Neu­bau: Mu­sée Un­ter­lin­den, Col­mar

An der Erneuerung des Museums in der Altstadt von Colmar hat sich das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron auf unterschiedlichsten Ebenen beteiligt.
 

Publikationsdatum
28-01-2016
Revision
28-01-2016

«Aussergewöhnlich am Projekt des Musée Unterlinden ist das Zusammenspiel von Städtebau, Architektur und Museografie», betonte Pierre de Meuron anlässlich der Pressekonferenz vom 21. Januar. Tatsächlich hat sich das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron, das als Sieger aus einem internationalen Wettbewerb hervorgegangen war, auf unterschiedlichsten Ebenen an der Erneuerung des Museums in der Altstadt von Colmar beteiligt.

Zum einen ist das gesamte Bauprojekt eng mit dem museografischen Konzept der Institution verbunden; Herzog & de Meuron waren auch an der Konzeption der Ausstellungseröffnung beteiligt und haben selbst ein Exponat beigetragen. Zum anderen waren die Basler – zusammen mit den Architekten der französischen Denkmalpflege – für die Sanierung der bestehenden Anlage verantwortlich: ein Dominikanerinnenkloster mit einer 1269 geweihten Kirche, offenem Kreuzgang, Brunnenanlage und Garten.

Und nicht zuletzt errichteten die Architekten zwei Neubauten, die das Museum wirkungsvoll in die städtische Umgebung einbinden. Selbst die eher durchschnittlichen Nachkriegsbauten, die zwischen den historischen Häusern der Umgebung eingestreut sind, werden dadurch aufgewertet. Der grössere der beiden Bauten ist ein neuer Trakt an der Place Unterlinden, der als Gegenpol zum Kirchenschiff des historischen Klosters wirkt. Damit wird der Platz gefasst und erhält eine ähnliche räumliche Präsenz, wie er in der ursprünglichen Klosteranlage als mittlerer Hof zwischen geistlichen Bauten und Wirtschaftsgebäuden hatte; er ist heute ein attraktiver urbaner Ort.

Der Canal de la Sinn, der unter der Altstadt von Colmar hindurchfliesst, wurde freigelegt und offenbart sich als zentrales Element und Ort der Erholung. Unter dem Platz verbindet eine unterirdische Galerie Alt- und Neubau. Der zweite Neubau, ein stilisiertes Häuschen am Kanal, dient als doppelte Referenz: an die Vergangenheit, denn es verweist volumetrisch auf eine Mühle, die früher fast genau an dieser Stelle gestanden hatte, aber auch an die Gegenwart, weil man von ihm aus in die unterirdische Galerie blicken und den Zusammenhang der Gesamtanlage erkennen kann.

Während die Interventionen am Altbau zum Ziel hatten, frühere Umbauten wieder rückgängig zu machen und die historische Bausubstanz ins beste Licht zu rücken, sind die Neubauten sofort als solche erkennbar. Die Formen sind abstrakt, und die rauen Fassaden aus gebrochenen Ziegeln wirken zeitgenössisch. Gleichzeitig gibt es aber auch zahlreiche Zitate bekannter Formen und Anlehnungen an traditionelle Motive. Der neue Trakt etwa wirkt mit seiner Länge, seinem Giebeldach, seinen Spitzbogenfenstern und seinem abgeschnittenen Volumen wie ein altes, zerbombtes und umgebautes Kirchenschiff.

Selbst ein zugemauertes Spitzbogenfenster gibt es in der Fassade zu entdecken – eine liebevoll und vielleicht nicht ganz ohne Ironie gelegte falsche Fährte für Liebhaber des kultivierten Rätselspiels.

TEC21-Redaktorin Daniela Dietsche hat sich ebenfalls in Colmar umgesehen – hier ihr Bericht.

Am Bau Beteiligte
 

Bauherrschaft
Stadt Colmar (Département Haut-Rhin)


Architektur
Herzog & de Meuron Architekten AG
Richard Duplat, architecte en chef des Monuments Historiques, Colmar

Umbau des Musée Unterlinden – Zahlen und Fakten
 

Kosten
44 Mio. Euro


Bauzeit
Oktober 2012 – Dezember 2015


Eröffnung
23. Januar 2016

Verwandte Beiträge