Tre­sor aus Stein

Caruso St John Architects: Bremer Landesbank

Die norddeutschen Hansestädte sind bekannt für ihre markanten Bauten aus Klinker. Mit dem Neubau für das Stammhaus der Bremer Landesbank gelang Caruso St John Architects eine gestalterisch und technisch herausragende Neuinterpretation.

Publikationsdatum
10-01-2019
Revision
28-01-2019

Wie soll man heute eine Bank bauen, wenn sich bei der Erwähnung eines Geldinstituts nicht die Assoziation Sicherheit, sondern Krise einstellt? In Bremen haben Caruso St John Architects den Versuch unternommen und nach dem Wettbewerbsgewinn 2011 eines der architektonisch und städtebaulich anregendsten Bankgebäude der letzten Jahre errichtet. Aber, Ironie des Schicksals: Nur wenige Wochen nach der Eröffnung im August 2016 wurde die Bremer Landesbank, aufgrund fauler Schiffskredite in Schieflage geraten, an die Norddeutsche Landesbank in Hannover verkauft. Immerhin, der neue Sitz der Bank hinter dem Dom wird weiter genutzt, und aus Gründen der Kundenbindung bleibt auch der Name Bremer Landesbank weiter bestehen, vorerst zumindest.

Der Neubau beansprucht einen halben Block und ersetzt den 1972 eingeweihten Vorgängerbau von Gerhard Müller-Menckens, einem in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in Bremen und Umgebung viel beschäftigen Architekten. Einbezogen in den Neubau wurde die historistische Nordwest- und Westfassade samt dem unter Denkmalschutz stehenden Treppenhaus des alten Bankgebäudes von 1896 (Umbauten 1908 und 1921), während es im Südosten an den Neurenaissancebau der Deutschen Bank anzuschliessen galt.

Die zwei Hauptkirchen der Stadt, der Dom und die Kirche Unser Lieben Frauen, bilden zusammen mit dem Alten Rathaus (1405–1410) und der 1404 auf dem Marktplatz errichtete Rolandstatue – seit 2004 Unesco-Welterbe – die unmittelbare Umgebung. Eingebettet sind diese Bauten in eine differenzierte Platzfolge aus Marktplatz, Grasmarkt, Domshof und Liebfrauenkirchhof. Am Domshof, viel grösser als der Marktplatz und ursprünglich dem Dombezirk zuge­hörig, liessen sich die grossen Banken um 1900 ihre Firmensitze errichten.

Das unmittelbare Gegenüber der Bremer Landesbank bildet das Neue Rathaus, ein kurz vor dem Ersten Weltkrieg fertiggestelltes Spätwerk des Münchner Architekten Gabriel von Seidl. Der Backsteinbau mit Werkstein­gliederung knüpft physisch und ­hinsichtlich seiner Materialisierung an das zwischen Spätgotik und Renaissance oszillierende Rathaus an, will und soll die Herkunft seines Entwerfers aus der süddeutschen Reformarchitektur aber nicht verleugnen. Das Neue Rathaus ist nur ein Beispiel dafür, dass um den Marktplatz herum ständig neu gebaut wurde, und zwar mit variierender Bezugnahme auf die Tradition.

Konstruktive Eleganz

In dieser Umgebung, die bei all ihrer Heterogenität ein stimmiges Ensemble bildet, ist die Bremer Landesbank der ambitionierteste Neubau seit einem halben Jahrhundert. Wenn Caruso St John Architects Klinker als Fassadenmaterial wählten, so hat das zunächst mit dem Gegenüber des Neuen Rathauses und anderen Bauten in der Umgebung zu tun, viel mehr aber noch mit ihrer Faszination für die norddeutsche Klinkerarchitektur im Allgemeinen.

Denn Bremen war niemals so stark vom Klinker geprägt wie etwa Lüneburg, Lübeck oder Hamburg, wo er spätestens seit Fritz Schumacher im frühen 20. Jahrhundert zum bevorzugten Baumaterial avancierte. Die Architekten verweisen denn auch gern auf das Chilehaus von Fritz Höger in Hamburg (1922–1924) als eine wichtige Referenz, ein Meisterwerk des norddeutschen Backsteinexpressionismus, das in den vertikalen Streben ihres Gebäudes nachklingt.

Vor allem aber ist es die handwerkliche Perfektion, die beim Bau der Bremer Landesbank beeindruckt; eine Backsteinfassade wie diese hat man seit Langem nicht mehr gesehen. Denn während Backstein sonst als Riemchen auf Platten geklebt oder in Form von schlichten Verbünden oder Filtermauerwerk zum Einsatz gelangt, schufen die Architekten ein Äusseres voller Plastizität und mit allen gestalterischen Finessen. Üblicherweise wird die Fassadenlast bei heutigen ­Backsteinfassaden geschossweise abgefangen; hier ist das Bankgebäude von einer selbsttragenden Klinkerfassade ohne Dehnungsfugen umgeben. Die Rückverankerung mit dem Rohbau aus Beton erfolgt nur, um dem Winddruck standzuhalten.

Sich nach oben hin verjüngende Pfeiler bilden die vertikale Struktur, dazu treten ondulierende Brüstungsfelder, die vor- und zurückschwingen und damit eine horizontale Wellenbewegung erzeugen. Dabei alternieren die Pfeiler mit kleinen Stützen in hellerem Klinker und scheinen sich im Brüstungsbereich mit den horizontalen Brüstungsfriesen zu verweben. Die hellen Klinkerstützen mit ihrer orthogonalen ­Geometrie und die dunklen Verbünde durchdringen einander, zwei Formenwelten werden sichtbar zusammengeführt.

Explizit zeichenhaft

Die Klinker wurden von einem Hersteller aus dem Südwesten Niedersachsens im Wasserstrichverfahren produziert, und zwar in einem speziellen dunkelbraunen Farbton des Scherbens ohne Engobierung (vgl. Glossar, Kasten unten), der von den Architekten auf die Farbigkeit der beiden Rathausbauten abgestimmt wurde. Zum Einsatz kamen 65 verschiedene Formsteinformate, die sich aber durch Konfektionierung aus zwölf Sonderformen ge­nerieren liessen.

Der helle Farbton wurde durch Reduktion erzielt, also durch Entzug von Sauerstoff beim Abkühlen der schon gebrannten Klinker nach einer nochmaligen Erhitzung. Die Betonfertig­elemente – etwa die Sohlbänke – sind ebenfalls in einem hellen Farbton gehalten. Das gilt auch für die zwei­geschossige Attikazone mit ihrer Verkleidung aus grossformatigen Keramikplatten. Eine andere, feinere Materialisierung hätte dem Gesamtbild vielleicht besser gedient.

Reise durch Raum und Zeit

Markant und explizit überhöht ist das Hauptportal zum Domshof mit seinem dreizehnfach zurückgestuften Gewände. Die Eingangslösung spätgotischer Backsteinkirchen aus Norddeutschland scheint sich hier mit dem Pathos der Bankbauten von Louis Sullivan (1856–1924) verbunden zu haben. Und doch erweist sich die Massivität als Illusion: Betritt man die Empfangshalle, erkennt man, wie sich das Portal, innen mit weiss glasierten Fliesen verkleidet, teleskopartig in den Raum schiebt. Eine skandinavische Noblesse prägt den Raum mit seinen weissen Wänden und seinem farbigen Steinboden.

Ebenfalls in den höheren Norden verweist die Gestaltung des öffentlich zugänglichen, aber vor allem von den Mitarbeitenden frequentierten Innenhofs. Diesen erreicht man über ein zweites Rundbogenportal und einen anschliessenden Durchgang.

Das Oval des Innenhofs mit seinen 17 × 34 m, aber auch die schlichte siebengeschossige Lochfassade zitieren nahezu eins zu eins die Lösung, die der schwedische Architekt Sigurd Lewerentz (1885–1975) in seinem Gebäude für die Riksförsäkringsanstalten (1930–32) in Stockholm gefunden hatte. So, wie sie das Pathos der Eingangssituation in der Schalterhalle in eine andere Formenwelt überführen und damit zurücknehmen, so kontrastieren die Architekten die repräsentative ­Ziegel- mit der reduzierten Hoffassade. Dass Höfe anders behandelt werden als Aussenfassaden, ist bau­historisch keine Novität.

Das direkte Lewerentz-Zitat, ohne Zweifel Adam Carusos Faszination für den schwedischen Meister geschuldet, hat aber eine sympathische spielerische Komponente. Diese wird besonders evident, wenn man durch das Gebäude geht und bemerkt, wie souverän die Architekten mit den Materialien umgehen, ästhetisch jedoch Haken schlagen und sich der Homogenität verweigern: Da passiert man Treppen­häuser in bester Schweizer Sichtbetonqualität und ­erreicht schliesslich zuoberst ein Betriebsrestaurant mit geschwungenen Einbauten, wie als Hommage an die 1970er-Jahre. So also kann man heute eine Bank auch bauen.

Am Bau Beteiligte

Bauherrschaft
Bremer Landesbank ­Kreditanstalt Oldenburg, Bremen

Architektur
Caruso St John Architects Zürich

Fassadenplanung
ATF, Frankfurt am Main

Tragstruktur
STB Döhren-Sabotke-Triebold & Partner, Bremen

Elektroplanung
Taube + Goerz, Hannover

Bauphysik
von Rekowski und Partner, Weinheim (D)

Kostenplanung, Baumanagement
BAL Bauplanung und Steuerung, Berlin

HLKS-Planung
S + I Planung, Hamburg; V + W Planung, Bremen

Fassadenklinker
Jürgen Janssen Baunternehmen, Oldenburg (D), mit Deppe Backstein-Keramik, Uelsen-Lemke (D)


Ton, Steine, Scherben – ein Glossar

Ziegel oder der vor allem im süddeutschen und Schweizer Raum synonym ­verwendete Begriff Backstein bezeichnet einen offenporigen keramischen Werkstoff, der aus Tonmineralien oder ­tonhaltigem Lehm gebrannt wird (vom lateinischen «tegula» = Dachziegel, zu «tegere» = decken). Einfache Mauerziegel aus tonhaltigem Lehm werden bei 900 °C gebrannt und sind mechanisch nicht so ­stabil wie Klinker. Daher werden sie üblicherweise verputzt, um die Wetterfes­tigkeit zu verbessern.

Klinker sind Produkte aus «blauem» Ton, die reicher an Alumosilikaten sind. Sie werden bei rund 1200 °C und meist auch deutlich länger als Ziegel gebrannt. Durch die hohen Brenntem­peraturen über lange Zeit beginnt die Oberfläche des Steins während des Brenn­prozesses zu versintern, es entsteht eine sehr harte, wasserundurchlässige Oberfläche. Deshalb nehmen Klinker weniger Wasser auf als Ziegel (max. zulässige Wasseraufnahme gemäss DIN 105-100 6 M.-%) und sind frost- und wetterbeständiger. Sie ­werden meist unverputzt oder als Pflasterklinker eingesetzt. Über die Farbe entscheidet in erster Linie die mine­ralische Zusammensetzung des Tons. Ein hoher Eisenanteil färbt rot, Kalk ­hingegen gelb.

Mit Schamotte werden umgangssprachlich künstlich hergestellte feuerfeste Bausteine bezeichnet. Der Fachbegriff bezieht sich ausschliesslich auf Steine mit einem Aluminiumoxidanteil von 10 bis 45 %. Schamotte wird in der Regel zur Herstellung von Öfen oder Kaminen verwendet. Eine weitere Anwendung ist die Feuerbestattung: Zur eindeutigen Kennzeichnung der Asche eines Verstorbenen legt man der Kremation Schamottesteine mit eingravierter Nummer bei.

Die Engobierung (von frz. «Engobe» = Beguss) ist ein industrielles Verfahren zur farblichen Gestaltung von keramischen Oberflächen. Dabei wird der gepresste, getrocknete Rohling vor dem Brennen mit mineralischen Tonschlämmen überzogen und anschliessend bei ca. 1055 °C gebrannt. Da die Engobe über eine ähn­liche Kapillarstruktur wie der Ziegel ­verfügt, bleiben alle dessen Güteeigenschaften bestehen. Sie stellt aber keine zusätzliche Schutzschicht dar.

Beim traditionellen Handformverfahren werden die Tonballen von Hand in eine Form gepresst, als Trennmittel dient Sand. Beim Wasserstrichverfahren wird stattdessen Wasser verwendet, was eine partiell aufgeraute, aber im Vergleich zum Handformverfahren glattere Oberfläche ergibt.

Beim Strangpressverfahren wird der Ton unter Druck zu einem langen Strang gepresst, von dem die Rohbacksteine quasi abgeschnitten werden. So entstehen glattere, gleichförmigere Backsteine als bei den anderen Herstellungs­arten.

(Tina Cieslik; Quellen: www.deppe-backstein.de, Wikipedia > Ziegel)

 

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