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Pumpspeicher – Stromspeicher Grösse XL

Moderne Maschinentechnik erschliesst neue Möglichkeiten für ­Pumpspeicherwerke. So kann die indirekte Stromspeicherung auch ­zukünftig einen wichtigen Platz auf dem Energiemarkt einnehmen.

Publikationsdatum
07-04-2017
Revision
07-04-2017

Ein Pumpspeicherkraftwerk benutzt Strom, um mit leistungsfähigen Pumpen Wasser von einer tieferen Lage auf eine höheres Niveau zu befördern. Üblicherweise geschieht dies zwischen zwei Stauseen, es ist aber auch möglich, Flusswasser oder Wasser aus natürlichen Seen in höher gelegene Becken zu pumpen. Das hochgepumpte Wasser besitzt aufgrund seiner neuen Höhenlage eine grössere potenzielle Energie, auch Lageenergie genannt. Diese Energie kann man wieder in Strom verwandeln, indem man das Wasser bei Bedarf durch Druckleitungen abwärts fliessen lässt und damit Turbinen antreibt.

Aufgrund von Verlusten beim Pump- und anschliessenden Turbinenbetrieb kann die beim Hinaufbefördern aufgenommene Energie nur zum Teil wieder an das Netz zurückgegeben werden. Verluste von etwa 20 % sind üblich. Die Energiebilanz eines Pumpspeicherkraftwerks fällt also immer negativ aus – das trifft aber auch auf alle anderen Stromspeichermedien zu. Derzeit gelten Pumpspeicher als einzige wirtschaftliche Möglichkeit, elektrische Energie im grossen Stil zu speichern.

Überschuss nach oben

In der Vergangenheit machten Pumpspeicher in erster Linie deshalb Sinn, weil sie überschüssige Energie aus Grundlastkraftwerken speichern konnten. Laufwasser- und Kernkraftwerke, die vorwiegend der Erzeugung der Grundlast dienen, müssen für eine wirtschaftliche Betriebsweise möglichst gleichmässig in ihrem jeweils optimalen Betriebszustand gefahren werden. Dadurch erzeugen sie rund um die Uhr Strom auf einem annähernd konstanten Niveau. Strom wird jedoch nicht gleichmässig benötigt. Oft klafft eine Lücke zwischen Stromangebot und -nachfrage. Im schlechtesten Fall wird zu Spitzenzeiten mehr Strom benötigt, als gleichzeitig erzeugt wird und im Netz vorhanden ist. Dies könnte zu einem Netzzusammenbruch, einem Blackout, führen.

Nun bestünde theoretisch die Möglichkeit, die Grundlast durch den Bau zahlreicher Kraftwerke so weit zu erhöhen, dass auch alle Spitzenlasten abgedeckt wären. Wirtschaftlich und umwelttechnisch wäre dies jedoch nicht sinnvoll, denn zugleich erhöhten sich auch die überschüssigen Energien in Zeiten ge­ringerer Nachfrage. Pumpspeicher können auf dieses Dilemma der Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage reagieren. Mit Überschussstrom aus Grundlastkraftwerken, vorwiegend nachts erzeugt, werden die oberen Speicherbecken vollgepumpt. Zu Spitzenzeiten, beispielsweise mittags, wenn die Elektroherde angehen, kann dieses Wasser wieder in Strom umgewandelt ­werden. Ein lukratives, über Jahrzehnte gut eingespieltes Geschäft. Eine Reduzierung thermischer Kernkraftwerke in Europa im Zug der angestrebten Energiewenden führt zwangsläufig zu einem geringeren Angebot an billigem überschüssigem Grundlaststrom. Hinzu kommt, dass Solar- und Windkraftwerke oftmals die meiste Energie zu Spitzenstromzeiten liefern. Dies schränkt den klassischen Markt für Pumpspeicher ein.

Um Ausgleich bemüht

Ein rückläufiger Markt, und doch setzen die Verkäufer, in diesem Fall die Energiekonzerne, mit neuen oder grösser ausgebauten Pumpspeichern auf Expansion? Einen Grund für den Aufwind der Pumpspeicherung liefern Wind und Sonne. Die zeitlich ungleichmässige Verfügbarkeit der nicht fossilen Energieträger hat Konsequenzen. Zum einen fällt Überschussstrom unregelmässiger an – auch zu eigentlichen Spitzenzeiten ist ein Überangebot an Strom durchaus möglich. Zum anderen wird die Netzregelung noch komplexer werden. Pumpspeicherkraftwerke können immense Energiemengen verarbeiten bzw. zur Verfügung stellen und so das Netz ausgleichen – wenn sie darauf vorbereitet sind.

Alles eine Frage der Zeit

Das europäische Stromnetz hat eine Standardfrequenz von 50 Hertz. Wird zu wenig Strom verbraucht, steigt die Frequenz, wird mehr Strom bezogen, als gerade generiert wird, sinkt sie ab. Bei einer zu starken Ab­weichung (≥ 0.2 Hz) drohen Schäden an elektrischen Maschinen oder gar ein Netzzusammenbruch. Folglich müssen Netzregelungen sehr schnell vor sich gehen. Sehr schnell bedeutet in diesem Zusammenhang ­zwischen 30 Sekunden bei einer Primärregelung und 15 Minuten bei einer Tertiärregelung (vgl. «Frequenzregelung», Kasten unten).

Die eingebaute Technik setzt älteren Pumpspeichern bei der Netzregelung Grenzen. Ausgestattet mit Synchronmaschinen können sie im Pumpbetrieb nur bedingt zur Netzregelung beitragen. Synchronmaschinen haben, abhängig von der eingebauten Polanzahl, eine der Netzfrequenz entsprechende Drehzahl. Da das Stromnetz 50 Schwingungen pro Sekunde aufweist – 1 Hertz entspricht einer Schwingung pro Sekunde – dreht sich eine zweipolige Maschine, die als Generator oder Motor verwendet wird, folglich 50 Mal pro Sekunde respektive 3000 Mal pro Minute. Sie läuft synchron mit dem Stromnetz. Bei Einsatz mehrpoliger Synchron­maschinen reduziert sich die Umdrehungszahl zwar, das Verhältnis zur Frequenz des Stromnetz bleibt jedoch starr. Auf den Pumpbetrieb hat dies gravierende Auswirkungen. Eine Synchronmaschine ist, als Pumpe verwendet, nicht regelbar; man kann sie nur an- oder ausschalten. Ist nun Überschussleistung im Netz vorhanden, die geringer als die Pumpenleistung ist, lässt sich die Pumpe nicht verwenden. Für eine Netzregelung mit Synchronmaschinen im alleinigen Pumpbetrieb müsste daher eine Unzahl von Pumpen unterschiedlicher Leistung bereitstehen. Technisch und wirtschaftlich lässt sich das nicht realisieren.

Moderne Pumpspeicherwerke umgehen dieses Dilemma der Synchronmaschine auf verschiedene Arten. Sie werden somit nicht nur bei Turbinenbetrieb, sondern auch bei Pumpbetrieb für die Netz­regelung interessant und füllen dabei gleichzeitig ihre Wasserreservoire für die Spitzenstromerzeugung auf.

Kurzschluss, Asynchron, Vollumrichter

Das Kopswerk II in Vorarlberg hat eine Leistung von 480 MW im Pumpbetrieb und ist seit 2008 am Netz. Trotz Ausrüstung mit drei Synchronmaschinen kann es zur Netzstabilisierung beitragen. Der Trick dabei ist die Anwendung eines hydraulischen Kurzschlusses. Die Turbine ist in Kops II von der Pumpe getrennt. Die beiden einzelnen Bauteile haben je einen eigenen Wasserstrang. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Turbine und die Pumpe gleichzeitig zu betreiben. Bei einem Leistungsüberschuss im Stromnetz, der unter der ­Pumpenleistung liegt, stellt die Turbine die noch zusätzlich be­nötigte Strommenge zur Verfügung. Die dem überschüssigen Netzstrom entsprechende Wassermenge landet letztlich im oberen Speicherbecken und steht zur Strom­erzeugung bereit.

Die 2017 und voraussichtlich 2018 in Betrieb gehenden Pumpspeicherwerke Limmern GL (vgl. TEC21 19/2017, erscheint am 12. 5. 2017, und TEC21 46/2012) und Nant de Drance VS (vgl. TRACÉS 03/2017) sind mit 1000 und 900 MW Pumpleistung Giganten ihrer Art. Sie setzen auf den Einsatz von Pumpturbinen und Asynchronmaschinen. Bei Pumpturbinen handelt es sich nicht um zwei getrennte Bauteile. Die Turbine ist gleichzeitig die Pumpe, je nachdem, in welche Richtung das Wasser fliessen soll. Eine Pumpturbine benötigt daher nur einen Wasserstrang. Die Drehzahl des Asynchrongenerators, der als Motor verwendet auch die Pumpe antreibt, kann innerhalb bestimmter Frequenzen geregelt werden. Asynchronmaschinen können somit die Pumpleistung der Netzüberschussleistung anpassen. Die Pumpe wird nicht nur an- oder ausgeschaltet, ihr Einsatz ist bei angepasster Leistung öfters möglich.

Ein anderes Konzept ist im Kraftwerk Grimsel 2 umgesetzt. Eine der vier bereits vor­han­denen Synchronmaschinen mit je einer Pump­leistung von 90 MW wurde 2013 durch einen Frequenz­umrichter ergänzt. Der 100-MW-Vollumrichter ist der grösste in einem Wasserkraftwerk verbaute weltweit. Die Synchronmaschine kann nun – auch ohne einen hydraulischen Kurzschluss wie beim Kopswerk II – Wasser entsprechend dem Stromangebot pumpen. Ein vielversprechender Vorteil des Einsatzes eines Frequenzumrichters liegt auf der Hand: Bereits installierte Synchronmaschinen können beibehalten werden, sofern genügend Platz für den Umrichter vorhanden ist oder in den oftmals engen Kavernen geschaffen wird. Dies bietet interessante Möglichkeiten zur Aufrüstung bestehender Anlagen.

Auf Hochtouren weiterpumpen

Die Pumpspeicherung passt sich derzeit den veränderten Bedingungen in der Stromlandschaft an. Sie wird weiterhin ihr altes Marktfeld der Spitzenstromerzeugung abdecken können, sogar mit einem ökologischen Vorteil: Der Strom, der für das Pumpen des Wassers  aufgewendet wird, wird zukünftig vermehrt aus regenerativen Energiequellen stammen. In der Netzregelung wird die Pumpspeicherung einen noch wichtigeren Platz als bisher einnehmen können. 

Den grossen Maschinen in den Pumpspeicherwerken könnte hierbei künftig noch eine weitere Rolle zufallen. Die Reduzierung konventioneller Kraftwerke zieht einen Verlust von Rotationsenergie aus Genera­toren nach sich. Diese wird bei einem Leistungsüberschuss aus elektrischer Energie erzeugt und im Fall eines Leistungsdefizits in elektrische Energie über­geführt. Die so entstehende Momentanreserve stützt die Frequenz und stabilisiert das Netz. Je weniger ­Rota­tionsenergie am Stromnetz vorhanden ist, desto ­schneller wirken sich Störungen auf die Frequenz aus. Dies kann negative Einflüsse auf die verfügbare Reaktionszeit bei der Netzregelung nach sich ziehen. Falls ein solches Szenario eintritt, wird es notwendig sein, das Stromnetz schneller als bisher und öfters zu stabilisieren. Die grossen Massen der regelbaren Generatoren in den Pumpspeicherwerken wären hierfür geeignet: Durch Abbremsen auf eine niedrigere Umdrehungsgeschwindigkeit sind sie in der Lage, in Bruchteilen von Sekunden dem Netz Energie zur Verfügung zu stellen und dadurch zu einer extrem schnellen Stabilisierung beizutragen. Die Zukunft wird es zeigen.


Frequenzregelung

Zuständig für die Frequenzregelung des Stromnetzes im europäischen Verbundsystem sind die jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber. Für die Schweiz ist das swissgrid. Zur Sicherstellung der Frequenz von 50 Hz ±0.2 Hz werden verschiedene Regelungen angewandt, die sich in der Geschwindigkeit ihres Eingreifens und der Dauer ihres Einsatzes unterscheiden:

  • Primärregelung (Sekundenreserve): Sie wird vorwiegend von Grosskraftwerken wahrgenommen, die die Netz­frequenz messen und innerhalb von 30 s ihre Leistung bei Bedarf anpassen.
  • Sekundärregelung: Sie hat maximal 15 min Zeit einzugreifen und geschieht auf Ebene der Übertragungsnetze. Vor allem ausgewählte Speicherwasserkraftwerke stehen hierfür zur Verfügung.
  • Tertiärregelung (Minutenreserve): Nach 15 min greift diese ein. Vor allem Pumpspeicher-, aber auch thermische Kraftwerke kommen hierbei zum Einsatz.

Weitere Infos:
www.energie-lexikon.info
www.swissgrid.ch

Weitere Infos
 

Bauherrschaften
 

Kopswerk II
Vorarlberger Illwerke, Bregenz


Limmern
Kraftwerke Linth Limmern c/o Axpo Power, Baden


Nant de Drance
Nant de Drance, Finhaut VS


Grimsel 2
Kraftwerke Oberhasli, Innertkirchen

 

Maschinelle Ausrüstung
 

Kopswerk II
Andritz Hydro, Graz
Voith Hydro, Heidenheim (D)
 

Limmern
Alstom (Hydro) Schweiz
ABB Schweiz
 

Nant de Drance
Alstom Schweiz
ABB Schweiz
 

Grimsel 2
ABB Schweiz
(Frequenzumrichter)

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