Span­nen­de Welt­neu­heit am Räng­gloch

Karbonfaserverstärkte Kunststoff-Vorspannkabeln an einem Lehnenviadukt

Am neuen Ränggloch-Lehnenviadukt kommen beide zum Tragen: Stählerne und karbonfaserverstärkte Kunststoff-Vorspannkabel. Und die Verankerung letzterer ist weltweit bisher einmalig: Sie besteht ebenfalls aus CFK.

Data di pubblicazione
07-05-2025

Zwischen Littau und Kriens pas­siert die Kantonsstrasse 4 oberhalb des Ränggbachs das Ränggloch. Im Rahmen einer umfassenden Sanierung wird die Verkehrssicherheit durch normgerechte Strassen und Radverkehrs­anlagen verbessert und der Schutz vor Naturgefahren entscheidend verstärkt. 

Ein zentrales Element des Projekts ist der Bau eines siebenfeldrigen, vorgespannten Lehnenbauwerks, an dem eine Weltneuheit eingebaut wurde: Zwei der vier konventionellen zwölflitzigen Vorspannkabel aus Stahl im Endfeld auf der Seite Littau wurden durch karbonfaserverstärkte Kunststoffparalleldrahtbündel (CFK-Vorspannkabel), bestehend aus je 91 Drähten, ausgetauscht. Die Verankerung dieser neuartigen Spann­elemente besteht erstmals komplett aus CFK.

Hohe Lasten, kleine Radien

In jedem Brückensteg verlaufen ein CFK- und ein Stahlkabel parallel in parabolischer Form und bilden so einen symmetrischen Brückenquerschnitt. Die CFK-Vorspannkabel sind in Vorspannkraft (P0 = 2100 kN) und Geometrie äquivalent zu den Stahlkabeln. Dies ergab sich allerdings erst im Zuge der Projektierung.

Anfänglich projektierten die Planenden die CFK-Kabel mit gros­sen Minimalradien. Eine hohe Querbelastung, wie sie bei kleinen Radien auftritt, ist für das anisotrope Materialverhalten von CFK problematisch. Vom Hersteller speziell durchgeführte Umlenkversuche gaben aber Entwarnung: die Radien konnten wesentlich reduziert werden. Die nun umgesetzte parallele Führung der CFK- zu den Stahlkabeln mit einem Radius von 7.6 m generiert die gewünschten Umlenkkräfte und ermöglichte eine geometrisch optimierte schlaffe Stegbewehrung der Brücke.

Zur Minimierung der durch die Krümmung entstehenden Querpressungen führt man die CFK-Kabel in kreisrunden, glattwandigen Hüllrohren. CFK-Kabel können ohne Verbund verbaut werden, da sie nicht korrodieren. Der Verzicht auf die Vermörtelung lässt eine einfache Überwachung der Kabel mittels Kraftmessdosen zu. Mit der so möglichen permanenten Überwachung sollen im Rahmen der Erstanwendung spezielle Erkenntnisse über das Langzeitverhalten der CFK-Kabel gewonnen werden.

Versuche an der Empa

Für den Nachweis der Tragfähigkeit führte die Empa zwei statische Bruchversuche und zwei Zeitstandversuche an verkürzten, aber ansonsten identischen CFK-Kabeln durch. Es resultierten die maximal mögliche statische Belastung der Kabel und Erkenntnisse zu Kriech- beziehungsweise Spannungsrelaxationseffekten. Lasersensoren massen die Relativbewegung zwischen den Carbondrähten und der CFK-Hülse. Die Carbondrähte waren mit Dehnmessstreifen ausgestattet. 

Für die CFK-Hülsen kam ein faser­optisches System zum Einsatz, das über die gesamte Hülsenlänge und den gesamten Hülsenumfang die Dehnungen aufzeichnete. Zusätzlich führte der Hersteller Umlenkversuche an Einzeldrähten durch, die den Einfluss des Umlenkradius und des daraus folgenden Querdrucks auf die Bruchlast aufzeigten. Die Versuche lieferten äusserst zufriedenstellende Resultate. Die mittlere Bruchlast betrug 4.26 MN. 

Überraschend leichtes Gewicht

Trotz 91 Drähten wiegen die Kabel nur 2.75 kg pro Laufmeter. Ihre Einbaulänge von 25 m stellt für die Herstellung kein Problem dar – im Rigging-Bereich (Abspannseile für Segeljachten) sind Kabellängen von bis zu 100 m möglich. Die 91 Drähte mit einem Durchmesser von 5 mm ergeben eine total zu produzierende Länge von 2275 m Draht pro Kabel. Die dazugehörigen konischen Endverankerungshülsen haben eine Länge von ca. 700 mm, einen Aussendurchmesser von 250 mm, Wandstärken bis zu 45 mm und wiegen nur 14.5 kg. 

Sie werden mit Carbonfasern im Wickelverfahren produziert und an beiden Kabel­enden angebracht, bevor die Kabel als Einheit auf die Baustelle geliefert werden. Dies bedingt, dass – im Gegensatz zum Stahl – nicht nur das Kabel selbst durch die Endverankerungsplatte geführt werden muss, sondern auch die dickere Endverankerungshülse. Dadurch bedarf es einer deutlich grösseren Endverankerungsplatte. Die Rängglochbrücke mit einer Stegbreite von 1.1 m liess den Einsatz der grossen Verankerungsplatten nebeneinander gerade noch zu. Für kleinere Stegbreiten müssten die Ankerplatten in Längsrichtung versetzt angeordnet werden.

Komplexe Krafteinleitung

Trotz der geringen Bruchdehnung von Carbon von nur 2 % war im unbelasteten Zustand eine Umlenkung des Kabels mit einem Radius von circa einem Meter möglich. Das Kabel konnte so gewickelt in der Form einer Acht einfach auf einem Anhänger auf die Baustelle transportiert werden. Das geringe Eigengewicht der Kabel vereinfachte die Handhabung auf der Baustelle, verglichen mit konventionellen Stahlkabeln. Im Gegensatz zu stählernen erfolgt der Spannprozess von CFK-Kabeln nicht direkt über die einzelnen Drähte. 

Die CFK-Drähte reagieren in Querrichtung weich, weshalb die Vorspannkraft über eine Länge von circa 650 mm mittels eines Ep­oxidharz-Systems auf die konisch konstruierte CFK-Hülse übertragen werden musste. An deren Kopfende wurde ein Edelstahlring aufgeklebt. Über ihn wird die Vorspannkraft via CFK-Hülse in die einzelnen Drähte geleitet. Sobald die vollständige Vorspannkraft und die berechnete Überspannkraft erreicht waren, wurden U-förmige Halbschalen (Shims) eingesetzt und die CFK-Hülse darauf abgesetzt.

Verzicht auf Reversibilität

Ursprünglich hätten die CFK-Kabel reversibel verbaut werden sollen. Im Versagensfall wären sie austauschbar gewesen. CFK-Kabel versagen typischerweise besenartig, aber mit sehr geringer Festigkeitsstreuung, was mit einer explosionsartigen Volumenzunahme verbunden ist. Daher war zuerst eine PE-Ummantelung der Kabel vorgesehen, um sie im Versagensfall aus dem Hüllrohr zurückziehen zu können. Während der Ausführungsplanung zeigte sich aber, dass die Reversibilität zusätzlich unverhältnismässig aufwendige Öffnungen in den Brückenstegen, verbunden mit einer Anpassung der verwendeten Systemschalung, zur Folge gehabt hätte. 

Dies führte letztlich zu einem Verzicht auf die Reversibilität. Im unwahrscheinlichen Fall eines Versagens würde der Brückenquerschnitt erlauben, ein zusätzliches, externes Vorspannkabel innerhalb der Brückenstege zu versetzen. Aus demselben Grund wählten die Planenden das Endfeld der Brücke für den Einbau der CFK-Kabel. Mit einer maximalen Höhe über Terrain von 4 m ist es für einen allfälligen späteren Einbau eines externen Kabels einfach zugänglich.

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