Upcycling im Bikini
Umbau mit Re-Use
In der Hotellerie sind die Erneuerungszyklen der Inneneinrichtung kurz. Ein Beispiel aus Berlin zeigt, dass dies auch Cradle to Cradle geht: Im 25hours Hotel Bikini Berlin wurden Dusch- und Badewannen ausgebaut, neu emailliert und wieder eingebaut – dank dem Engagement von Auftraggeber, Planer und Hersteller.
Sie kennen das: Seit einigen Jahren findet man in den meisten Hotelbadezimmern Pappaufsteller, die Sie motivieren möchten, auf den täglichen Wechsel der Frottierwäsche zu verzichten. Die geschätzte Einsparung von rund 0.2 kg CO2 pro Gast und Tag entspricht etwa einer Autofahrt von einem Kilometer oder dem Kochen einer Tasse Kaffee. Solche Massnahmen erscheinen eher als Greenwashing und lenken davon ab, dass das notwendige nachhaltige Handeln oft ausbleibt. Löbliche Ausnahmen gibt es. Eine davon ist das jüngst modernisierte 25hours Hotel in Berlin.
Urban Jungle im Baudenkmal
Direkt neben dem Bahnhof Zoo, eingespannt zwischen zoologischem Garten und Gedächtniskirche, entstand Mitte der 1950er-Jahren das sogenannte Bikinihaus. Seit der Revitalisierung 2013 durch Hild und K Architekten ist es wieder zu einem Hotspot der Stadt geworden. Zu seinem denkmalgeschützen Ensemble gehört unter anderem das «kleine Hochhaus», das nicht nur am Wochenende mit seiner Monkey-Bar hunderte Touristen anzieht.
Im gleichen Haus ist das 25hours Hotel eingezogen. Die Gestaltung der Räume und die Entwicklung des Konzepts übernahm das Studio Aisslinger unter dem Arbeitstitel «Urban Jungle». Wie bei Hotels üblich, wurde nach gut zehn Jahren eine Sanierung fällig – und Aisslinger diesmal mit einer Weiterentwicklung des Konzepts beauftragt.
Storytelling durch Innenarchitektur
Die Architekten setzen auch bei dieser Überarbeitung und Sanierung auf ein nachhaltiges, identitätsbewahrendes Design, weit entfernt von Konventionen. Sie selbst nennen das «Hospitality-Design durch immersives Storytelling». Die Story ist hier in zwei Hauptkapitel unterteilt. Erzählt wird sie auf der Seite mit den Urban-View-Zimmern in gedeckten Farben und Sichtbeton, auf der Jungle-View-Seite in naturverbundenen Tönen und mit Holzoberflächen.
Das klingt lyrisch und erinnert tatsächlich berlingerecht an einen gut durchmischten Poetry Slam: Materialien, Farben, Muster, Möbel, Objekte und Stoffe erscheinen zunächst als zufälliges Konvolut, finden aber nach anfänglicher Überforderung trotzdem zusammen und bilden spannende Atmosphären. Das Auge rastet nicht, der Geist freut sich.
Freitagtasche und Velo zum Ausleihen
Neu ist nach der jüngsten Sanierung auch die Zimmeraufteilung mit der Zentralisierung des Betts. Der Gast erwacht jetzt Blick nach draussen – je nach Präferenz und Wahl des Zimmers entweder über den Breitscheidplatz in Richtung Süden Berlins oder nordseitig durch bodentiefe Fenster in die Baumkronen des Zoos und ins Affengehege. Die grossen Suiten sind neu anstelle der ehemaligen Bettnischen mit einer kleinen kapselartigen Bibliothek ausgestattet, die durch einen omegaförmigen Durchgang betretbar ist.
Über der runden 1970er-Jahre-Sofalandschaft finden sich in den kugelförmig angeordneten Holzregalen Romane und Sachbücher in diversen Sprachen, deren Nutzung zwar ungewiss bleibt, die aber äusserst dekorativ sind und dem Rückzugsort Gemütlichkeit verleihen. An der Garderobe wartet eine zur Verfügung gestellte Freitagtasche aus alten Lastwagenplachen, an der Wand daneben hängt ein Fahrrad zur kostenlosen Verwendung während des Aufenthalts.
Re-Use von Dusch- und Badewannen
Gelebte Sensibilität für umweltbewusstes Verhalten ist in das gesamte Konzept verwoben. Es beginnt beim Hotelshop, der Firmen wie Freitag, Soeder und Canvasco vertreibt, und geht bis zur Wiederverwertung der Badapparaturen. Die Firma Kaldewei hat hier ein System entwickelt, bei dem die alten Duschtassen und Badewannen ausgebaut und für die Bearbeitung zur Wiederverwertung ins Werk gebracht werden. Dort werden die Elemente in einem aufwendigen Verfahren sandgestrahlt, neu beschichtet und für den Wiedereinsatz vorbereitet.
Durch diesen von Kaldewei als Cradle to Cradle eingestuften Prozess sparte man laut Hersteller rund 65 % an CO2 ein. Bisher begingen maximal einige Nischenanbieter diesen Weg für die Wiederverwertung von Vintage-Sanitärobjekten. Der als «urban mining» bekannt gewordene Trend zur Wiederverwertung von Baumaterialien bezieht sich aber primär auf Objekte mit historischem Wert oder Elemente, die mit geringem Aufwand aufgearbeitet und wieder in den Bauprozess eingeführt werden können.
Die Sanitärbranche bot solche Massnahmen wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit bisher nicht an. Um einen Erfolg für den Wiedereinsatz ganzer Elemente oder Bauteile zu garantieren, muss die Bauherrschaft gewillt sein, zum Neupreis ein altes Produkt aufarbeiten und wieder einsetzen zu lassen. Zudem sollte es direkt vom Lieferanten stammen, um Garantieleistungen absichern zu können. Zumindest im Moment gibt es nicht viele Firmen – weder auf Hersteller- noch auf Bauherrenseite –, die diesen Weg einzuschlagen möchten oder können.
Ökologische Verantwortung
Natürlich ist das nur ein Anfang. Nachhaltigkeit in der Baubranche ist ein Thema, das Regale von Büchern füllt und alle Bereiche vom ersten Gedanken über Planung, Bau und den Betrieb bis zur Demontage behandelt. Das meiste davon ist für den Nutzer unsichtbar.
Das 25hours zeigt aber, dass sich ökologische Verantwortung in der Hotellerie nicht auf die mehrmalige Benutzung von Handtüchern und die Abschaffung von Shampoo-Miniaturen beschränken muss: Sie lässt sich durch die Zusammenarbeit mit innovativen Industrie-Partnern, Upcycling, Materialsorgfalt und starke Gestaltung integrieren – für die Gäste sichtbar, attraktiv, zeitgemäss und architektonisch elegant.
Podiumsgespräch: Luxstainability – Luxus trifft Nachhaltigkeit25. September 2025, 16.30 Uhr, 25hours Hotel, Langstrasse 150, 8004 Zürich
Im 25hours Hotel Bikini in Berlin zeigt Kaldewei, wie Kreislaufwirtschaft im Bau- und Projektgeschäft funktionieren kann. Erstmals hat das Unternehmen ausgediente Duschflächen und Badewannen in grösserem Umfang ausgebaut, weiterentwickelt und als vollwertige Produkte wieder eingebaut.
Moderiert von Judit Solt, diskutieren die Podiumsgäste Friederike Kluge, Daniel Schneider, Christian Büttner und Stefan Diez an einer Veranstaltung von Kaldewei Schweiz darüber, wie sich Nachhaltigkeit und höchste gestalterische Ansprüche in der Baubranche harmonisch vereinen lassen. Anschliessend Apéro riche.
Anmeldung: https://forms.office.com/e/mqcMk7prFp?origin=lprLink