Der Pho­to­syn­the­se auf der Spur

Power to Gas – Stromspeicher Grösse M

Die Kohlenstoffchemie dominiert das Energiesystem, doch das Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas ist schuld am Treibhauseffekt. Wasserstoff ist die klimaschonendere Brennstoffalternative. Das flüchtige Gas bietet sich zusätzlich zur Stromspeicherung an.

Publikationsdatum
07-04-2017
Revision
07-04-2017

Die Elektrolyse ist der Anfang der natürlichen Photosynthese, gehört zum Chemie-Lernstoff auf Stufe Mittelgymnasium und wird bald für das Curriculum von Gebäudeplanern unverzichtbar. Die dazu erforderlichen Apparaturen und Tanks stehen nicht nur in Hochschullabors, sondern bereits auch im Untergeschoss der ersten Kraftwerkhäuser der Schweiz. Im Prinzip verwandelt sich dadurch Wasser in flüchtige Gase.

Konkret bringt Überschussstrom, beispielsweise aus einer Photovoltaik­anlage, diesen chemischen Prozess zum Laufen: Das H2O-Molekül wird mit sehr viel elektrischer Energie in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Letzterer darf unbedenklich entweichen; Ersterer lässt sich demgegenüber mit grossem Volumen und über längere Zeit relativ einfach speichern. Und bei Bedarf wird dieser Wasserstoff durch eine Brennstoffzelle gejagt, was Strom, Wärme und Wasser erzeugt. Das Elektrolyse-Brennstoffzelle-Duo ist deshalb Kernelement der noch jungen Power-to-Gas-Technologie und Hoffnungsträger für die emissionsarme Energiezukunft.

In Brütten bei Winterthur (vgl. «Egoist», TEC21 7–8/2017) und in Küsnacht, Vor­ort von Zürich, steht jeweils ein kleiner Elektrolyseur im Hauskeller; in der Aarmatt, direkt neben dem Bahnhof Solothurn, wird jedoch der grösste der Schweiz mit einer Leistung von 350 kW betrieben. Das «Hybridwerk» sprengt den gebäudebezogenen Rahmen; die Wasserstoffspeicher sind direkt in das öffentliche Stromnetz integriert. Letzten Sommer begann die Testphase; diverse Hochschulen begleiten das Pilotprojekt des städtischen Energieversorgers, das von EU-Forschungsgeldern profitiert. Während die Wasserstoffspeicherung in Deutschland an sieben Standorten mit Grossanlagen praxisnah erprobt wird, hat das Paul-Scherrer-Institut in Villigen AG nun eine weitere P-t-G-Versuchsplattform installiert.

Speicher wird zum Energierelais 

«Power to Gas» ist aber nicht nur ein reversibles Speicherprinzip, sondern erlaubt auch eine erweiterbare Energienutzung. Der gespeicherte Wasserstoff ist als Energieträger für die Strom- und Wärmeproduktion verwendbar und steht als Treibstoffersatz für Personenwagen oder Busse zur Verfügung. Diese Relaisfunktion kann ausgebaut werden, wenn Strom in Methan umgewandelt und gespeichert wird. Auch diese Umwandlung startet mit einem Elektrolyseprozess, wobei das Wasserstoffspaltprodukt mit Kohlendioxid zu synthetischem Methan weiterreagiert. Weil diese Reaktion selbst viel Energie konsumiert, wird im Hybridwerk Aarmatt eine biochemische Alternative erforscht. Der algenähnliche Organismus Archea methanisiert H2 und CO2 bei geringerem Energieaufwand. 

Vorstellbar ist ein alternatives Verfahren, bei dem das CO2 aus den Abgasen von Heizungsanlagen oder aus der Umgebungsluft gewonnen werden könnte. Gemäss Peter Jahnson, Projektleiter der PSI-Plattform, ist dies jedoch selbst bei dezentralen Anwendungen im Gebäudepark kaum ökonomisch vertretbar. Zudem würde mehr Energie verloren gehen. Kann der Elektrolyse/Brennstoffzelle-Zyklus zumindest die Hälfte des gespeicherten Stroms wieder nutzbar machen, sinkt dieser Anteil bei zusätzlicher Methanisierung unter 40 %. Der Forschungsbedarf liegt genau darin, die Effizienz der Power-to-Gas-Speicherung zu verbessern. Das Paul-Scherrer-Institut entwickelte deshalb ein Brennstoffzellenmodul mit Wirkungsgrad von 70 % bei der Wiederverstromung von Wasserstoff. Konventionelle Modelle erreichen nur 60 %. 

Elektrolyse mit weniger Energiebedarf?

Auch die Elektrolyse ist energieintensiv. Während die Pflanzen dazu das Sonnenlicht nutzen, gilt es im in­dustriell ausgereiften Imitationsverfahren bewährte Details weiter zu verbessern. Erforscht werden unter anderem Materialien und Milieus, die bei geringerer Stromstärke Wasser aufspalten können. Die aktuellste Errungenschaft sind selektive Membranen, die Was­ser­stoff und Sauerstoff trennen. Polymer-Elek­tro­lyt-Membran-Elektrolyseure eignen sich für den Einsatz in einem schnell und stark fluktuierenden Stromnetz. Allerdings sind die Filtermembranen anfällig für hohen Druck, was die Anlagengrösse bislang limitiert. 

Die PSI-Plattform in Villigen bietet zusätzliche Optionen zur Erforschung von Power-to-Gas-Speichern in jeweils variablen Betriebszuständen. Das prompte Reagieren auf unterschiedliche Spannungen im Stromnetz ist eine zentrale Anforderung: «Änderungen in der Stromlast innert Millisekunden» zählen gemäss Jansohn zu den erwünschten Versuchskonstellationen. Die unterschiedlichen Einzelkomponenten wie Elektro­lyseur und Druckspeichertanks werden jeweils als Teil eines erweiterbaren Gesamtsystems überprüft.

Die Erfahrungen aus den deutschen Demonstrationsanlagen, die teilweise drei und mehr Jahre laufen, stimmen jedoch positiv. Gemäss einer Analyse der deutschen Energieagentur hat sich die technische Machbarkeit mehrheitlich bestätigt. Auch die Betriebssicherheit von Wasserstoffanlagen wurde verbessert.

Der Hauptantrieb für die Umwandlung von Strom zu Gas ist in Deutschland weniger der Gebäudebereich als vielmehr die emissionsarme Mobilität. Die grossen Autokonzerne beteiligen sich an den aktuellen Versuchsanlagen. Nicht nur Architekten, auch Automobilisten werden sich also mit dem Prinzip der Elek­trolyse inskünftig beschäftigen müssen.

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