Die Häu­ser der An­de­ren: Ca­sa Ko. in Mor­co­te

Es ist eine Freude, in der zeitgenössischen Architektur auf ein Werk zu treffen, das einem die Präsenz seiner Planer nicht lauthals entgegenschreit, sondern sie nur still bestätigt. Eloisa Vacchini über die Casa Ko von wespi de meuron romeo architetti in Morcote.

Data di pubblicazione
25-06-2021

«Die Häuser der Anderen» ist eine Artikelserie, die Architekten zum Dialog einlädt: espazium.ch hat im Tessin tätige Architekten gebeten, das Haus eines Kollegen/einer Kollegin zu kommentieren, ohne dabei mit Analyse und Kritik zu sparen. Es sind Texte von Architekten über Architekten, die über das Design im Tessin reflektieren. Der erste übersetzte Text dieser Serie, im Original auf espazium.ch/it veröffentlicht, ist Eloisa Vacchinis poetischer Blick auf das vom Büro wespi de meuron romeo architetti gebaute Haus in Morcote am Ufer des Luganer Sees.

Das Einfamilienhaus in Morcote, dem schönsten Dorf der Schweiz, verschwindet fast in der Landschaft und blickt mit steinerner Miene auf Sonne und See. Ich könnte das Werk nun einfach beschreiben, doch das ist zum Glück eine völlig überflüssige Übung.

Jedes Wohnhaus birgt in sich die grosse Verantwortung des Architekten dafür, wie sein Werk den Blick und die Gewohnheiten seiner Bewohnerinnen und Bewohner verändert. Die Bauherrschaften verlassen sich auf uns und wissen nicht, dass wir ihr Leben ohne Weiteres auf den Kopf stellen könnten. Beim Betrachten der Pläne und Fotos habe ich mir vorgestellt, wie die Architekten wohl den Lebensstil der Bewohner beeinflusst haben, und bin zu dem Schluss gekommen, dass das Haus in Morcote auch in dieser Hinsicht vielerlei Diskussionsstoff bietet.

Man könnte zum Beispiel über das Betrachten der Landschaft sprechen, denn eine so weitläufige Aussicht zu haben, bedeutet nicht, dass man ständig, aus jedem Raum und zu jeder Tageszeit darauf blicken muss. Auf einige Bereiche der Umgebung möchte man sogar lieber gar nicht blicken.

Man könnte über den Rebberg sprechen, darüber, wie wichtig er für unsere Region war und ist, wie er als landschaftsbildendes Element bis heute einen Ort prägen und zum eigentlichen Thema eines Wohnbaus werden kann. Man könnte über die Wiederverwendung der Steine aus den Stützmauern des Rebbergs nachdenken und wie diese den Hauptfassaden und Böden ein perfektes Farbenspiel und eine Patina verleihen, deren historischen Bezug man mit Freude wiedererkennt. Die Steine waren schon vorher da und wurden, fast beiläufig, weiterverwendet.

Ein weiteres interessantes Diskussionsthema wären die kleinen, sehr intimen Innenhöfe, auf die die Schlafzimmer gehen. Beim Anblick dieser Lösung muss man lächeln und macht sich unwillkürlich ein Bild von der Persönlichkeit der Bauherrn. Der Innenhof lenkt das Licht, schafft Geborgenheit durch einen geschlossenen, aber zum Himmel geöffneten Raum. Der Hof ist ein Ort der Stille, in dem das Wetter die Hauptrolle spielt. Ein kleiner, aber keineswegs starrer Raum zum Betrachten.

Man könnte auch die Beschränkung aufs Wesentliche loben, die gerade in kleineren Räumen so wichtig ist, oder die Tonalität und den Charakter der Materialisierung bewundern. Das Architekturbüro ist bekannt für die meisterhafte Verwendung von fast unbehandelten Naturmaterialien. Die Konstruktion ist Ausdruck eines mehr als konkreten handwerklichen Geschicks; eine sehr überzeugende, sorgfältige, gut auf die Wohnthematik abgestimmte Lösung.

Man könnte ewig über die Aktualität des begrünten Daches sinnieren, denn die Möglichkeiten dieses Elements üben seit jeher eine grosse Faszination aus.

Und schliesslich könnte man zahlreiche abstrakte Diskurse führen über die Formen, Neigungen und Proportionen, die sich dank einer einfachen Fassadendiagonale in den verschiedenen Innenhöfen ergeben.

All dies wären interessante und relevante Themen, die man ausgiebig diskutieren könnte – vielleicht am Cheminée im Wohnzimmer, zwischen einem Innenhof und einer grossen Fensterfront zum See hin, zur Feier des erwähnten Rebbergs mit einem Glas Rotwein in der Hand.

Doch nichts davon ist wichtiger als die Stille.

Vielleicht kann man über dieses Haus nur sprechen, indem man schweigt. Vielleicht muss man die emotionale Schwebe, in die es einen versetzt, geniessen, ohne gross darüber nachzudenken, wie es das macht.

Jérôme de Meuron begleitete mich mit grosser Freundlichkeit und Stille, öffnete mir lächelnd die Türen, damit ich diese reizvoll abwesende und gleichzeitig entschieden präsente Art von Architektur wahrnehmen konnte.

Übersetzung aus dem Italienischen: Wulf Übersetzungen.

Die Häuser der Anderen

 

Die Häuser der Anderen, Editorial

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
privat

Architektur
Wespi de Meuron Romeo Architekten, Caviano


Bauunternehmung
Ing. Marco Taddei SA, Viganello


Tiefbau
de Giorgi & Partners, Muralto


Bauphysik
IFEC Ingegneria SA, Rivera

Holzbau
Romeo Buss GmbH, Arth

Fenster- und Türen
Biene AG, Winikon


Pflaster
CPR SA, Barbengo
 

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