Neu­es aus al­ler Welt

15. Architekturbiennale Venedig

Die 15. Architekturbiennale Venedig wurde am 28. Mai 2016 eröffnet. Die Hauptausstellung «Reporting from the Front» versammelt eine Vielzahl eindrücklicher Projekte und Studien – ein Lehrstück in Engagement und Erfindungskraft.

Publikationsdatum
30-05-2016
Revision
30-05-2016

Das Plakat der 15. Architekturbiennale in Venedig zeigt eine Frau, die auf einer Aluminiumleiter steht und in die Wüste hinausblickt. Es handelt sich um die deutsche Archäologin Maria Reiche in Südamerika, die von dieser erhöhten Warte aus Zeichnungen auf dem Boden studierte, die eine präkolumbianische Kultur dort hinterlassen hatte – und die aus dem normalen Stand betrachtet lediglich als wirre Linien gewirkt hätten.

Das Bild ist Programm: Um Erkenntnisse zu gewinnen, braucht es einen übergeordneten Standpunkt. Der chilenische Architekt Alejandro Aravena, der die Hauptausstellung kuratiert, hat diese unter das Motto «Reporting from the Front» gestellt. Sein Ziel besteht nach eigener Aussage darin, neue Perspektiven auf das Bauen zu eröffnen; er möchte die Architektur nicht als rein gestalterische Disziplin verstanden wissen, sondern mit gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragen erweitern.

Diese Forderung ist seit einigen Jahren immer häufiger zu hören, doch glaubwürdig umgesetzt wird sie selten. Ebenso inflationär, wie dereinst der Begriff Nachhaltigkeit verwendet wurde, scheinen sich heute Projekte zu vermehren, die mit viel akademischem Ehrgeiz – und manchmal mit unübersehbarer Koketterie – den ärmsten Gegenden dieser Welt gewidmet sind.

Daher stand zu befürchten, dass das Motto der Ausstellung verwässert würde. Doch Aravena, dessen Werk unter anderem mit dem Global Award for Sustainable Architecture (2008) und dem Pritzkerpreis (2016) ausgezeichnet wurde, vertritt seine Forderung konsequent und hat die Ausstellung streng kuratiert. Die Beiträge seiner Gäste sind vielfältig und bis auf einige halbherzige Projekte meist etablierter Büros wirklich erhellend.

Besonders zu erwähnen sind etwa Manuel Herz mit seinem Bericht über die Urbanisierung von Flüchtlingslagern in der Westsahara (vgl. «Von Rabouni nach Zürich-West», TEC21 7-8/2016), der Bambus-Baukünstler Simón Vélez (vgl. «Simón Veléz ins Bild gesetzt», TEC21 36/2013), die Ton-Pioniere Anna Heringer und Martin Rauch (vgl. «Ein Teil des menschlichen Habitats», TEC21 29-30/2013) oder Philippe Block, der mit günstigen Mitteln – ungelernte Arbeiter und Backstein – filigrane Druckgewölbe von betörender Filigratinität schafft.

Ein Besuch lohnt sich ebenso wie das Studium des ausführlichen Ausstellungskatalogs.

Weitere Infos
Die 15. Architekturbiennale Venedig dauert vom 28. Mai bis  27. November 2016. Die Hauptausstellung ist im Arsenale zu sehen, die rund fünf Dutzend Länderpavillons in den Giardini und an verschiedenen Standorten in der ganzen Stadt. Unter den vielen begleitenden Events sei an dieser Stelle der Salon Suisse hervorgehoben: Die Diskussionsplattform für Fachleute sowie Architektur- und Kunstinteressierte aus aller Welt ist im Palazzo Trevisan degli Ulivi untergebracht und wird dieses Jahr von der Genfer Architekturexpertin Leïla el-Wakil kuratiert. Der Ausstellungskatalog ist auf Italienisch oder Englisch erhältlich: «15th International Architecture Exposition. Reporting from the Front», Marsilio Editori, Venice 2016. ISBN: 978-88-317-2377
Weitere Infos: www.biennials.chwww.labiennale.org

Verwandte Beiträge