Gebaut für die Gemeinschaft
Mit wenigen sichtbaren Eingriffen belebten Vécsey*Schmidt Architekt*innen das denkmalgeschützte Kirchengemeindehaus Oekolampad. Die vielen unterschiedlichen neuen Nutzungen integrieren sich wie selbstverständlich in die erhaltene Bausubstanz und fördern die Begegnung im Basler Vorstadt-Quartier.
Ein schlanker kubischer Backsteinturm ragt an der Ecke des Allschwilerplatzes in Basel in die Höhe. Der daran angegliederte niedrigere Baukörper und zwei weitere Gebäudeflügel sind ebenfalls in reduzierter Formensprache aus Backstein gestaltet.
Das Ensemble mit seinem monumentalen Eingangsportikus und der Backsteinfassade entlang der Strasse ist ungewöhnlich für Basel: Der Baustil erinnert an historische Industriebauten aus England. Doch hinter der changierenden Klinkerfassade fanden bis 2011 Gottesdienste statt. Die nach Johannes Oekolampad, dem Reformator von Basel, benannte Kirche ist seit ihrer Einweihung im Jahr 1931 ein Ort für die Gemeinschaft.
Auch nach seiner Umnutzung im letzten Jahr eignet sich das von den Architekten Emil Bercher und Eugen Tamm erstellte Gebäude noch für soziale Einrichtungen und Kulturbetriebe. Seit letztem Frühjahr finden im Kirchenraum Theateraufführungen statt, vier gemeinnützige Institutionen nutzen die rund 3000 m2 grossen Innen- und Aussenräume.
Testplanung zeigte den Weg
Die Transformation ist eine Initiative der Wibrandis Stiftung. 2020 erwarb sie das Gemeindehaus Oekolampad von der Evangelisch-reformierten Kirche. Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, führte die Stiftung im Vorfeld eine sorgfältige Testplanung durch, mit dem Ziel, das Gebäude zu sanieren und umzubauen.
Ein unabhängiges Beurteilungsgremium empfahl das Projekt von Vécsey*Schmidt Architekt*innen zur Ausführung. Diese können bereits auf viel Erfahrung in der Renovation, der Erweiterung, dem Umbau sowie der Umnutzung von Kirchen zurückgreifen, wie der Auferstehungskirche in Offenburg, der Erweiterung des Gemeindezentrums St. Franziskus in Bassersdorf und der Planung des Umbaus einer Kirche in Zürich-Wipkingen.
Ein ständiger Prozess der Veränderung
Das Gemeindehaus Oekolampad wurde bereits kurz nach der Fertigstellung baulich angepasst, immer wieder kamen neue Nutzungen hinzu. So dockte etwa ein privates Einfamilienhaus nördlich an die Bebauung an, das Eingangsportal zum Allschwilerplatz hin wurde verkleinert und das Postlokal im östlichen Teil des Haupttrakts angepasst.
Als letzte bauliche Ergänzung folgte 1961 der Bau eines neuen Pfarrhauses im Zuge der Verlängerung des Ostflügels. Im Innenhof zwischen den Gebäudeflügeln gestaltete die Landschaftsarchitektin Alice Foxley eine grüne Oase, die von der Stiftung Basler Wirrgarten als geschützte Gartenanlage für Menschen mit Demenz genutzt wird.
Backsteine ergänzen Klinker
Geblieben ist das changierende Fassadenbild aus rot-violett bis bräunlich leuchtenden Klinkern. Es prägt die markante Erscheinung des Gebäudes bis heute. Für die im letzten Jahr durchgeführte Umnutzung mussten neue Zugänge unter dem Portikus geschaffen werden. Damit die sichtbaren Eingriffe in die Fassade mit den bestehenden Klinkern harmoniert, wählten Vécsey*Schmidt Architekt*innen ähnliche Farben für die Backsteine.
Neue Nutzungen beleben das Haus
Grundsätzlich folgt das Projekt der Devise, die bestehenden Vorzüge des Bestandes zu nutzen und diese – wo nötig – behutsam zu ergänzen. So kann der soziale Geist ohne grosse Eingriffe in die denkmalgeschützte Bausubstanz weitergeführt werden. Dabei sind die öffentlichen Nutzungen im Haupttrakt untergebracht, während gemeinnützige Institutionen wie der Verein AMIE Basel und die Stiftung Wirrgarten in den Seitenflügeln ein neues Zuhause fanden.
Theaterbox in Kirchensaal
Den grössten Eingriff bildete der Einbau der hölzernen Theaterbox inmitten des Kirchensaals.Sowohl die Orgel von 1933 als auch die hölzerne Kanzel des Gemeindesaals blieben bestehen und die frühere sakrale Nutzung ist immer noch ablesbar.
Das Raum-in-Raum-Konzept erlaubt es weiterhin, die alten Dimensionen zu erfahren und schafft gleichzeitig einen neuen, gut proportionierten Wandelgang um die Blackbox des Vorstadttheaters, in der rund 130 Personen Platz finden. Die Empore dient neu als Probebühne und ist deshalb räumlich und akustisch vom Rest entkoppelt.
Austausch und Öffentlichkeit
Im Haupttrakt zum Allschwilerplatz entstand ein Ort des lebendigen Austauschs, der von ganz unterschiedlichen Menschen genutzt wird. So befindet sich in der ehemaligen Postfiliale unter dem markanten Portikus heute das «Bistro Rosa», das ganztags geöffnet ist und zum Verweilen anregt.
Von der daran angrenzenden grosszügigen Eingangshalle führt eine dreiläufige Treppe ins Obergeschoss, wo auf der Probebühne getanzt wird oder der Quartiertreff im überdimensionalen Holzschiff zum Spielen einlädt.
«Aller Anfang ist Begegnung»
Mit der Sanierung und Umnutzung des markanten Gebäudes fruchtet der Leitgedanke der Wibrandis Stiftung: «Aller Anfang ist Begegnung.» Gemeinsam mit Vécsey*Schmidt Architekt*innen schuf sie einen neuen lebendigen Mittelpunkt für die Bevölkerung der Quartiere Iselin und Gotthelf, das auch den umliegenden Stadtraum aufwertet.
So befindet sich etwa auf der angrenzenden Oekolampad-Matte ein bei Familien sehr beliebter Spielplatz und in Zukunft soll auch der Allschwilerplatz fussgängerfreundlich umgestaltet werden. Sogar die akustisch identitätsstiftenden Merkmale des Hauses bleiben erhalten, denn auch die Glocken im Turm läuten weiterhin. So bleibt das Gemeindehaus Oekolampad trotz aller Veränderungen ein Ort für die Gemeinschaft.
Umnutzung Gemeindehaus Oekolampad, Basel
Bauherrschaft
Wibrandis Stiftung, Basel
Bauherrenvertretung
Wüest Partner AG, Zürich
Generalplanung
ARGE Oekolampad Vécsey Schmidt Architekt*innen und Anderegg Partner
Architektur
Vécsey*Schmidt Architekt*innen BSA SIA, Basel
Baumanagement
Anderegg Partner AG, Basel
Landschaftsarchitektur
Alice Foxley Landscape Architect, Basel
Tragwerk
Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel
Theaterplanung
THAT Hamburg GmbH, Hamburg
Akustikplanung
WSDG AG, Basel
Brandschutz
Gartenmann Engineering AG, Basel
Lichtplanung
Reflexion AG, Zürich
Heizung / Lüftung
eicher+pauli Liestal AG, Liestal
Elektroplanung
Pro Engineering AG, Basel
Sanitärplanung
Bern Gebäudetechnik AG, Belp
Bauphysik
Gartenmann Engineering AG, Basel
Gastroplanung
vaplan gmbh, Ettingen
Kälteplanung
KÄLTE ENGINEERING GmbH, Pratteln
Signaletik
Chasper Würmli, Grafik + Design
Fertigstellung
2024
Bausumme
21.7 Mio CHF (BKP1-9)
Gebäudevolumen
25'919m3
Geschossfläche
4'609m2