Sen­den aus dem Kü­hlhaus

Der SRF-Neubau ist funktional eine Bühne mit Werkstatt und technisch eine Multimediafabrik. Hier werden Aufnahmen von Menschen, bewegte Bilder und auch Töne in digitale Signale umgewandelt. Zur Klimatisierung der Räume und zur Versorgung mit Energie greift man auf CO2-arme Quellen zurück.

Data di pubblicazione
09-01-2020

«Guten Abend, meine Damen und Herren. Das ist die Hauptausgabe der Tagesschau. Und diese Themen haben wir für Sie!» – Seit 66 Jahren fasst das Schweizer Fernsehen die wichtigsten Ereignisse des Tages jeweils zum Ende des Vorabends zusammen. Mit allergrösster Wahrscheinlichkeit geht die Tagesschau auch kommenden März über den Äther. Und wer weiss, ob nicht der eigene Umzug eine Nachricht wert ist, wenn sich die Moderatorin oder der Moderator erstmals aus dem neuen Studio meldet. Die Neugier in den Schweizer Stuben liesse sich ganz einfach wecken. Denn über das Energiekonzept und die Gebäudetechnik gibt es Span­nendes zu erzählen. Die darin arbeitenden News- und Wissens­redaktionen können sogar auswählen: a) Die neue SRF-Werkstatt ist ein Kühlhaus, b) der SRF-Neubau missachtet die Energievorschriften oder c) der SRF-Neubau heizt sich fast von allein.

Die letzte Schlagzeile ist am schnellsten erklärt: Ein Nachbar der bisherigen Fernsehstudios in Zürich Leutschenbach ist das Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz, das grosse Teile der Stadt mit Fern­wärme beliefert. Auch die bestehenden SRF-Be­triebs­gebäude sind Empfänger. Der Neubau kann auf diese externe Energiequelle hingegen verzichten, weil nur rund 35 °C im Heizungsvorlauf erforderlich sind. Dafür genügt eigene Abwärme, die sich für das lokale Niedertemperatursystem vor Ort weiterverwerten lässt.

Die internen Wärmetransfers erfolgen dazu über ein ausgebautes eigenes Energienetz, das den Neubau mit den Bestands­bauten am Standort Leutschenbach verbindet. Das Herz dieses Energierecyclings ist eine Zentrale mit zwei Wärmepumpen, die jede Kilowattstunde Abwärme in Energie für die Heizung und das Warmwasser umwandeln. Damit ist Schlagzeile c) erklärt. Nun zur Variante a): Der Neubau ist vollgepackt mit Kameras, Leucht­strahlern, Bildschirmen und Computern. Dieses technische Equipment strahlt im Betrieb viel Wärme ab und heizt die meisten Räume so stark auf, dass sie fast durchwegs zu kühlen sind. Der spezifische Kühlbedarf liegt bei rund 90 W/m2; der Wärmebedarf beträgt dagegen nur 23 W/m2. Konventionell genutzte Bürogebäude besitzen dagegen ein ausgeglicheneres Energieverhältnis – der Aufwand zur Raumkühlung ist üblicherweise fast gleich wie für das Bereitstellen von Raumwärme.

Die SRF-Betriebstechnik erzeugt sogar derart viel lokal nutzbare Abwärme, dass die Baubehörde der Stadt Zürich einen Wärmeschutzrabatt gewährt: Die Gebäudehülle ist weniger stark gedämmt als vom Gesetz verlangt – daher Schlagzeile b). Die ­gesamte Energiebilanz fällt nämlich auch so besser aus, weil ein dauerhaftes Überhitzen vermieden wird und der Strombedarf zum Kühlen sinkt.

Strom und Kühlung für den Betrieb

Die Haustechnik ist praktisch überall präsent, die Versorgung aber nicht immer sichtbar. Ein kurzer Rundgang durch den Neubau lässt erahnen, ­welche Rolle sie auf den sechs Etagen über und den fünf Geschossen unter dem Boden spielt. Der Strom kommt zum Beispiel von unten: Im 1. UG stehen ein Mittelspannungstrafo, der die Elektroversorgung des Schweizer Fernsehens mit dem öffentlichen Stromnetz verbindet, und ebenfalls ein Teil des Systems zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV): Batterien überbrücken kurzzeitige Strom­unterbrüche. Zwei Dieselaggregate im Dachgeschoss können einen reduzierten Sendebetrieb für 24 Stunden sicherstellen.

Die Energiezentrale für das ganze Areal ist südlich an die Tiefgarage angebaut und geht weiter in die Tiefe als diese. Reichlich mit Technik gefüllt, ist sie erweiterbar und versorgt den SRF-Standort mit Wärme oder Kälte. Das haus­eigene Rechenzentrum – der Ort, an dem die digitalen Datenströme zusammenlaufen – befindet sich im 1. UG des News- und Sport-Gebäudes. Die Serverracks besitzen ihrerseits hohen Kühlbedarf: Spe­zial­wän­de mit Wärmetauschern und Ventilatoren ziehen weiter verwertbare Wärme aus der Raumluft ab und halten die Innentemperaturen auf 24 bis 27 °C. Aussenluft, die nicht wärmer als 23 °C ist, eignet sich folglich für die direkte Serverkühlung. Der Betrieb erfolgt deshalb die meiste Zeit des Jahres über die zwei Rückkühler auf dem Dach. Das «Coolwall»-System gewann den internen Variantenvergleich aufgrund des niedrigsten Strom­-verbrauchs. Trotzdem benötigt der Server-Kühlbetrieb ebenso viel elektrische Energie, wie vierzig Haushalte zusammen für Kochen, Licht und weitere Alltagsdinge konsumieren.

Endlich die News- und Sportstudios, die sich im schlanken Sockel des Neubaus befinden und das mediale Erkennungsmerkmal des öffent­lichen Senders sind. Auch diese Räume sind fast durchwegs aktiv zu kühlen, damit die Temperatur nicht über 27 °C steigt. Drei parallele Kühlsysteme sollen dies garantieren: System eins sind Kühl­decken mit feinen Lamellen, durch die jeweils kaltes Wasser fliesst. Diesen Kreislauf treiben die Wärmepumpen an, weshalb auch die Umkehrfunktion, warmes Wasser zum Heizen, nach Bedarf angefordert werden kann. System zwei versorgt den Raum mit Kälte über das Lüftungs- und Umluftsystem; Schalldämpfer vermindern die Strömungsgeräusche, um den hohen Anforderungen an einen störungsfreien Aufnahmebetrieb gerecht zu werden.

Die Schwerkraftkühlung ist Kühlsystem Nummer drei: Ein Kühlkonvektor an der Decke sorgt für eine lokale Umluftströmung. Die kalte Luft sinkt kon­stant von selbst; verglaste Fallschächte entlang der Trennwände verhindern eine allfällige Zugluft. Wie ­dieses Detail zeigt, bemühte sich die Architektur geschickt um eine ästhetische Integration der Haus­technik. Auch an den Kassettendecken ist sie kaum sichtbar. Deren geräuschfreier Betrieb war zudem eine zwingende Anforderung an die Planung der Systeme.

Abgabe von Wärme oder Kälte ist variabel

Nicht nur in den Studios, auch in den darüber liegenden Redaktionsräumen und Videoschnittplätzen kann es ungemütlich warm werden. Dieselben teilweise reversiblen Kühl- und Wärme­systeme sind deshalb auch hier in jeweils angepasster Kon­stellation installiert. Dabei lässt sich die Abgabe von Wärme oder Kälte räumlich variabel steuern – etwa aus Rücksicht darauf, dass eine Arbeitszone direkt an der Südfassade anders zu klimatisieren ist als eine Nordostecke. Um diese und weitere Annahmen zum Energiebedarf im Betrieb zu überprüfen, nehmen sich die Bauherrschaft und die Fachplaner vor, die Gebäudetechnik ein Jahr lang zu überwachen, auf die erfassten Werte und Bedürfnisse einzuregulieren und so die Systeme zu optimieren.

Nachrichtenmoderatoren verabschieden sich gern mit einer Pointe. Auch hier zum Schluss noch dies: Wem gebührt denn nun die ­Krone des Neubaus? Tatsächlich ist das gesamte Dach mit dem ­roten SRF-Logo für Ge­bäudetechnik reserviert. Hier sind die bereits erwähnten zwei grosse Rückkühler platziert, als Rückgrat für das energieeffi­ziente Kühlsystem.

«Einen schönen Abend und uf wiederluege!»

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