Das offene Schloss
Schloss Burgdorf
Ein frischer Wind weht durch die Gemäuer: Unter der Ägide von Atelier G+S hat sich Schloss Burgdorf vom Verwaltungssitz und Gefängnis zu einem inspirierenden Treffpunkt für die Bevölkerung gewandelt. Ein Projektbeteiligter schaut kritisch zurück und schildert die Schwierigkeiten und Lösungen im Umgang mit der historisch bedeutenden Anlage.
Schloss Burgdorf ist nicht bloss ein bedeutender historischer Bau, sondern auch beredter Ausdruck und eindrückliches Zeugnis bernischer Geschichte. Mehr als 600 Jahre war es das Zentrum der bernischen Regionalverwaltung. Nach einer Bezirksreform fiel 2010 die angestammte Nutzung vieler bernischer Staatsschlösser als Sitz der Regierungsstatthalter weg. Die damalige kantonale Baudirektorin Barbara Egger-Jenzer liess Schloss Burgdorf zusammen mit weiteren elf historisch bedeutsamen Schlössern zum Verkauf ausschreiben und zerstörte damit eine Kontinuität, die für den Kanton konstituierend war.
Die Stadtpräsidentin von Burgdorf, Elisabeth Zäch, wollte die öffentliche Verfügbarkeit und Zugänglichkeit des Schlosses unbedingt erhalten. Sie liess einen Wettbewerb für die künftige Nutzung und die dazu nötigen Umbauten ausschreiben. Das Siegerprojekt ging vom Konzept eines «offenen Schlosses» aus: Die Anlage sollte allen geöffnet und mit dem Zusammenwirken von Museum, Trauzimmer, Jugendherberge und Gastronomie ein lebhaftes Zentrum städtischen Lebens geschaffen werden. Zur Realisierung wurde die «Stiftung Schloss Burgdorf» gegründet.
Situative Eingriffe und der Blick aufs Ganze – eine Gratwanderung
Wer, wie der Autor dieses Beitrags, das Projekt als bauhistorisch erfahrener Architekt mitgestaltet, sich später zugunsten rascher Entscheidwege zurückgezogen hat und heute das Resultat kritisch betrachtet, stellt fest, dass die Umsetzung der Idee in die Wirklichkeit gelungen ist. Die zuvor verschlossene Anlage, in die fast nur eintrat, wer dazu gezwungen war, nimmt vielfältiges Leben auf. Das Museum zählt wesentlich mehr Besuchende, Schulklassen toben in den Räumen herum, Terrasse und Restaurant empfangen Auswärtige und Einheimische. Das Schloss hat sich geöffnet, geöffnet für alle.
Die Denkmalpflege hat das Umbaukonzept der Architekten gutgeheissen. Es enthielt einige Rückführungen. So sind die zuvor vermauerten Arkaden des barocken Kornhauses geöffnet worden. Die grossmassstäblichen Verglasungen geben den Blick frei in die halb öffentlichen Räume und schaffen eine bereichernde Verbindung zwischen Innenraum und Aussenraum. Obwohl der letztere baulich nicht verändert worden ist, gewinnt er dadurch eine neue Qualität.
Es wäre verlockend, einem solch vielfältigen Bau eine übergeordnete Gestaltungsidee überstülpen zu wollen – für das Erhalten der historischen Substanz wäre eine solche Haltung aber verheerend. Im Schloss Burgdorf ist zu spüren, dass die Planenden örtlich vorgefundene Situationen akzeptierten und darauf reagiert haben, auch dort, wo sie heutigen Vorstellungen nicht entsprechen.
Ein solches Vorgehen bedingt eine engmaschige Abstimmung zwischen der Bauherrschaft, den Architekten und der Bauleitung, den Nutzern und der Denkmalpflege, immer auf der Basis der vorhandenen, zuweilen erst im Bauprozess zutage tretenden historischen Gegebenheiten; in diesem Fall war die Zusammenarbeit sehr vertrauensvoll und ungetrübt.
Lesen Sie auch: «Wir haben schamlos inszeniert» – das Team der ARGE groenlandbasel fischteich über ihr ungewöhnliches Ausstellungskonzept.
Die Haltung, in Detaillierung und Materialisierung auf ein durchgehendes Erscheinungsbild zu verzichten und Vorhandenes soweit möglich zu belassen, führt zu unverkrampften, situationsbezogenen Lösungen. Sie zeigen sich auch in der geschickten Umsetzung technischer Anforderungen (Feuermeldung, Brandabschnittstüren, Heizung, akustische Massnahmen etc.). Diese Vorgehensweise ist Folge der beschränkten finanziellen Mittel. Sie ist zudem als ökologische Grundhaltung zu verstehen und entspricht der Bauaufgabe gut.
Das ehemalige Kornhaus – das Prinzip Patchwork zu weit getrieben
Allerdings fehlt eine konsistente architektonische Haltung auch dort, wo sie leicht umzusetzen gewesen wäre. Das zeigt sich beispielsweise beim «schwarzen Block», der im Erdgeschoss des Kornhauses die Serviceräume wie Empfang, Toiletten, Aufzug, Küche und Buffet aufnimmt. Unverständlicherweise trägt der mächtige Einbau zwei unterschiedliche Gesichter, die fremd zueinander stehen, eines mit schwarz glänzender Metallplattenverkleidung, eines mit grau gefärbtem Beton.
Dass in den beiderseits anschliessenden Räumen, dem Restaurant und der Lobby, mit matt gestrichenen Metalleinbauten nochmals anders gearbeitet wird, macht die Sache nicht besser. Eine ähnlich inkongruente Haltung ist auch an anderen Orten festzustellen.
Die Räume im Erdgeschoss haben einen guten räumlichen Zuschnitt. Im Restaurant dient der Sockel des kyburgischen Torturms mit der Öffnung des Entlastungsbogens als Sitznische; das daneben liegende «archäologische Fenster» – ein Sammelsurium von unterschiedlichsten Elementen, das einem Laien in seiner Komplexität auch mit einer eingehenden Erklärung nicht verständlich wird – wirkt allerdings aufdringlich und wäre besser verputzt worden.
Auf der anderen Seite des «schwarzen Blocks» liegt der Hauptzugang zur Rezeption; aus klimatischen Gründen dient jedoch häufig eine Nebentür, die in den unattraktiven und schmalen Durchgang mit den Toiletten führt, als Zugang. Eine gemütliche Lobby lädt zum Verweilen, zum Lesen und zu kleinen Unterrichtsstunden oder Vorführungen ein. Die Ausstattung dieses neu geschaffenen Raums mit altem Holz wirkt allerdings befremdlich.
Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 11/2021 «Dreierlei Wunderkammern».
Bauherrschaft: Stiftung Schloss Burgdorf vertreten durch Ueli Arm, Stiftungsrat (Architekt), und Urs Weber, Geschäftsführer
Bauherrenvertretung: Kaufmann und Arm, Burgdorf
Architektur Wettbewerb: bis Baueingabe: ARGE Schloss Burgdorf (Atelier G + S, Martin Sturm, Bernhard Furrer)
Architektur Ausführung: Atelier G + S, Burgdorf
Museumsplanung: ARGE groenlandbasel fischteich, Basel, Aargau
Denkmalpflege: Michael Gerber, Kanton Bern
Tragwerksplanung: BPU Ingenieure, Burgdorf
Baupyhsik und Akustik: Grolimund + Partner, Bern
Lichtplanung: LDE Belzner Holmes, Stuttgart
Ideenwettbewerb Umnutzung: 2010
Wettbewerb Museumskonzeption und Szenografie: 2016
Kosten Umbau: 17.5 Mio. Fr.
Museum: 25 Räume, 1500 m², ca. 3000 Exponate
Zusatzkosten Ausstellung: 2 Mio. Fr.
Jugendherberge: 31 Zimmer, 115 Betten
Gastronomie: Restaurant 60 Plätze, Terrasse 60 Plätze, Bankettsaal 80 Plätze
Weiterführende Literatur
- Jürg Schweizer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern, Land. Band 1, Die Stadt Burgdorf. Die Kunstdenkmäler der Schweiz 75. Basel 1985.
- Jürg Schweizer, «Das zähringische Burgdorf». In: Karl Schmid und Hans Schadek (Hrsg.), Die Zähringer. Band 3. Veröffentlichungen zur Zähringer-Ausstellung. Sigmaringen 1990, S. 15–24.
- Armand Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter. Archäologische und historische Studien zum Wachstum der drei Zähringerstädte Burgdorf, Bern und Freiburg im Breisgau. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 30. Basel 2003.
Audio- und Videobeispiele des Museums Schloss Burgdorf finden Sie hier.