Der Spei­cher im Haus

Batteriespeicher – Stromspeicher Grösse S

Batterien sind nicht nur etwas für den Radiowecker oder die Fernbedienung. Mit grösseren Modellen lassen sich – zumindest teilweise – auch Häuser betreiben. Das zeigt das Beispiel eines Mehrfamilienhauses im luzernischen Aesch.

Publikationsdatum
07-04-2017
Revision
07-04-2017

Es ist eine Krux: Das Angebot an erneuerbaren Energien wie Solar- oder Windstrom schwankt ständig – und das sowohl tageszeitlich als auch saisonal. Dazu kommen die Nutzerinnen und Nutzer, die ihren Energieverbrauch naturgemäss auch nicht gleichmässig über 24 Stunden und das ganze Jahr verteilen. 

Ausgleich schaffen hier Kurzzeitspeicher wie Akkumulatoren, die allgemein gebräuchlich – wenn auch technisch nicht korrekt – synonym Batterien genannt werden. «Echte» Batterien dienen dem einmaligen Gebrauch, Akkumulatoren sind mehrfach wiederaufladbar. Im Gegensatz zu Pumpspeicherkraftwerken (vgl. «Bei Bedarf auf oder ab») mit Leistungen über 1000 MW bewegt sich das Spektrum von Batterien im Bereich von einigen Kilowatt (einzelne Batterien für Elektroautos oder als Photovoltaikspeicher in Gebäuden) bis in den zweistelligen Megawattbereich für Batteriespeicherkraftwerke.

Im Wohnbereich gilt die Faustformel: Pro 1000 kWh/a Verbrauch benötigt man ca. 1 kWp Photovoltaik und 1 kW Speicher, um den Eigenversorgungsgrad durch die PV-Anlage auf sinnvolle 60–80 % zu erhöhen. So muss weniger Strom zugekauft werden, und weniger Überschuss gelangt ins Netz. Die Anlagen sind auf diese Weise nicht überdimensioniert, der finanzielle Aufwand für den Bau und die Ersparnisse im Betrieb halten sich die Waage. 

Batterien im Gebäudebereich funktionieren wie jene für Elektroautos oder Wohnwagen. Teilweise erhalten sogar alte Fahrzeugbatterien durch den Einbau in ­Gebäude ein zweites Leben. Die meisten Batteriesysteme bieten neben der Speichermöglichkeit zusätzliche ­Energiemanagementfunktionen. Damit lassen sich Verbrauchsgeräte bei Energieüberschuss zuschalten, immer mit dem Ziel, möglichst viel des eigenen Solarstroms auch selber zu nutzen. Plug-and-play-Konfigurationen sind eingestellt auf Batterieladung während der Hauptproduktionszeit und auf Batterienutzung zu Zeiten, in denen Strom üblicherweise teuer ist. 

Alt, doch immer wieder neu

Nach über 150 Jahren am Markt befinden sich Blei­akkumulatoren auf dem Rückzug. Sie fungieren noch immer als Starterbatterien für Kraftfahrzeuge, bei Elektrofahrzeugen wurden sie aber wegen ihres hohen Gewichts und ihrer geringen Energiedichte bereits von Lithium-Ionen-Akkumulatoren verdrängt. 

Genau diese sind es auch, die in Gebäuden und grossen Batteriespeicherkraftwerken eingesetzt werden. Es gibt sie in Kombination mit verschiedenen Elektrodenmaterialien, die alle in unterschiedlichen Bereichen punkten. So ist Lithiumtitanat beispielsweise für tiefe Temperaturbereiche ab – 40 °C besonders geeignet. Das Grundprinzip ist immer gleich: Beim Laden wandern Lithiumionen von der positiven Elektrode in die Schichten der negativen, beim Entladen bewegen sie sich wieder zurück. Dieser Prozess kann nicht unendlich oft wiederholt werden und beschränkt damit die Lebensdauer des Akkumulators. 

Aktuell gibt es zahlreiche Forschungsprogramme, die sich mit anderen Materialkombinationen befassen – so könnten etwa Thermalbatterien, die Salze als Elektrolyte verwenden, die Energieträger der näheren Zukunft werden.

Camouflage an der Fassade

Eine Kombination von Photovoltaikanlage und Lithium-Ionen-Akkumulatoren besitzt das 2016 fertiggestellte Mehrfamilienhaus Chrüzmatte im Dorfzentrum von Aesch am Hallwilersee. Der Hybridbau aus Holz und Beton des Luzerner Architekten Mark Röösli erfüllt den Minergie-A-Eco-Standard und wurde 2016 mit einem Schweizer Solarpreis-Diplom ausgezeichnet. Er steht auf einem Sockel, der das abfallende Grundstück nivelliert und die Einstellhalle mit 21Parkplätzen beherbergt. Drei Geschosse enthalten acht Zwei- bis Vierzimmerwohnungen, das ausgebaute Dach bietet Platz für zwei Maisonettewohnungen mit je fünfeinhalb Zimmern.

Um ein homogenes Dachbild zu erhalten, ­wurden beide Seiten des Satteldachs vollflächig mit Photovoltaikmodulen gedeckt, mit einer Leistung von insgesamt 51 kWp. Erstaunlich dabei war für die Beteiligten, dass das nach Norden orientierte Dach trotz der relativ starken Neigung von 45° einen substanziellen Teil des Stromertrags liefert, nämlich mehr als die Hälfte von jenem des südlichen Dachs. Gegen Osten, Süden und Norden hat das Haus eine silbergraue Fassade aus Lärchenholz. Speziell ist die Westfassade mit auf Mass gefertigten 204 × 232 cm grossen 11 kWp Glas-Glas-PV-Modulen. Diese wurden im Werk laminiert, um die Holzlattenstruktur zu imitieren. Wegen des Siebdruck-Ätztons gelangt etwas weniger Licht durch die Glasplatten; die Anlage liefert 5 % weniger Strom. 

Jährlich produziert die 74 m2 grosse PV-Fassade rund 6500 kWh, die 276 m2 grosse Anlage auf dem Dach rund 39 400 kWh Solarstrom. Damit deckt die Solarenergie rechnerisch rund 50 % des Gesamtenergiebedarfs des Zehnfamilienhauses – dank der 22–35 cm starken Dämmung, der LED-Beleuchtung und der ­Nutzung energieeffizienter Geräte liegt dieser bei nur 91 300 kWh/a. 

Teile und speichere

Um mit den voraussichtlich produzierten rund 45 800 kWh Strom nicht das örtliche Stromnetz zu belasten, sondern ihn möglichst selber zu nutzen, bildete man mit dem benachbarten Gasthof Kreuz eine Eigenverbrauchsgemeinschaft. So konsumiert das Gasthofgebäude jetzt ebenfalls den tagsüber produzierten ­Solarstrom. Drei als Lithium-Ionen-Akkumulatoren ausgeführte Batteriespeicher mit einer Kapazität von insgesamt 41 kWh ergänzen die Anlage. Sie speichern den weiterhin anfallenden Energieüberschuss für den Verbrauch in der Nacht. Schätzungen zufolge können so mindestens 50 % des gesamten produzierten Stroms vor Ort selber direkt oder nach Zwischenspeicherung in der Batterie gebraucht werden. Die andere Hälfte wird in das Netz eingespeist. 

Der bewusste Umgang mit den Ressourcen zieht sich durch die gesamte Planung: So können die Mieterinnen und Mieter ein liegenschaftseigenes Elektro­auto nutzen, und um die Motivation zum bewussten Umgang mit Energie zu stärken, schenkt die Eigentümerin jedem und jeder Erwachsenen pro Jahr 1000 kWh Solarstrom. Bei sparsamem Umgang kann das schon ein Drittel des Verbrauchs ausmachen. Die drei Batteriespeicher leisten ihr Übriges zum schmalen ökologischen Fussabdruck.

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
KMS Management, Kriens


Architektur
Mark Röösli, Luzern


Tragwerksplanung
Raymond Noirjean, Luzern


HLKS-Planung
Stalder & Felber Planungs AG


Energieplanung
Werkstatt Architektur Energie, Hedingen


Photovoltaik
Ernst Schweizer AG
Ertex Solartechnik GmbH
Windgate

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