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Projektwettbewerb im offenen Verfahren Tagesbetreuung Hebel, St. Gallen

Kindertagesstätten sind keine Schulen und keine Wohn- oder Gewerbe­bauten. Was dann? Schaub Zwicky Architekten gewinnen den Wettbewerb der Stadt St. Gallen mit einer eigenständigen Interpretation der Aufgabe und finden dafür einen adäquaten architektonischen Ausdruck.

Data di pubblicazione
19-09-2019

Die Stadt St. Gallen betreibt an zwölf Standorten Angebote zur Tagesbetreuung. Für berufstätige Eltern ist dies zentral, und auch die Kinder profitieren davon, indem ihre Entwicklung und die soziale Integration gefördert werden. Im Quartier St. Georgen steigt die Zahl schulpflichtiger Kinder. In den beiden Schulhäusern Hebel und Bach ist kein Platz für eine zusätzliche Betreuungsstruktur. Zudem ist eine räumliche Verbindung von Schul- und Betreuungsangeboten schwierig, da die spielenden Kinder der Tagesbetreuung den Schulbetrieb stören. Deshalb will die Stadt St. Gallen für die Tagesbetreuung einen Neubau errichten und das Provisorium aus Containermodulen ersetzen. Am neuen Standort sollen bis zu 150 Kinder aus der Primarschule Hebel-Bach betreut werden. Diese sind in drei Horteinheiten aufgeteilt, und jede Horteinheit besteht aus drei Kleingruppen.

Um Lösungsansätze für diese Aufgabe zu erhalten, hat die Stadt St. Gallen einen Projektwettbewerb im offenen Verfahren ausgeschrieben. Es gingen 114 Wettbewerbsbeiträge ein. Als schwierig haben sich die Setzung und Grösse des Neubaus, das ansteigende Gelände und die Vorgaben des Baumschutzes erwiesen. Auch beim architektonischen Ausdruck wurden Anleihen bei Gewerbe-, Schul- oder Reiheneinfa­milienhäusern gesucht. Das Preisgericht wünschte sich aber ei­nen eigenständigen Charakter für die Tagesbetreuung. Ein weiterer Knackpunkt war die Dimensionierung und Entflechtung der Personenströme in den Eingangs- und Garderobenbereichen.

Die Kindertagesstätte

Schaub Zwicky Architekten überzeugten das Preisgericht mit ihrem Beitrag «Louise», der einstimmig zur Weiterbearbeitung empfohlen wurde. Die drei Horte sind auf drei Geschossen angeordnet und verfügen zusätzlich zum Treppenhaus über einen eigenen Zugang mit einer geschwungenen Aussentreppe. Die Zugänge sind örtlich getrennt und auf den Aussenraum ausgelegt. Sie müssen allerdings noch wintertauglich werden. Im Sockelbereich zur Gotthelfstrasse befinden sich eine Küche und Räume für die Mitarbeitenden. Der kreuzförmige Grundriss springt vor und zurück. Er fügt sich präzise in den dominanten Baumbestand ein, sodass alle drei wertvollen Bäume erhalten werden können. Das kompakte Volumen mit den schlanken Stirnfassaden gliedert sich subtil in den Bestand ein.

Die neue Kindertagesstätte ist gekonnt über einen Spielbereich mit Hartplatz um die breitkronige Linde an den bestehenden Kindergarten angebunden. Das ohne Mauern modulierte Terrain bietet viele Spielmöglichkeiten. Im Südwesten liegt eine grosse Spielwiese mit Spielplatz. Die bestehende Buche wird mit weiteren Einzelbäumen ergänzt. Das Gebäude ist sowohl unten von der Gotthelfstrasse als auch oben von der Gessnerstrasse barrierefrei zugänglich. Eine Fussgängerverbindung durchquert den Hang mit einer schmalen Treppe.

Sockelgeschoss und Treppenhaus sind betoniert, während das Tragwerk der Obergeschosse aus Holzelementen und Holz-Be­­ton-Verbunddecken besteht. Im Innern bleiben die Holzelemente und der Hartbetonboden sichtbar. Die hinterlüftete Holzfassade ist mit Schlammfarbe gestrichen und farblich auf die Holz-Metall-Fenster ­abgestimmt. Das Gebäude ist mit einer Komfortlüftung und aussen liegendem Sonnenschutz auf Mi­ner­gie­standard getrimmt. Der kleine Fuss­abdruck, die Holzkonstruktion und die kompakte Gebäudeform bilden gute Voraussetzungen für ein wirtschaftliches und nachhaltiges Projekt.

Die Schule

Auch das zweitrangierte Projekt vom Studio David Klemmer mit Bianca Anna Böckle ordnet die drei Horte auf drei Geschossen an und erschliesst sie mit einer separaten Aussentreppe. Der quadratische Baukörper ist zur Sommerlinde hin rund ausgeschnitten. Jedem Hort ist ein eigener Aussenbereich auf verschiedenen Höhenniveaus zugeordnet. Die Tragkonstruktion aus Beton besteht aus Stützen und mit aussteifendem Treppenhauskern. Das kompakte Volumen verspricht eine wirtschaftliche Umsetzung. Die eigenständige Setzung schafft differenzierte Aussenräume, bei der Funktionalität und der Erschlies­s­ung bleiben allerdings noch Fragen offen.

Das Reihenhaus

Der mit dem dritten Preis ausgezeichnete Beitrag von Alessandra Villa Architektur bezieht sich explizit auf die lang gestreckten Zeilenbauten des bestehenden Kindergartens und der Turnhalle. Die neue Tagesstätte ist in einem schmalen, rechteckigen Gebäude längs der Gotthelfstrasse untergebracht. Die drei Horte liegen nebeneinander und gehen über drei Etagen. Jeder Hort ist um ein zentrales Treppenhaus organisiert und vom mittleren Gartengeschoss aus erschlossen. Die Tragkonstruktion aus Beton besteht aus Schotten, die die Aussteifung übernehmen, und Flachdecken. Der Beitrag besticht im Dialog mit dem Bestand, ist aber wegen der grösseren Kubatur nicht wirtschaftlich.

Der spezifische Ausdruck

Schaub Zwicky Architekten kaschieren das kompakte Volumen mit einer gestaffelten Abwicklung hinter schlanken Stirnfassaden. Es ist präzise in den Baumbestand ein­gezirkelt und lässt dank dem kleinen Fussabdruck viel Freiraum. Die ­einzelnen Horte haben separate Zugänge und sind auf verschiedenen Geschossen übersichtlich angeordnet. Trotzdem bieten sie auch Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder. Auch die Architektursprache überzeugt, weil sie nicht an Schulen, ­Reihenhäuser oder Gewerbebauten erinnert, sondern einen spezifischen Ausdruck für die Kindertagesstätte findet. Die grün pigmentierten, feingliedrigen Holzfassaden nehmen Bezug zum Baumbestand, und die sichtbaren Holzwände mit dem warmen Farbton der Bodenbeläge schaffen ein einladendes Ambiente.

Weitere Pläne und Bilder finden Sie in der Rubrik Wettbewerbe.

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Louise»
Schaub Zwicky Architekten, Zürich; Mettler Landschaftsarchitektur, Gossau; Holzbaubüro Reusser, Winterthur
2. Rang / 2. Preis: «Baum-Haus»
Studio David Klemmer mit Bianca Anna Böckle, Zürich; Gersbach Landschaftsarchitektur, Zürich; Dr. Neven Kostic, Zürich; Düring HLKS Engineering, Zürich
3. Rang / 3. Preis: «Sanddorn»
Alessandra Villa Architektur, Zürich
4. Rang / 4. Preis: «Papageno»
Solanellas Van Noten Meister Architekten, Zürich
5. Rang / 5. Preis: «Mango»
Bischof Föhn Architekten, Zürich; Johannes von Pechmann Stadtlandschaft, Zürich

Fachjury

Hansueli Rechsteiner, Stadtbaumeister, Hochbauamt Stadt St. Gallen (Moderation); Roger Boltshauser, Architekt, Zürich; Daniel Gmür, Architekt, Winterthur (abwesend); Rita Illien, Landschaftsarchitektin, Zürich; Peter Lüchinger, Architekt, St. Gallen; Katrin Eberhard, Stadtbaumeister Stellvertreterin, Hochbauamt Stadt St. Gallen (Ersatz)

Sachjury

Maria Pappa, Stadträtin, Direktion Planung und Bau Stadt St. Gallen (Vorsitz); Markus Buschor, Stadtrat, Direktion Bildung und Freizeit Stadt St. Gallen; Judith Siering Sethom, Abteilungsleiterin Tagesbetreuung Centrum-Ost, Dienststelle Schule und Musik Stadt St. Gallen; Gabriele Eichenberger, Leiterin Tagesbetreuung Hebel, Dienststelle Schule und Musik Stadt St. Gallen; Tanja Rissle, Abteilungsleiterin Tagesbetreuung Centrum-West, Dienststelle Schule und Musik Stadt St. Gallen (Ersatz)

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