Strom aus Strom

Speicher im Überblick

Etwas aufbewahren, das per Definition immer im Fluss ist? Strom als elektrische Energie zu speichern funktioniert nur bedingt. Durch die Umwandlung in potenzielle, kinetische oder chemische Energie eröffnen sich weitere Möglichkeiten.

Publikationsdatum
07-04-2017
Revision
07-04-2017

Unsere Infrastruktur ist von einer konstanten Stromversorgung abhängig. In Spitälern hätte selbst ein kurzer Stromausfall tödliche Folgen; in der hoch technisierten, digitalisierten Schweizer Wirtschaft ziehen Ausfälle schwere Verluste nach sich. Steuerungszentralen und Sicherheitsorgane bereiten Notfallszenarien für einen Blackout vor. Die Versorgungssicherheit ist zurzeit eines der wichtigsten politischen Themen, unter anderem im ­Hinblick auf internationale Kooperationen, aber auch auf das revidierte Energiegesetz und die Umsetzung der Energiestrategie 2050.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach Technologien, die das Speichern von elektrischer Energie ermöglichen. Zum einen geht es um den kleinen Massstab: Wichtige Institutionen, insbesondere im Gesundheitsbereich, sind mit Notstromaggregaten ausgestattet, die es technisch weiterzuentwickeln gilt. Zum anderen ist das gesamte Stromnetz im landesweiten Massstab betroffen.

Um die Energiestrategie 2050 umzusetzen, muss das Schweizer Energiesystem schrittweise umgebaut werden. Das Massnahmenpaket des Bundes sieht vor, den Energieverbrauch zu senken und erneuerbare Energien wie Solarenergie, Windkraft und Energie aus Biomasse stärker zu nutzen. Doch die effiziente Nutzung von solchen lokal erzeugten, erneuerbaren Energien kann ein elektrisches Energienetz vor grosse Herausforderungen stellen.

Während Photovoltaikanlagen in der Nacht keinen Beitrag leisten, ergibt sich, wenn die Sonne mit voller Kraft vom Himmel strahlt, immer öfter ein Überangebot an Strom. So bleibt zu manchen Zeiten die gewinnbare Energie ungenutzt, weil das Stromnetz den überschüssigen Strom gerade nicht aufnehmen kann. Das Stromnetz verträgt nämlich keine grossen Schwankungen und muss in ständiger Balance zwischen Angebot und Nachfrage gehalten werden (vgl. «Frequenzregelung», Kasten unten). Ähnlich verhält es sich mit Windkraft, wenn bei Netzüberlastung Windräder aus dem Wind gedreht oder abgeschaltet werden, obwohl sie eigentlich gerade Strom produzieren könnten. 

Die Produktion von Kleinwasserkraft wiederum hängt vom aktuellen Wasserpegel in den Flüssen und Bächen ab. Das Wetter beeinflusst somit sehr stark, wie viel Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt aus erneuerbaren Quellen bereitgestellt werden kann. Neben der Anpassung der Nachfrage ist die naheliegende Lösung, den Strom zu speichern, sodass zum Beispiel die bei Tag photovoltaisch gewonnene, überschüssige Sonnenenergie in der Nacht verwendet werden kann. 

Über kurz oder lang verfügbar 

Energiespeicher lassen sich anhand der Speicherdauer in Kurzzeit- und Langzeitspeicher unterteilen. Dies ermöglicht den Ausgleich von sehr unterschiedlichen Schwankungsmustern. Photovoltaik schwankt im Tages­rhythmus zwischen Maximum und Minimum; bei anderen Erneuerbaren können sich Flauten und produktionsstarke Perioden über Wochen und Monate hinziehen. Der Verbrauch hat sein eigenes Auf und Ab. Je nach betrachteter Zeitskala kommen verschiedene Technologien zum Einsatz. Typische Speicherdauern: 

  • Subsekundenbereich bis zu wenigen Minuten (für unterbruchsfreie Stromversorgung von elektrischen Anlagen und elektronischen Geräten)
  • Stunden bis zu einem Tag
  • mehrere Tage
  • eine bis zwei Wochen
  • saisonaler Ausgleich

Kurzzeitspeicher besitzen einen hohen Speicherwirkungsgrad – annähernd so viel Strom, wie gespeichert wurde, steht auch wieder zur Verfügung – und weisen hohe Zyklenzahlen auf. Die Zyklenzahl gibt an, wie oft ein Speicher bis zum Verschleiss be- und entladen werden kann. Diese Speicher decken Zeiträume von Sekundenbruchteilen bis zu einem Tag ab. Sekundenspeicher sind u. a. Schwungrad, Kondensator und supraleitende magnetische Energiespeicher (also Spulen). Der bekannteste Vertreter der Minuten- bis Tagesspeicher ist der Akkumulator (vgl. «Der Speicher im Haus»). Als Stunden- bis Tagesspeicher kommen Pumpspeicher und Druckluftspeicherkraftwerke zum Einsatz. 

Langzeitspeicher haben geringere Speicherwirkungsgrade – somit höhere Verluste – und niedrigere Zyklenzahlen. Dafür können sie Energie über Tage bis Jahre und in wesentlich höherer Menge speichern. Zu ihnen zählen Gas, Brenn- und Kraftstoffe (vgl. «Der Photosynthese auf der Spur») sowie Pumpspeicherkraftwerke (vgl. «Bei Bedarf auf oder ab»). Für den Gebäudepark Schweiz sind die etwas längerfristigen Speichertechnologien relevant, teils in Kombination mit dezent­raler Energieversorgung von Einzelobjekten, teils für die zentrale Versorgung ganzer Gebiete. 

Strom direkt als elektrische Energie zu speichern funktioniert, indem er in einem Kondensator ein elektrisches Feld oder in einer Spule ein Magnetfeld erzeugt; daraus wird in der Folge wieder ein elektrischer Fluss angeregt. Beim Kondensator liegt die typische Speicherdauer im Sekundenbereich, und die Leistung ist auf wenige kW beschränkt. Spulen werden nur kurzfristig eingesetzt, weil ihre Kühlung viel Energie benötigt, was bei längeren Zeiträumen die Energiespeicherung ad absurdum führen würde. Nützlich sind diese beiden Technologien zum Glätten von plötzlichen Spannungsspitzen, zum Beispiel bei einem Blitzeinschlag, die Geräteschaden verursachen könnten. Für grössere und längerfristige Anwendungen eignet sich die direkte Speicherung nicht. 

Die Umwandlung in andere Energieformen erweitert den Zeitraum, in dem wieder Strom gewonnen werden kann. Allerdings entstehen bei der Umwandlung immer Verluste. Weiter sinkt der Wirkungsgrad durch Selbstentladung. Ein Schwungrad beispielsweise, das durch Strom in Bewegung versetzt wird und diesen somit als kinetische Energie speichert, wird durch Reibungswiderstände langsamer und kann zunehmend weniger Energie zurückliefern. Mit der Selbstentladung sieht es besser aus, wenn der Strom in potenzielle oder chemische Energie umgewandelt wird. Potenzielle Energie findet man etwa in Speicherseen. Das mit Überschussstrom in den See gepumpte Wasser ist dort konstanter gespeichert als die Bewegungsenergie im Schwungrad. Es hat das Potenzial, mechanisch Energie zu erzeugen, indem Schleusen geöffnet werden, wonach es zu Turbinen fliesst und diese antreibt. 

Als elektrochemische Speicher definiert sind Batterien und Akkumulatoren. Nutzt man die zu speichernde elektrische Energie für eine umkehrbare chemische Reaktion, erhält man Brennstoffe wie Methan, aus denen Monate bis Jahre später wieder Energie gewonnen werden kann. Man spricht dann von einem stofflichen chemischen Speicher. 

Langzeitspeicher gleichen nicht nur Angebot und Nachfrage aus. Sie haben auch den wirtschaftlichen Vorteil, dass ihre Betreiber Strom kaufen können, wenn er gerade am Preisminimum ist, um ihn später zu einem höheren Preis wieder zu verkaufen.


Frequenzregelung

Zuständig für die Frequenzregelung des Stromnetzes im europäischen Verbundsystem sind die jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber. Für die Schweiz ist das swissgrid. Zur Sicherstellung der Frequenz von 50 Hz ±0.2 Hz werden verschiedene Regelungen angewandt, die sich in der Geschwindigkeit ihres Eingreifens und der Dauer ihres Einsatzes unterscheiden:

  • Primärregelung (Sekundenreserve): Sie wird vorwiegend von Grosskraftwerken wahrgenommen, die die Netz­frequenz messen und innerhalb von 30 s ihre Leistung bei Bedarf anpassen.
  • Sekundärregelung: Sie hat maximal 15 min Zeit einzugreifen und geschieht auf Ebene der Übertragungsnetze. Vor allem ausgewählte Speicherwasserkraftwerke stehen hierfür zur Verfügung.
  • Tertiärregelung (Minutenreserve): Nach 15 min greift diese ein. Vor allem Pumpspeicher-, aber auch thermische Kraftwerke kommen hierbei zum Einsatz.

Weitere Infos:
www.energie-lexikon.info
www.swissgrid.ch

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