Ele­gant auf­ge­räumt

Der Bushof von OSMB Architekten und Conzett Bronzini Partner Ingenieuren im sankt-gallischen Buchs vereint Konstruktion und Funktion mit ­bemerkenswerter Eleganz. Der Sichtbetonbau ist bis ins Detail durchdacht und von einer Stringenz, die sich bis in die Gestaltung des Platzes erstreckt.

Data di pubblicazione
13-08-2020

Markante Bahngebäude haben im sankt-­gallischen Buchs Tradition: 1960 baute Max Vogt hier das Ablaufstellwerk, eines ­seiner Frühwerke. 20 Jahre später folgte das Bahnhofsgebäude, in typischer Vogt-Manier mit ausgeklügelter Volumetrie, der Sichtbeton rhythmisiert durch die mal vertikale, mal horizontale Anordnung der Schalungsbretter. Es ist denkmalgeschützt, sein Inneres wurde bis Mai dieses Jahres renoviert (Architektur: göldipartnerarchitekten, Altstätten).

Von den Vogt-Bauten abgesehen ist die Bahnhofsumgebung allerdings ein Konglomerat aus kleinteiliger, heterogener Bebauung und unerwartet grosszügigen Sichtachsen. Steht man am Perron und blickt nach Osten, schaut man direkt aufs Ende der Schweiz: Ennet den Gleisen liegt schon Liechtenstein. Ganz anders die Nord-Süd-Achse. Hier geht die Sicht entlang der Gleise nahezu ins Unendliche. High Noon im Rheintal.

Seit zwei Jahren lohnt sich aber auch der Blick nach Westen. Im August 2018 wurde hier der neue Bushof von OSMB Architekten und Conzett Bronzini Partner Ingenieuren in Betrieb genommen. Der markante Sichtbetonbau ist die erste Etappe einer vierstufigen Planung, die das gesamte Gelände des Bahnhofs neu ordnen soll. Einst war der Grenzbahnhof Buchs ein Schienenverkehrsknoten von internationaler Bedeutung.

Der Bau der Rheintalbahn legte die Basis für diesen Werdegang, die Anknüpfung an das vorarlbergische Bahnnetz in den 1870er-Jahren machte den Ort zum wichtigen Lager- und Umschlagplatz auf der Gütertransportlinie von Wien nach Paris. Buchs hatte Kolonialwaren-Flair: Läden boten ausländische Früchte und fremden Wein an, Speditionen gründeten Filialen in Bahnhofsnähe, und zwischen dem Flüsschen Giessen und den Gleisen entstanden Lagerhäuser.

Seit der Öffnung der innereuropäischen Grenzen werden die grosszügigen Anlagen des Güterbahnhofs nicht mehr gebraucht. Auf einem der Baufelder nördlich des Bushofs planen die SBB daher die Wohnüberbauung «Rheincity».

Stabile Balance

Um den Ort aufzuwerten, wurde zunächst Raum für den Bushof geschaffen. 2012 führten die SBB dafür zusammen mit der Stadt Buchs einen Studienauftrag durch. Als erste Etappe dieser Planung wurden der neue Bahnhofplatz und der Bushof realisiert. Dafür wurde das Postgebäude abgerissen und der Platz für den Durchgangsverkehr gesperrt. Der Flusslauf  der Giessen begrenzt den Platz nach Westen.

Blickfang ist aber der neue Bushof: Die Zürcher OSMB Architekten haben dafür zusammen mit den Ingenieuren von Conzett Bronzini Partner ein zentrales Dach entworfen. Als Pendant zum Bahnhofsgebäude von Max Vogt ist es ebenfalls in Sichtbeton ausgeführt. Die gesamte Dachform entspricht einem viermal wiederkehrenden umgekehrten Pyramidenstumpf, der jeweils auf einem Bündel aus vier vorfabrizierten Stahlbetonstützen lagert – gleichsam ein Tablett auf vier Fingern.

Eine ausführlichere Version dieses Artikels finden Sie in TEC21 23–24/2020 «Tragwerk macht Platz».

Die vier baugleichen autonomen Elemente formen ein 90 m langes, 12 m breites Dach, an der Dachkante ist es grosszügige 5.36 m hoch; doppelstöckige Busse können problemlos darunterfahren. Statisch gesehen ist es als Faltwerk ausgebildet. Die Flächen sind an der Dachkante 12 cm stark und wachsen nach innen auf gut 30 cm Höhe an. Durch die miteinander kraftschlüssig verbundenen, gegen­einander geneigten ebenen Dachflächen entsteht eine selbsttragende, sehr steife Tragstruktur.

Mehr als Statik

Der Bau ist komplett aus Beton, keine Sekundärkon­struk­tionen verunklären das Bild. Die sichtbaren Abdrücke der Schalung bilden eine Referenz zum benachbarten Vogt-Bau, sind aber bewusst etwas grösser bemessen. Die vier Faltkanten gliedern die Untersicht des Dachs in helle und dunkle Flächen; der schmale Dachrand betont die Länge der Konstruktion. Akzentleuchten im Oberlicht erhellen das Innere der Stützenquartette abends und nachts – für Orientierung und Sicherheit, aber auch, um gefürchtete Schmuddelecken zu ­verhindern.

Umfassend betrachtet

Neben der schlichten Schönheit der filigranen Konstruk­tion beeindruckt vor allem die Stringenz, mit der das Bauwerk als Teil des Platzes konzipiert wurde. Die Bus­steigplatte ist statisch unabhängig von den Dächern auf einer eigenen Sauberkeitsschicht betoniert, im Detail erkennbar durch die 3 cm hohe und abgefugte Aufbordung rund um jede Stützengruppe, die als Orientierung für Sehbehinderte mit Stock dient.

Ebenso statisch unabhängig ist der Fahrbereich der Busse konstruiert – nicht asphaltiert, sondern ebenfalls betoniert. Viel befahrene Verkehrsschlaufen wie dieser Bushof müssen mehr aushalten als normale Strassen, denn Brems- und Beschleunigungskräfte verursachen auf Asphaltbelägen schnell und oft Risse und Spurrillen. Die Fugen im Bodenbelag nehmen das Kantenmuster des Dachs auf, und auch die an Spannseilen aufgehängten Strassenleuchten folgen diesem Prinzip.

Die einheitliche Gestaltung des vom Durchgangsverkehr befreiten Bahnhofplatzes mit seiner Fahrbahn und der Businsel grenzt ihn von den zuführenden Strassenflächen ab, lässt ihn aber auch zu einem Gesamtelement werden, das sich wohlproportioniert und angemessen materialisiert in den historischen Bestand einfügt.

Am Bau Beteiligte

Bauherrschaft
Stadt Buchs SG

Architektur
OSMB Architekten, Zürich

Tragkonstruktion Busdach
Conzett Bronzini Partner Ingenieure, Chur

Planung und Bauleitung Tiefbau
Bänziger & Partner, Buchs SG

Bauleitung Hochbau
Bau-Control, Buchs SG

Freiraumplanung
Kuhn Landschaftsarchitektur, Zürich

Verkehrsplanung
asa, Rapperswil-Jona

Lichtplanung
Artlight, St. Gallen

Elektroplanung
Inelplan, Buchs SG

Bauherrenvertretung/Kostenplanung
Bau-Data, Buchs SG

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