Alles, was recht ist
Im beruflichen Alltag schlagen die meisten Planerinnen und Planer einen möglichst grossen Bogen um juristische Fragestellungen. Besonders deutlich zeigt sich das im Immaterialgüterrecht, dessen Rechtsprechung sich bislang nur vereinzelt mit Werken der Baukunst zu befassen hatte. Wie steht es um diesen weissen Fleck?
Es lässt sich kaum bestreiten, dass sich Juristen und Ingenieure oder Architekten zu Lebzeiten für gewöhnlich in unterschiedlichen Welten bewegen. Treffen sie aufeinander, sind meist unliebsame Umstände dafür verantwortlich. Die häufigste Begegnungszone ist das Baurecht. Doch es gibt noch weitere Rechtsgebiete, die zwar bedeutend für die tägliche Arbeit von Architekten und Ingenieuren sind, aber nur selten konsultiert werden. Zum Beispiel das Immaterialgüterrecht, das an einem geistigen Gut besteht – also einem Plan, einer Skizze, einem Modell, einer Visualisierung, aber auch an einem Bauwerk; ein damit verbundenes Rechtsgebiet ist das Lauterkeitsrecht.
Die absoluten Rechte, die diese Rechtsmaterien erwirken, werden in der Planungsbranche nur selten in Anspruch genommen, und dementsprechend rar ist die Rechtsprechung auf diesem Gebiet. Dennoch finden sich ausgewiesene Juristen, die sich mit dem geistigen Eigentum der Planenden befassen. Einen guten Überblick über dieses Thema bietet ein Beitrag von Claude Schluep und Sibylle Wenger Berger in der Publikation «Planerverträge – Verträge mit Architekten und Ingenieuren»1, aus dem die folgende Zusammenfassung unter Beizug der Autoren entstand.
Ein Recht mit einer Vielzahl an Gesetzen
Das Immaterialgüterrecht als Rechtsgebiet umfasst mehrere Gesetze. Dazu gehören das Patent-, Design-, Marken- und Urheberrecht. Die Marke, das Patent und das Design entstehen durch einen Eintrag im Register des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum. Das Urheberrecht entsteht mit der Schöpfung des Werks und nimmt für Arbeiten von Planenden einen bedeutenden Stellenwert ein.
Das Urheberrechtsgesetz (URG; SR 231.1) schützt unter anderem die Rechte der Urheber und Urheberinnen von Werken der Literatur und Kunst. Als Werke anerkennt es explizit auch geistige Schöpfungen der Baukunst, solche mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt (Zeichnungen, Pläne, Karten oder plastische Darstellungen) und solche der bildenden Kunst. Voraussetzung für die Schutzfähigkeit ist, dass die Werke einen individuellen Charakter haben.
Urheberrecht: Was ist geschützt?
Als Werke der Baukunst gelten in der Praxis sowohl Hoch- als auch Tiefbauten – unabhängig von ihrer Grösse und davon, wer sie schuf. Auch Parkanlagen, Gärten oder die Ausstattung von Innenräumen werden hierzu gezählt, ebenso einheitliche Gruppen von Bauten oder Anlagen. Wichtig dabei ist, dass nicht erst das fertig umgesetzte Werk geschützt ist, sondern auch schon die konkreten Pläne, Zeichnungen, Skizzen oder plastischen Modelle dazu. Aus diesem Schutzcharakter heraus gilt somit jedes sinnlich wahrnehmbare Werk – sei es eine Zeichnung oder eine plastische Darstellung – als Originalwerk und jede plangemässe Ausführung als Vervielfältigung davon. Beide, also sowohl das Originalwerk wie auch die Vervielfältigung, geniessen Urheberrechtsschutz.
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Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt bilden gemäss Gesetz eine eigene Werkkategorie. Damit ist eine technisch gestaltete Schöpfung geschützt, wenn sie die geforderte Individualität aufweist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn für eine Zeichnung eine besondere Technik zum Einsatz kam oder für ein Modell besondere Materialien verwendet wurden. Hat das damit dargestellte Bauwerk zusätzlich individuellen Charakter, ergibt sich daraus gewissermassen ein doppelter Schutz.
Alle Bauten, die keinen unmittelbaren Gebrauchszweck haben – wie etwa Monumente oder kunstvolle Brunnen –, zählen zu den Werken der bildenden Kunst. Massgebend zur Unterscheidung gegenüber Werken der Baukunst ist die Zweckbestimmung.
Schliesslich schützt das URG auch Entwürfe und Teile von Werken, sofern es sich um geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt. So beispielsweise einmalige Bauteile (Dächer, Fassaden o. Ä.) oder individuell gestaltete Elemente. In der Praxis kommt dieser Schutz allerdings nur selten zum Zug, da solche Werke die genannten Anforderungen kaum je erfüllen.
Apropos: Der individuelle Charakter ergibt sich aus der Werkindividualität – sprich der statistischen Einmaligkeit eines Werks – und erfordert keine persönliche Prägung seines Schöpfers. Was simpel klingt, lässt sich im Einzelfall häufig nur durch eine fachliche Einschätzung klären. Ein Planer muss zur Erreichung der Werkindividualität zwar nicht etwas absolut Neues schaffen, jedoch sind die Anforderungen an die Individualität bei ähnlichen, bereits bestehenden Bauten entsprechend höher. Letztlich hängt im Planungswesen die Individualität auch mit der Gestaltungsfreiheit des Schöpfers zusammen. Diese ist allerdings oft eingeschränkt, weil sich die Planenden beispielsweise an bau- und planungsrechtliche Vorgaben, funktionale Anforderungen oder Regeln der Technik halten müssen.
Prinzipiell stellt die Rechtsprechung daher im Planungswesen keine allzu grossen Anforderungen an die Individualität – sie kann bereits durch die Kombination von eigentlich banalen Elementen, die Setzung einer Baute oder ihre Komplexität gegeben sein. Schutzunfähig sind hingegen alleinige Ideen oder Anweisungen zur Schöpfung von Werken. So verwehren die Lehre und Rechtsprechung architektonischen Stilen den urheberrechtlichen Schutz. Hingegen sind Werke der Baukunst eines bestimmten Stils nicht automatisch schutzunfähig.
Wer ist Urheberin?
Laut Gesetz gilt als Urheberin oder Urheber die natürliche Person, die das Werk geschaffen hat. Somit können also weder Firmen noch Arbeitsgemeinschaften einen Urheberrechtsschutz für sich beanspruchen. Im Regelfall arbeiten im Planungswesen verschiedene Personen mit; das Gesetz definiert dazu die Miturheberschaft wie folgt: Haben mehrere Personen als Urheber oder Urheberinnen an der Schaffung eines Werks mitgewirkt, so steht ihnen das Urheberrecht gemeinschaftlich zu. Als solche Personen gelten alle Planungsbeteiligten – unter Umständen auch ein Bauherr –, die einen Beitrag an ein schutzfähiges Werk leisten. Ferner formuliert das Gesetz Rechte und Pflichten, unter denen die Miturheber das betroffene Werk verwenden oder Rechtsverletzungen verfolgen können – vorausgesetzt, es bestehen diesbezüglich keine anderslautenden Vereinbarungen. Als solche Vereinbarung gilt etwa ein Arbeitsvertrag, in dem der Arbeitnehmer seine Urheberrechte an die Arbeitgeberin abtritt.
Das Urheberrecht in Verträgen
Der Urheber besitzt laut URG das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und wie sein schutzfähiges Werk verwendet wird. Dieses deckt sowohl seine wirtschaftlichen Interessen am Werk (Vermögensrechte) als auch seine persönliche Beziehung zum Werk. Während Vermögensrechte vertraglich übertragen oder lizenziert werden können, sind Urheberpersönlichkeitsrechte grundsätzlich nicht übertragbar. Beiden gleich ist allerdings, dass sie vererbt werden können und in diesem Fall siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers verfallen.
ETH Hönggerberg: Grenzen des Urheberpersönlichkeitsrechts bei einer etappenweisen Erbauung
Die erste Etappe der ETH Hönggerberg (vgl. Abb. in der Galerie) entstand in den Jahren 1964 bis 1973 nach den Plänen des ehemaligen Stadtbaumeisters und damaligen Professors für Architektur und Städtebau Albert H. Steiner. Nachdem in den Jahren 1971 bis 1976 eine zweite Ausbauetappe erfolgt war (Architekten: Max Ziegler und Erik Lanter), wurde 1990 ein Projektwettbewerb für eine dritte Etappe ausgeschrieben, den Mario Campi und Franco Pessina gewannen.
Albert H. Steiner sprach diesem Siegerprojekt sodann die gebotene Integration in das bestehende Überbauungskonzept ab, hielt daher seine Urheberrechte für verletzt und trat mit einer Klage ans Bundesgericht. Im Wesentlichen erwog das Bundesgericht, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht des Architekten eine räumliche Grenze am beanspruchten und überbauten Raum findet und nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen darüber hinauszustrahlen vermag. Aus dem Begriff des Urheberrechts folge kein Anspruch auf architektonische Angleichung oder Unterordnung von Nachbarbauten oder auf Freihaltung der in das ursprüngliche Konzept miteinbezogenen natürlichen Landschaft der Bauwerksumgebung. Es verneinte damit eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts des Klägers.
Klauseln zur Übertragbarkeit finden sich allerdings auch in den Ordnungen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) und den Standardvertragsdokumenten der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB). Gemäss SIA-Ordnungen 102 und 103 steht dem Auftraggeber mit Bezahlung des Honorars das Recht zu, die Arbeitsergebnisse des Beauftragten für das vereinbarte Projekt zu verwenden. Die allgemeinen Vertragsbedingungen für Planerleistungen der KBOB sehen – etwa wenn ein Auftrag sistiert wird – gar vor, dass dem Auftraggeber nach Bezahlung des fälligen Honorars das unentgeltliche, unwiderrufliche Recht zusteht, die Arbeitsergebnisse des Beauftragten zur Vollendung des Projekts für seine Bedürfnisse frei zu verwenden. Solche Vertragsklauseln sind für die gegenständlichen Projekte unabhängig vom Vertragstyp bindend und nicht in jedem Fall vorteilhaft für die Planenden.
Gewerbliche Schutzrechte
Werke der Baukunst geniessen aufgrund gesetzlicher Spezialbestimmungen und der bislang erfolgten Rechtsprechung gegenüber anderen schutzfähigen Werken vergleichsweise einen gesamthaft eher schwachen Urheberschutz. Daher versuchen Planende zunehmend, ihre Werke auch mit gewerblichen Schutzrechten wie dem Patentrecht, dem Designrecht oder dem Markenrecht immaterialgüterrechtlich abzusichern.
Werke der Baukunst – ein Spezialfall im Urheberrecht
Im Jahr 1995 wurde der Bündner Architekt Werner Schmidt aus einem Studienauftrag heraus mit der Planung der Steinkirche in Cazis betraut (vgl. Abb. in der Galerie). Bei der Detailplanung und Ausführung der ungewöhnlichen Schalenform stand ihm Heinz Isler als Spezialist zur Seite. Aufgrund finanzieller Probleme und Unstimmigkeiten zwischen der Bauherrschaft und Schmidt wurden das Projekt und der Auftrag im Jahr 1996, als sich die Sakralräume im Rohbau befanden, allerdings sistiert.
Ungeachtet dessen führte Schmidt seine Planung der noch ausstehenden Bauten (Verbindungstrakt und Glockenturm) und Gewerke (Ausbau Sakralräume) weiter. Daraufhin kam zwei Jahre später ein neuer, geänderter Vertrag zwischen ihm und der Kirchgemeinde zustande. Diesen widerrief die Bauherrschaft allerdings kurz darauf, um die noch ausstehenden Leistungen dem Bündner Architekten Diederik Peper zu beauftragen. Peper wich in der Folge bei der Gestaltung des Verbindungstrakts von Schmidts Grundkonzept ab und realisierte einen intransparenten, spiegelnden und überdachten Baukörper, der die Sakralbauten Schmidts verdeckt.
Schmidt sah dadurch sein Urheberrecht verletzt und bekam diesbezüglich Zuspruch vom zuständigen Kantonsgericht. Zudem verlangte er, die Kirchgemeinde sei zum Abbruch des Verbindungstrakts, eventualiter zu einer Genugtuungszahlung von 250 000 Fr. zu verpflichten. Diese Forderungen wurden aber aufgrund der Unverhältnismässigkeit erstinstanzlich vom Kantonsgericht und letztinstanzlich vom Bundesgericht abgewiesen (Werke der Baukunst sind gesetzlich von der Einziehung und Verwertung oder Vernichtung im Straf- oder Zivilverfahren ausgenommen)
Patentschutz
Das Patentgesetz (PatG; SR 232.14) regelt den Schutz von neuen, gewerblich anwendbaren Erfindungen und die Erteilung entsprechender Patente. Der Inhaber eines Patents hat das Recht, anderen zu verbieten, die Erfindung gewerbsmässig zu benützen. Erfindungen sind technische Regeln, die zu einem bestimmten Verfahren oder einer Konstruktion anleiten und dadurch einen Lösungsweg zu einem bestimmten Erfolg aufzeigen. Sie gelten dann als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehören. Was dies wiederum bedeutet, regelt ebenfalls das PatG. Zur Erteilung eines Patents müssen die Erfindungen demnach wiederholbar und technischer Natur sein. Insbesondere wenn sie aber auf branchenüblichen Normen basieren, schliesst die Summe dieser Voraussetzungen planerische Konzepte oder Bauten mutmasslich von einem Patentschutz aus. Weiter ist auch die Patentierung von Architektur aufgrund des künstlerisch-kulturellen Bezugs stark umstritten und Gegenstand von Kritik. Dennoch wurde in der Vergangenheit zum Beispiel ein Patent für ein Wohnhaus mit gestaffelten Geschosswohnungen erteilt.
Umstritten: Patente auf Bauten und planerische Konzepte
pile up®: Patente aus der Baubranche betrafen in der Schweiz bisher stets die Entwicklung von neuen Materialien oder Konstruktionsverfahren, nicht jedoch ganze Bauten oder planerische Konzepte. Für ein Wohnhaus mit gestaffelten Geschosswohnungen (vgl. Abb. in der Galerie) wurde aber im Jahr 2006 ein europäisches Patent erteilt. Nach zweimaliger Verlängerung wurde das Patent im Jahr 2016 nicht mehr verlängert und ist daher erloschen.
Designschutz
Das Designgesetz (DesG; SR 232.12) schützt Gestaltungen von neuen und Eigenart aufweisenden Erzeugnissen oder Teilen von Erzeugnissen, die namentlich durch die Anordnung von Linien, Flächen, Konturen oder Farben oder durch das verwendete Material charakterisiert sind. Als solche Erzeugnisse kommen im Sinn des Gesetzes auch Bauwerke infrage, nicht aber zugehörige Skizzen, Zeichnungen oder Pläne. Trotz Uneinigkeit unter Fachleuten spricht grundsätzlich und juristisch nichts gegen einen Designschutz von Gebäuden oder besonders von Inneneinrichtungen. Bedeutsam ist aber, dass lediglich die äussere Gestaltung einer Baute und ästhetisch anspruchsvolle Formgebungen, nicht aber die zugrunde liegende Architektur für einen Designschutz infrage kommen. Dies und der gesetzliche Ausschluss für technisch-funktionale Erzeugnisse schliessen ferner Ingenieurbauwerke per se von der Schutzfähigkeit aus.
Markenschutz
Eine Marke ist laut Markenschutzgesetz (MSchG; SR 232.11) ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Das Gesetz nennt als konkrete Zeichen insbesondere Wörter, Buchstaben, Zahlen, bildliche Darstellungen, dreidimensionale Formen oder Verbindungen solcher Elemente untereinander oder mit Farben. Für die Planung ist das Markenrecht von eher untergeordneter Bedeutung. So kann ein Planungsbüro beispielsweise seine Projektierungsergebnisse mit einer Firmenmarke kennzeichnen. Auch kann die Formgebung eines Gebäudes als Markenzeichen dienen. Allerdings lässt sich der Nachbau einer als Marke hinterlegten Bauwerksform durch den Markenschutz nicht verhindern, da es sich nicht um einen kennzeichnungsmässigen Gebrauch handelt.
Ehrlich und redlich
Damit wäre das Immaterialgüterrecht einmal umrissen. Neben diesem Rechtsgebiet besteht mit dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) aber noch ein weiteres Gesetz, das eine Verwertung fremder Leistungen untersagt. Dass ein Werk durch die zuvor genannten Gesetze nicht immaterialgüterrechtlich geschützt werden kann, berechtigt Dritte noch nicht per se zum freien Kopieren. Kopien und Nachahmungen sind nämlich verboten, wenn sie auf unlautere Art und Weise erfolgen. Im Planungswesen greift das Lauterkeitsrecht vorrangig dann, wenn Planer ohne das Vorliegen einer vertraglichen Vereinbarung ihre Arbeitsergebnisse aushändigen – beispielsweise im Rahmen von Wettbewerben oder Studienaufträgen. So handelt dem Gesetz zufolge unlauter, wer ein ihm anvertrautes Arbeitsergebnis wie Offerten, Berechnungen oder Pläne unbefugt verwertet oder ein Arbeitsergebnis eines Dritten verwertet, obwohl er wissen muss, dass es ihm unbefugterweise überlassen oder zugänglich gemacht worden ist. Dies gilt auch für eine reproduktive Übernahme oder Verwertung marktreifer Arbeitsergebnisse eines anderen ohne Betreiben eines angemessenen eigenen Aufwands. Das Lauterkeitsrecht gilt hierbei unabhängig von der Individualität des Arbeitsergebnisses.
Rechtsschutz
Zur Durchsetzung eines immaterialgüterrechtlichen Anspruchs bestehen verschiedene Wege. Naheliegenderweise kann sich eine berechtigte Person zivilrechtlich mit verschiedenen Klagen wehren oder dann einen Antrag auf strafrechtliche Verfolgung stellen. Von Amts wegen strafrechtlich verfolgt werden widerrechtliche Taten hingegen lediglich, wenn sie gewerbsmässig und vorsätzlich begangen werden (vgl. «Im Schatten der Brücke»). Sowohl der zivilrechtliche Schutz wie auch die Strafbestimmungen sind in den einzelnen Gesetzen des Immaterialgüterrechts grundsätzlich einheitlich aufgebaut.
Ein Sonderfall im Bauwesen ist die Einziehung und Zerstörung von widerrechtlich entstandenen Objekten. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit können Werke der Baukunst weder im Zivil- noch im Strafverfahren eingezogen und zerstört werden. Die Rechtsprechung stellte gar fest, dass diese Ausnahmeregelung unabhängig davon gilt, ob Vermögens- oder Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. Das Interesse des Eigentümers am weiteren Gebrauch des Bauwerks steht demnach über den Interessen des Urhebers.
Im Kontext der Praxis
Die vorstehende Abhandlung ist gewiss nur eine rudimentäre Beschreitung eines sehr komplexen und unwegsamen Rechtsgebiets. Auch stellt die Auseinandersetzung mit diesem Thema für Planende des Bauwesens schnell einmal viel bedeutsamere Fragen an das berufliche Selbstverständnis und das Berufsethos. So sinnvoll der immaterialgüterrechtliche Schutz von Werken der Baukunst auch ist: Letztlich sind geschützte Objekte ein kultureller und bleibender Bestandteilteil unserer Gesellschaft und gehören zumindest dieser an. Daher darf man sich zum Beispiel auch fragen, welchen Zweck die Architektur prinzipiell verfolgt. Bauwerke sind in erster Linie Ausdruck unserer Baukultur. Diese Auffassung ist durchaus vereinbar mit dem immaterialgüterrechtlichen Schutz – so lassen auch klar determinierte Aufträge (etwa solche der öffentlichen Hand) genügend Spielraum, um ein individuelles Werk zu schaffen und die Urheberrechte der Planenden zu schützen. Demgegenüber stehen immaterialgüterrechtliche Schutzbestrebungen und Klagen rund um theoretische, planerische Konzepte und gestalterische Details. Denn in erster Linie sollen die erwähnten Gesetze doch individuelle Bauwerke schützen und sie vor dreistem Abkupfern bewahren.
Anmerkung
1 Claude Schluep und Sibylle Wenger Berger in: Hubert Stöckli und Thomas Siegenthaler (Hg.), Planerverträge – Verträge mit Architekten und Ingenieuren, § 19 – Das geistige Eigentum des Planers, 2. Auflage, Schulthess juristische Medien, Zürich 2019.