Ein Fä­cher aus Glas und Me­tall

Mit dem Museum «nest» in Vevey belebte Nestlé seinen historischen Standort wieder. Nun wird das Museum zum neuen Hauptsitz von Nespresso. Ein Grund, noch einmal einen Blick zurück zu werfen.

Publikationsdatum
17-10-2019

Aus Anlass des 150-jährigen Jubiläums 2016 weihte Nestlé Suisse in Vevey das Museum «nest» ein. Am gleichen Standort hatte damals der Gründer Henri Nestlé den Beginn der industriellen ­Tätigkeit der Firma in Gang gesetzt. ­Aufgrund strategischer und standortpolitischer Entscheidungen wird nun der Nespresso-Hauptsitz von Lausanne nach Vevey in den historischen Gebäude­komplex in Bahnhofsnähe verlegt. Ende September 2019 schloss «nest» seine Tore, und nach einer Umbauphase werden dort die Nespresso-Mitarbeiter einziehen.

«nest» lebte von der Geschichte des Unternehmens. Vor diesem Hintergrund entwickelten Concept Consult Architectes aus Lausanne ein Konzept für die Wiederbelebung der drei historischen Gebäude:

  • In der Fabrik wurde ein grosser Teil des Museums wie auch des Nestlé-Archivs untergebracht.
  • Die Bäckerei – die frühere Produktionsstätte des Brots, das Henri Nestlé für die Herstellung des Milchpulvers benötigte, das den Erfolg des Unternehmens begründete – beherbergt das Café Henri.
  • Die Villa, in der Nestlé die ersten Büros und Labors hatte, bildet das Konferenz- und Eventzentrum.

Weckruf einer industriellen Vergangenheit

Die Fabrik begrenzt das Areal − ein unregelmässiges Viereck − auf der nördlichen Seite, die Villa und die Bäckerei auf der östlichen. Dazwischen liegt eine ­Piazza, die als Aufenthaltszone und Empfang dient. Sie ist mit einem 1600 m² grossen Dach überspannt. In einer organischen, von der Decke abgehängten Form befanden sich weitere Bereiche des Museums. Die Stahlkonstruktion des Dachs ist der Stahlstruktur der ehemaligen Bäckerei nachempfunden und greift somit die indus­trielle Vergangenheit des Orts wieder auf. Die Struktur der Bäckerei wurde in ihrem Original­zustand ­erhalten und lediglich für die Nutzung als Café aufbereitet. Die Eingangshalle ist komplett mit Isolierver­glasungen umhüllt. Eine Ausnahme bilden die südlich ausgerichteten Dachflächen, die mit Solarpaneelen bestückt sind und so einerseits Energie produzieren und andererseits die Sonneneinstrahlung ins Gebäude reduzieren.

Die unregelmässige Parzellengeometrie, die ­weder rechte Winkel noch parallele Linien aufweist, erforderte viel Geschick hinsichtlich der Formgebung der Stahlkonstruktion durch die Architekten und die Ingenieure von Gex + Dorthe. Die Giebel der einzelnen Dachelemente verlaufen nicht parallel zueinander. Die hohen Punkte der Front führen zu den tiefen Punkten am anderen Ende des Dachs und umgekehrt, wodurch eine fächerartige Faltung der gesamten Struktur entsteht. Die sechs grossen Träger der Konstruktion liegen auf sechs Stützen, die jeweils an den Hochpunkten der Konstruktion hinter der Fassadenebene angeordnet sind. Die Träger sind durch eine Reihe von Sparren unter­einander verbunden; sie tragen ihre «Nachbarn» an den Punkten der hohen Ebene und sind am anderen Ende aufgehängt. Durch das weit auskragende Vordach sind bei den drei vorderen Fassadenstützen Schräg­streben notwendig.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 41–42/2019 «Ankommen in lichten Hallen».

Der Artikel «Ein Fächer aus Glas und Metall» ist in anderer Form bereits in steeldoc 04/17 erschienen.

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