Die Zukunft ist rund
Dass es mit der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft harzt, liegt oft an fehlenden Rahmenbedingungen. Mit der parlamentarischen Initiative «Kreislaufwirtschaft stärken» soll eine solide gesetzliche Basis geschaffen werden. Einschneidende Veränderungen im Bauwesen sind absehbar, Verbände und Organisationen haben Stellung genommen.
Die Bauwirtschaft verbraucht zu viele Ressourcen, die in zu raschen und zu kurzen Zyklen auf Deponien landen oder anders entsorgt werden. Darum soll sich vieles möglichst bald ändern, doch Geduld ist unumgänglich, denn die demokratischen Mühlen mahlen langsam. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK) reichte im Mai 2020 eine parlamentarische Initiative zur Änderung das Umweltschutzgesetzes ein.
Mit profunden Anpassungen sollen die Grundlagen für eine moderne, umweltschonende Kreislaufwirtschaft geschaffen, die Versorgungssicherheit gestärkt und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft unterstützt werden. Die Vorlage umfasst über die Abfallverwertung, die über private Unternehmen das staatliche Monopol erweitern soll, den Produktzyklus mit Prozessen wie Teilen, Wiederverwenden, Reparieren und Wiederaufbereiten. Des Weiteren soll der Grundsatz der Ressourcenschonung Gesetzgeber und Behörden anleiten, mit der Wirtschaft Massnahmen umzusetzen. Offene Fragen gibt es aber dennoch – beispielsweise im baulichen und energetischen Umgang mit biogenen, nachwachsenden Rohstoffen, die in der Initiative – die sich vor allem technischen Kreisläufen widmet – keinen angemessenen Platz finden.
Bestandszyklen verlängern
Ein Schwerpunkt der Initiative stellt das ressourcenschonende Bauen dar, auf das sich auch dieser Artikel beschränkt. Die Verwendung umweltschonender sowie rückgewonnener Baustoffe soll die graue Umweltbelastung von Gebäuden reduzieren. Wie Bauenschweiz, der Dachverband der Schweizer Bauindustrie, oder die Koordinationsplattform Circular Economy Switzerland unterbreitete auch der SIA Mitte Februar seine Stellungnahme zur Initiative im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens. Der Verein bestätigt die Vorlage weitgehend, präzisiert sie, und geht in einigen Punkten sogar weiter. Er kommentiert vor allem jenen Teil der Initiative, der zukünftig weitreichende Folgen auf den Bausektor haben wird.
In unserer Videoreihe berichten Beteiligte von ihren Erfahrungen, aktuellen Projekten und laufender Forschung auf dem Gebiet zum Thema Kreislaufwirtschaft am Bau.
So sollen gemäss dem SIA und Circular Economy Switzerland nicht nur der Bund, sondern alle bundesnahen Betriebe – zum Beispiel die SBB – bei Planung, Errichtung, Betrieb, Erneuerung und Rückbau eigener Bauwerke eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Ergänzend zur Vorlage (USG Art. 35j Abs.2) verankert der SIA in der Stellungnahme die Lebensdauer der Bauten im Text, um die Bestandszyklen zu verlängern.
Auch betrachtet der SIA im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB/Art. 30 Abs. 4) den Schutz der natürlichen Ressourcen und der Umwelt als Normalfall, und Ausnahmen sollen begründet werden. Die Vorlage schlägt indessen nur vor, dass die Auftraggeberin, dort wo geeignet, technische Spezifikationen zum Erhalt der natürlichen Ressourcen oder zum Schutz der Umwelt vorsieht. Die Initianten halten in einem weiteren Artikel fest, dass Bund und Kantone für die Schonung der natürlichen Ressourcen und die Reduktion der Umweltbelastung entlang des Lebenszyklus von Bauten und Produkten sorgen. Der SIA ergänzt das Kapitel auch hier explizit um die Verlängerung der Lebensdauer. Nur so lässt sich konsequenterweise der Kreislauf, in dem Neubau, Abbruch und Ersatzneubau aufeinander folgt, verlangsamen. Auch Circular Economy Switzerland setzten sich dafür ein. Ein längerer Bestand erfordert also qualitativ hochstehende Bausubstanz, flexible Umnutzbarkeit und eine höhere Toleranz der Nutzer und Betreiber gegenüber Altersspuren.
Gingen die biogenen Kreisläufe vergessen?
Der SIA begrüsst auch gesetzliche Grenzwerte bei der grauen Energie von Neubauten und Sanierungen. Erweitert wird die Vorlage jedoch mit einer interessanten Anmerkung zur Änderung des Energiegesetzes (EnG Art. 45 Abs. 3): der Verein fordert, dass auch die grauen Treibhausgasemissionen mitberechnet werden. Es sei wichtig, den Grenzwert über den ganzen Lebenszyklus zu erweitern – wie die Methode bereits beim SIA-Effizienzpfad angewendet wird. Die Ausweitung der Gesetzgebung sei ein logischer Schritt, da bei den grauen Emissionen in den letzten Jahren keine Reduktion stattgefunden habe. Im selben Artikel und Absatz macht der SIA auch darauf aufmerksam, dass der eingespeicherte biogene Kohlenstoff (Stroh, Holz usw.) in Bauten zum Klimaschutz beitrage.
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Wiederverwendung beim Brandschutz
Ganz generell fällt auf, dass die Initiative Kreislaufwirtschaft einseitig auf Energie und Ressourcen industrieller Baustoffe, also auf die materiell-technischen Kreisläufe ausgerichtet ist und dem wichtigen Thema der biogenen Kreisläufe zu wenig Beachtung schenkt. Es wäre zielführend, diese miteinzubeziehen. Die EU betont im Green Deal, dass Klimaneutralität nur erreichbar sei, wenn in Zukunft grosse Mengen an Kohlestoff direkt aus der Atmosphäre entfernt werden.
Weiter schlagen die Initianten (USG Art. 35j, Abs. 1), anhand der vier Punkte – umweltschonende oder rückgewonnene Baustoffe; Trennbarkeit der Teile und ihre Wiederverwendung – etwas undurchsichtig vor, dass «der Bundesrat Anforderungen nach Massgabe der durch Bauwerke verursachten Umweltbelastung stellen kann». Der Vollzug liege bei Kantonen oder Gemeinden, und die Einhaltung könne beispielsweise im Rahmen von Baubewilligungsverfahren kontrolliert werden. Hier sieht der SIA, als Grundstein für kreislaufwirtschaftliches Bauen, die Trennbarkeit als einzigen Punkt und schlägt dafür eine Pflicht vor, er würde dafür zur Vereinfachung die anderen drei weglassen. Diese sollten über Lenkungsabgaben bei den Deponiegebühren und einen Grenzwert der grauen Treibhausgasemissionen gesteuert werden. Die Frage, ob die Bauindustrie dazu verpflichtet werden könnte, ihre Produkte beim Rückbau zurückzunehmen, nach dem Prinzip «Product as a Service», bleibt hier offen.
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Rechtliche Grundlagen: Fragen, wo die schweizerische Rechtsordnung einen unterstützenden und wo einen behindernden Rahmen für die Wiederverwendung von Bauteilen und deren Entwicklung hat, sind nicht abschliessend beantwortet. Tendenzen zeichnen sich allerdings ab.
Bauenschweiz betont dagegen, dass der Bundesrat nicht diskriminierend wirken und nicht über einzelne Materialien urteilen dürfe. Vermutlich will der Verband neben Holz auch Beton und Stahl mit einschliessen. Er weist auch auf die Wichtigkeit der internationalen Verpflichtungen der Schweiz hin – es gelte auf bewährte Methoden, die sich auf internationale bzw. europäische Normen abstützen, zurückzugreifen.
Ein weiterer Punkt, sind Materialpässe für Neu- und Bestandesbauten. Die Initianten schlagen vor, dass der Bundesrat Vorschriften dazu erlassen kann. Gemäss einigen Stellungnahmen, so jener des SIA, soll ein solcher auf bestehende Instrumente wie Minergie oder SIA2040 abgestützter Ausweis, Pflicht werden.
Es scheint, dass der SIA und andere Organisationen wie die Circular Economy Switzerland mit ihren Statements zur Initiative den Zeichen der Zeit vorauseilen. Doch die Diskussionen in der Baubranche um Kreislaufwirtschaft sind in vollem Gang und mit anderen Nachhaltigkeitsthemen verbunden.
Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 8/2022 «Kreisläufe stärken».