Ein Schu­lhaus als Auf­ga­be

Das typologische Prinzip der Sekundarschule in Laufen ist so einfach wie bestechend: Alle Räume sind in einem kompakten Volumen zusammengefasst – mit einer Lernwerkstatt unter dem Sheddach. Die gestapelte Schule von Thomas Fischer Architekten schafft damit neuartige Spielräume für den Schulalltag.

Data di pubblicazione
16-09-2022
Lucia Gratz
Dipl. Architektin TU/ MAS ETH SIA, Journalistin MAZ

Mit ihrem zwölfzackigen Sheddach hat die Sekundarschule in Laufen seit Bezug im Frühling letzten Jahres schon für mancherlei Verwirrung gesorgt. Denn das kubische, wellblechverkleidete Bauwerk erinnert an eine Produktionshalle, wie es sie am Ortsrand für die Herstellung von Keramiken und Kräuterzucker seit vielen Jahrzehnten gibt.

Hier im Wohnquartier, umringt von Gärten und Einfamilienhäusern, ersetzt es den Vorgängerbau aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Indem es sich an den Rand der Parzelle drängt, lässt das neue Haus viel Platz für Sportfelder und den Pausenaufenthalt im Freien. Auch das Gymnasium gleich nebenan ist eine Einrichtung des Kantons Basel-Landschaft, und so kommen Jugendliche aus dem ganzen Laufental hierher zur Schule.

Wer beim Bild der Lernfabrik an Schüler denkt, denen Wissen wie am Fliessband eingetrichtert wird, muss dies hier revidieren. Schon im Siegerprojekt des offenen Wettbewerbs von 2014 zeigte der Zürcher Architekt Thomas Fischer überzeugend, wie sich räumliche Qualitäten einer Produktionshalle auf eine Schule übertragen lassen. Im 2. Obergeschoss, unter dem luftigen Sheddach organisierte er auf einer Fläche von 45 m×57 m zwischen mächtigen Fachwerkträgern, kaum mit Wänden getrennt, 20 Klassenräume und zwei breite Korridorbereiche als Lernlandschaften. Heute lässt sich vor Ort erleben, wie räumliche Transparenz und die bewusste Lichtführung im Haus zur einladenden, offenen Lernatmosphäre beitragen.

Unterricht im transparenten Klassenzimmer

Immer häufiger setzen heutige pädagogische Konzepte, die aus politischen und gesellschaftlichen Gründen vielfältiger werden oder sich verändern, eine Mehrfachnutzbarkeit von Schulräumen voraus. Eine flexible Raumgliederung soll zudem die Anpassungsfähigkeit unterstützen. Im neuen Schulhaus in Laufen gibt das zenitale Nordlicht, das die Räume gleichmässig hell ausleuchtet, weder eine Sitzrichtung noch eine bestimmte Art von Unterricht vor.

Wie in einer Industriehalle soll unter diesem Licht flexibel gearbeitet werden ­können. Gläserne Trennwände schaffen Verbindungen über Raumgrenzen hinweg und lassen das ganze Geschoss als offene Lernwerkstatt erscheinen, die durch einen Raster aus diagonalen Stahlstreben gegliedert ist: Klassenräume wechseln mit grosszügigen Lern- und Aufenthaltsbereichen ab und laden zu einem Unterricht in unterschiedlichen Formaten ein.

-> Ausbaufähige Konstruktion – Das Stahltragwerk der Sekundarschule in Laufen ist als pragmatisches und kraftvolles Gerippe zu verstehen.

So suggestiv der Entwurf einen Schulalltag zwischen gläsernen Wänden als Qualität vermittelt – in der Praxis ist dies weitaus kontroverser. Lehrerinnen wie Schüler können sich beobachtet, kontrolliert oder abgelenkt fühlen. Zudem fehlten der künftigen Nutzerschaft in Laufen entsprechende Erfahrungswerte. Durch den Austausch in einer frühen Planungsphase gelang es jedoch, das nötige Vertrauen in ein offenes Schulhaus herzustellen, erzählt Thomas Fischer. Durch ein Kunst-am-Bau-Projekt erhielten die Unterrichts­räume zusätzlich Sichtschutzvorhänge. Über breite Farbstreifen liess die Künstlerin Esther Ernst von ihr entworfene Zeichnungen einsticken, die Motive aus der Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler aufgreifen. Für den Schulbetrieb erweisen sich die Wandtextilien als nützlich, um die Transparenz bei Bedarf zu dosieren und die Raumakustik zu verbessern.

Gestapeltes Schulhaus dank hybrider Konstruktion

Mit je zwei Sheddach-Zacken wirkt jedes Klassenzimmer wie ein eigener Schulpavillon. Raumgrosse Patios und das schmale Fensterband, das um das ganze Haus läuft, schaffen einen Bezug in den Aussenraum. Schweift der Blick über die Giebel der umliegenden Häuser, weiss man, dass die Pavillons im Dach Teil von etwas Grösserem sind. Darunter liegen nämlich drei weitere Geschosse und, von den raumhohen Trägern der Sheddachkonstruktion frei überspannt, die Doppelsporthalle. Sie ist zweiseitig übereck belichtet und hält den Löwenanteil des Gesamtvolumens. Auch wenn sie um ein Geschoss ins Terrain versenkt ist, trägt sie über ihre stattliche Höhe das Tageslicht in die Tiefe des Gebäudes. Wie eine innere Fassade wirken so die verglasten Hallenwände zur angrenzenden Aula im Erdgeschoss; auf dem Weg von der Mediathek zu den Hauswirtschaftsräumen sieht man sogar die Basketbälle in die Körbe fliegen.

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Die Stapelung verschiedener Arten und Dimensionen von Räumen erforderte auch eine konstruktive Antwort. Wirkte diese im Wettbewerbsprojekt mit ihren wenigen Stützen und dem homogenen Dachtragwerk sehr konzeptionell, brachte die Realisierung einige Veränderungen hin zu einer hybriden Bauweise mit sich. Sie ist nicht nur Ausdruck der konstruktiven Effizienz des Gebäudes, sondern steht auch für energetische und ökonomische Optimierungen.

Stahlbetonwände, vor Ort gegossen, wurden mit vorgefertigten Stahlbetonstützen und Diagonalaussteifungen aus Stahl kombiniert. Wo die Wände nicht verglast sind, ist der Skelettbau mit Kalksandstein ausgefacht. Zu viel, wie Thomas Fischer meint, da etwa in der Aula dadurch der strukturelle Charakter und mit ihm das ursprüngliche Mass an räumlicher Durchlässigkeit nicht mehr erlebbar sei.

Die Betondecke über den Sporthallen ist an der Stahlkonstruktion des Dachtragwerks aufgehängt. Ein raumhohes Fachwerk ist es nur dort, wo es statisch wirklich benötigt wird. Die Schrägen der Sheds schliesst ein pragmatisch detailliertes, hölzernes Sparrendach. Durch den weissen Anstrich gleichen sich die Bauteile im Innern einander an, und es verwischt, aus welchem Material sie wirklich sind.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 29/2022 «Stahl macht Schule».

Ersatzneubau Sekundarschule, Laufen BL

 

Bauherrschaft
Bau- und Umweltschutz­direktion Kanton Basel-­Landschaft (vertreten durch das Hochbauamt)

 

Architektur / Entwurf
Thomas Fischer, Zürich

 

Generalplanung
ARGE GP SEK Laufen BL, Confirm, Zürich / Imooo, Zürich

 

Kunst am Bau
Esther Ernst, Berlin/ Solothurn

 

Tragkonstruktion
Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel

 

HLKS-Planung
HL-Technik, Schaffhausen

 

Elektroplanung
Mettler + Partner, Zürich

 

Landschaftsarchitektur
Knoepflipartner, Luzern

 

Stahlbauunternehmung
H. Wetter, Stetten

 

Realisierung
2017–2021

 

Geschossfläche (SIA 416)
8400 m2

 

Baukosten (BKP 2)
40 Mio. Fr.

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