanlagen nach Inbetriebnahme mit höchster Austauschrate. Aufgrund der in der Planung üblichen Annahme: Die Räume sind maximal belegt.
Solche Lücken zwischen Planung und Betrieb von haustechnischen Anlagen und Einzelkomponenten sind oft saisonalen Schwankungen und betriebsbedingten Bedürfnissen zuzuschreiben. Daher ist zur Optimierung meistens ein Mix aus organisatorischen und technischen Massnahmen erforderlich. Die automatische Steuerung des Sonnenschutzes kennt nun ein Winterszenario, um die Solargewinne nicht weiter zu verringern. Die Heizgruppen sind von Mai bis September abgestellt. Und die Lüftungsanlagen sind raumspezifisch an die Belegung angepasst und laufen bei geringem Bedarf mit leicht reduziertem Volumenstrom.
Ein Knackpunkt im FHS-Gebäudetechniksystem war das Laden der Energiespeicher, weil dafür eine bivalente Wärmeerzeugungsanlage mit unterschiedlichen Lastprognosen zuständig ist. Wärmepumpe und Gaskessel brachten sich gegenseitig aus dem Takt und verursachten ein abwechselndes Stop-and-go. Nun hat die Speichersteuerung eine klare Prioritätsstrategie erhalten: Meldet das System von irgendwoher Heizwärmebedarf, schaltet zuerst die Wärmepumpe ein. Und erst ab einer definierten Temperaturschwelle im Heizungsvorlauf liefert der Gaskessel zusätzliche Energie nach. Dank der Nachbetreuung ist der fossile Versorgungsanteil von 30 % auf unter 15 % gesunken.
Auch die Hydraulik der verschiedenen Heizkreislaufgruppen wurde einem Optimierungscheck unterzogen. Anlass war eine Beeinträchtigung des Behaglichkeitsniveaus in einzelnen Räumen, weil die Sollwerttemperaturen nicht erreicht werden konnten. Der Grund war ein ungenügender Abgleich im Vorlauf respektive der angeschlossenen Pumpen und Ventile. Auch hier war der entscheidende Eingriff, die Einstellungen an die effektiven Gegebenheiten anzupassen.
Bei solchen Optimierungs- und Nachjustierungsleistungen ist anfangs nicht immer eindeutig ersichtlich, ob eine korrekte, bedarfsgerechte Einstellung der Anlagen bereits ab Inbetriebnahme erwartet werden darf. Um Leistungseinbussen oder Funktionsstörungen nachträglich aufzudecken, ist daher ein Monitoringsystem hilfreich, das detaillierte Betriebsdaten für die Auswertung dokumentiert und zur Plausibilisierung des Anlagenbetriebs bereithalten kann. Zudem ist genügend Zeit für die Abschlussphase komplexer Bauvorhaben zu reservieren. Für Nachbetreuung und Erfolgskontrolle hat das Hochbauamt des Kantons St. Gallen sogar dasjenige Planungsbüro beigezogen, das bereits für Planung und Fachbauleitung verantwortlich war.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft
Hochbauamt Kanton St. Gallen
Nutzer/Betreiber
FHS St.Gallen Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Nachbetreuung/Betriebsoptimierung
3-Plan Haustechnik AG
«Träge und fehlertolerante Systeme»
Dr. Michael Benz, Dipl. Ing. ETH, Projektleiter bei 3-Plan Haustechnik, Winterthur.
TEC21: Herr Benz, sind technische Probleme oder Systemmängel, wie sie im FHS-Hochhaus behoben wurden, auf mangelhafte Planung oder mangelhafte Ausführung zurückzuführen?
Michael Benz: Das sind nicht die generellen Ursachen. Vielmehr waren die Anlagen ungenügend auf die Betriebsbedürfnisse abgestimmt. Räume werden im Betrieb funktional und zeitlich anders genutzt als in der Planung besprochen oder im Startmodus der Anlagen definiert. Zudem geht oft vergessen, dass Anlagen im Betriebszustand die meiste Zeit nur im Teillastbetrieb laufen. Daher sind auch die hydraulischen Verteilsysteme dem Bedarf besser anzupassen.
TEC21: Aufgrund der getätigten Optimierungsmassnahmen: Worauf sollte die Gebäudeplanung besser achten?
Michael Benz: Bei komplexen Anlagen sollten Gebäudetechnikplaner und auch Architekten der Bauherrschaft jeweils zwingend eine Nachbetreuung nahelegen. Denn haustechnische Anlagen sind bei Inbetriebnahme noch nicht auf die eigentliche Nutzung eingestellt. Da sie aber grundsätzlich sehr träge und fehlertolerant sind, entstehen nicht zwingend Komfortprobleme. Der erhöhte Energieverbrauch bei ineffizientem Betrieb bleibt daher unerkannt.
TEC21: Warum werden Betriebsoptimierungen vor allem von Fachpersonen betreut, die sich sonst mit Gebäudesimulationen beschäftigen?
Michael Benz: Aktuelle Gebäudesysteme sind ziemlich komplex aufgebaut. Sie zu überblicken, erfordert wie bei Energiekonzepten und Simulationen eine integrale Perspektive. Meistens kümmern sich spezialisierte Ingenieurteams
um die Optimierung. Diese Fachkräfte zeichnen sich beispielsweise durch eine Ausbildung in Maschinenbau aus.
Die Fragen stellte Paul Knüsel, Redaktor Umwelt / Energie.