Aus dem Be­stand ge­wach­sen

Im Rahmen eines Pilotprojekts der Stadt Zürich wurden Wohnräume zu einem Kindergarten umgebaut. Dank der Verwendung von Re-Use-­Bauteilen und gebrauchtem Mobiliar liessen sich gegenüber einem Umbau mit neuem Material rund 30 % Treibhausgasemissionen einsparen.

Publikationsdatum
14-01-2024

Eine Funktionsänderung bei Umbauten bringt oft grössere Eingriffe mit sich als erwartet. An der Mööslistrasse in Zürich entstand aus Wohnungen über einem ehemaligen Werkhof ein Kindergarten. Um Platz für Gruppen und Aufenthaltsräume zu schaffen, wurden Wände rückgebaut, ausserdem brauchte es Garderoben, Toiletten, ein Putz- und ein Materialraum sowie eine neue Küche. Im Aussenraum entstanden eine Holzplattform, eine Pergola, ein Spielbereich und auf dem Flachdach eine Terrasse. Dies erforderte neue Unterzüge, Stüt­zen und Unterlagsböden in den Innenbereichen und eine Dämmung unter dem Terrassenboden sowie ein neues Elektronetz.

Der gebrauchte Rahmen

Beim Umbau sollten auch im Sinne des städtischen Netto-Null-Ziels die Treibhausgasemissionen reduziert werden. Dazu trug der ­Ein­satz von möglichst vielen Re-­Use-­Bauteilen und der Erhalt von Vorhandenem aus den ehemaligen Wohn­räumen bei. Lavabos und Toi­letten wurden demontiert, gereinigt und aufbereitet, ein grosser Teil des Mobiliars und viele Ge­räte stammen aus stadteigenen Occa­sion-­Lager­be­stän­den.

Darüber ­hinaus haben Bauteiljäger nach verfügbaren Bauteilen aus rückgebauten Immobilien der Stadt und im Raum Zürich gesucht. Diese wurden in einem Bauteile­katalog erfasst: darunter Stahlträger, Brand­schutz­türen, Decken­paneele, Brüstungsgeländer, eine Aussen­treppe, Garderoben, Teile einer hochwertigen Küche, eine Stahlpergola für den Aussenraum im Erdgeschoss und eine Holzpergola als Witterungs­schutz. Die Brandschutztüren aus dem Schulhaus Lavater konnten eins zu eins eingebaut werden, andere Bauteile wurden umgenutzt.

Die Berechnung des Pilots

Die Stadt Zürich beschloss, aus dem Umbau ein Re-Use-Pilotprojekt zu machen, in dem die Wiederverwertung von Bauteilen dokumentiert und gemessen wird. Die Firma Zirkular begleitete den Umbau von Bischof Föhn Architekten und erfasste am Ende die Ökobilanz.

Die Re-Use-Thematik wird im Hinblick auf die grauen Emissionen in die Berechnung einbezogen, die Umweltbelastungspunkte werden dagegen vernachlässigt. Um die ökologischen Auswirkungen zu beurteilen, wurden also die indirekten Treibhausgasemissionen «Erstellung = Herstellung + Entsorgung» ermittelt, die betrieblichen Emissionen wie Heizung, Warmwasser und Elektrizität dagegen ausgeklammert.

Die Berechnung erfolgte in Anlehnung an SIA 2032:2020 Graue Energie – Ökobilanzierung für die Erstellung von Gebäuden. Die Öko­bilanz für Re-Use-Bauteile setzt sich darin aus den nötigen Aufwänden zusammen: RU1 umfasst die Demontage auf der Rückbaustelle, RU2 den Transport von der Rückbaustelle zum Lager oder zur Werkstatt und RU3 die Aufarbeitung, Instandsetzung und Anpassung in einer Werkstatt.

Die Substitution des Neuwerts wurde so mit 90 % angesetzt, denn die Werte RU1–RU3 der Bauteile betragen erfahrungsgemäss weniger als 10 %. Damit ergab sich eine effektive Einsparung von mindestens 29.1 %.
Beim Umbau dieses Projekts mit ausschliesslich neuem Mate­rial rechnet man mit grauen Emissionen von 2.6 kg CO2/m2a. Beim Pilotprojekt betrugen sie 1.9 kg CO2/m2a, was rund 30 % Einsparung entspricht. Mit 30.5 t CO2 beim Re-Use-Projekt gegenüber 43 Tonnen CO2 bei einem Umbau mit Neumaterial konnten insge­samt 12.5 Tonnen CO2 eingespart werden.

Viel gespart, noch mehr gewonnen

Nicht verwunderlich, aber trotzdem bemerkenswert sind die hohen Einsparungen bei Mobiliar, Küche, Vordach und Pergola – insgesamt rund 3000 kg C02. Dagegen fallen allein die innen und aussen neu erstellten Böden mit 9000 kg CO2 ins Gewicht und die neuen Elektroanlagen mit rund 3500 kg CO2. Als Vergleich ­be­tragen die Zielwerte Erstellung des SIA 2040:2017 Effizienzpfad Energie für den Umbau einer Schule 6.0 kg ­CO2/m2a. Der Kindergarten Möösli­stras­se ist mit 1.9 kg CO2/m2a weit unter diesem Wert. Dasselbe Ergebnis zeigen andere konventionelle Zürcher Instandsetzungs-Projekte im Bildungsbereich, die sich in den letzten zwei Jahren im Durchschnitt auf 4.0 kg CO2/m2a beliefen.

Dieses Pilotprojekt war wich­tig, um genaue Zahlen und Fakten zu generieren. Aber auch die Vorbildfunktion, die öffentliche Bauherrschaften haben, ist zentral: Deren Haltung, dass nicht alles neu sein muss, kann auch Private und Investoren in ihren Entscheiden beeinflussen. Wie beim Holzbau braucht es Zeit, bis die Ästhetik selbstverständlich zum Alltagsbild gehört und sich neue Gewohnheiten bei Planern und Bauherrschaften eta­bliert haben.

Noch besser als die Verwendung von Re-Use-Bauteilen und das von den Architekten sorgfältig arrangierte Nebeneinander von Alt und Neu ist die Tatsache, dass der alte Bau nicht abgerissen wurde. Dies stellt eine zusätzliche und noch viel grössere Ersparnis von vielen Tonnen CO2 dar.

Kindergarten Mööslistrasse, Zürich

Standort
Mööslistrasse 8, 8003 Zürich


Auswahlverfahren
Rahmenvertrag


Nutzung
Kindergarten 271 m2


Objektkredit
1.9 Mio. Fr.


Bauherrschaft
Stadt Zürich


Eigentümervertretung
Immobilien Stadt Zürich


Architektur
Bischof Föhn Architekten, Zürich


Baumanagement
Meili Partner Baumanagement, Zürich


Ökobilanzierung
Zirkular, Basel


Statik
Ingenieurbureau Heierli, Zürich


Elektroplanung
Schmidiger + Rosasco, Zürich


Bauphysik
aik, Architektur + Ingenieur Kollektiv, Zürich


HLKS-Planung
Haerter + Partner, Zürich

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