Ge­teil­te E-Mo­bi­li­tät

Carsharing, Elektromobilität, Energiemanagement: Im Basler Areal Erlenmatt Ost soll in einem Pilotprojekt alles kombiniert werden. Während der Umsetzungsphase 2019 wird das Projekt wissenschaftlich begleitet, um reale Daten zum Nutzerverhalten oder zur Arealoptimierung zu erhalten.

Data di pubblicazione
08-11-2018
Revision
08-11-2018

Heute funktioniert das Laden eines Elektroautos meist noch nach dem einfachen Prinzip: Stecker in die Dose, Ladevorgang startet. Grundsätzlich eignen sich E-Fahrzeuge bzw. deren Batterien aber auch dafür, erneuerbaren Strom aus Photo­voltaik oder Windkraft zwischenzuspeichern. Beim sogenannten bidirektionalen Laden wird das Elektroauto durch eine Steuerung intelligent geladen und bei Bedarf entladen %%gallerylink:43283:(vgl. Abb.)%%. Dadurch könnten Schwankungen im Stromnetz z. B. eines Gebäudes oder Areals ausgeglichen werden.

Hinter dem Projekt OKEE steckt genau dieser Gedanke: die Vernetzung und Optimierung der Bereiche Elektrizität, Wärmeversorgung und Verkehr, eine sogenannte Sektorkopplung zwischen den Sektoren Gebäude und Mobilität. Das Institut für Nachhaltige Entwicklung (INE) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und novatlantis haben das Projekt auf dem Areal Erlenmatt Ost in Basel initiiert und setzen es in einem Projektkonsortium gemeinsam um. Als Partner beteiligen sich die ADEV-Energie­genossenschaft und die Stiftung Habitat. Sie alle sind an der praktischen Erprobung von Lade- und Eigenverbrauchslösungen für und mit Elektromobilität in grös­seren Arealen interessiert, sodass erstmals in der Schweiz ein komplexes Vehicle-to-Home-Pilotprojekt (V2H) mit einem Carsharing-Konzept kombiniert wird.

Derzeit gibt es noch viele technische und organisatorische Hindernisse bei der Umsetzung eines solchen ­Konzepts. Überhaupt ein geeignetes Areal zu finden war für die Projektverantwortlichen von OKEE eine grosse Herausforderung. Viele Anfragen scheiterten zum ­Beispiel an unterschiedlichen Planungshorizonten oder an ­fehlender Innovationsbereitschaft.

Glaubwürdiges Pilotprojekt

Nach intensiver Suche ergab sich der Kontakt zu den Verantwortlichen des Areals Erlenmatt Ost. Es zeigte sich, dass das Areal technisch für die Umsetzung der Sektorkopplung geeignet ist und die Schlüsselpersonen der ADEV-Energiegenossenschaft und der Stiftung Habitat grosses Interesse an diesem Pilotprojekt und der Zusammenarbeit haben. Das Areal Erlenmatt Ost wurde nach den Zielsetzungen der 2000-Watt-Gesellschaft entwickelt. Viele Gebäude entsprechen dem Standard Minergie-P-Eco, und alle sind mit PV-Anlagen auf den Dächern ausgestattet. So wird ein Grossteil des benötigten Stroms vor Ort produziert. Alle Gebäude bilden bereits heute eine Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG) mit ca. 400 Kunden (vgl. «Energie- und Soziallabor Erlenmatt Ost»).

Die Bewohner und Bewohnerinnen verpflichten sich via Mietvertrag zur EVG. Hier gibt es klare Kri­terien bezüglich Wohnfläche, Energieverbrauch und Mobilität. Das Quartier ist autoarm, entsprechend rar sind Parkplätze auf dem Gelände oder in der Tiefgarage. Konkret heisst das, pro zehn Wohnungen gibt es einen Parkplatz. Eine gute Ausgangslage, um mit der geteilten E-Mobilität den Nutzern einen Mehrwert anzubieten.

Seit Oktober 2018 steht ein Nissan Leaf in der Tiefgarage auf einem speziell ausgewiesenen Parkplatz und wird über eine bidirektionale Ladesäule mit arealeigenem Strom versorgt. Als eines der wenigen Elektro­fahrzeuge beherrscht dieses Auto die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G). Das heisst, die Batterie, ein 40-kWh-­Lithium-Ionen-Akku, kann auch wieder Strom ins Netz einspeisen. Sollte die Stromeigenproduktion auf dem Areal einmal nicht ausreichen, um das Fahrzeug zu laden, wird es vom übergeordneten Netz versorgt. Der Strom in Basel-Stadt stammt ausschliesslich aus erneuerbaren Energien, was für die Glaubwürdigkeit des Pilotprojekts und die Nutzung eines E-Autos zentral ist.

Im Gegensatz zu öffentlichen Carsharing-Modellen können ausschliesslich Personen, die auf dem Areal wohnen oder arbeiten, das Fahrzeug nutzen. Das Auto zu laden ist nicht komplizierter als Kraftstoff zu tanken. Ansonsten gelten die üblichen Regeln im Umgang mit Carsharing. Selbstverständlich muss das Auto rechtzeitig – mit Zeitpuffer zum Aufladen – zurückgebracht und an der Ladestation geparkt werden. Wenn die Batterie «ganz leer» ist, dauert das Laden sechs bis acht Stunden.

Bei einer durchschnittlichen Fahrleistung von ca. 40 km pro Tag dürften Ladezeiten zwischen drei und vier Stunden täglich ausreichen. Abgerechnet wird nach Mietdauer und gefahrenen Kilometern. Ein bestehendes Buchungs- und Abrechnungssystem wurde an die speziellen Rahmenbedingungen angepasst, sodass die Berechtigten via App oder Homepage das Auto ­buchen können.

Ab Anfang 2019 können die Bewohner zusätzlich auf einen Siebensitzer bzw. Transporter, einen Nissan Evalia, zurückgreifen, der als zweites Fahrzeug in das Projekt aufgenommen wird. Welches Fahrzeug für die Bewohnerinnen den meisten Nutzen bringen würde, wurde mithilfe einer Online-Umfrage eruiert.

Richtiger Anschluss, passender Stecker?

Bisher sind keine Standardprodukte vorhanden. «Aus ähnlichen Pilotprojekten in anderen Ländern sind keine Standardprodukte hervorgegangen», sagt Anna Roschewitz, Geschäftsführerin von novatlantis und Projektleiterin von OKEE. So exisierten auch immer noch unterschiedliche Systeme bei Steckern und Ladesta­tionen. Bei Neu- und Umbauten empfiehlt es sich daher,  an geeigneten Standorten Leerrohre und Fundamente und für allfällige Änderungen genügend Platzreserven einzuplanen. Für eine eventuelle grössere Fahrzeug­flotte könnte die Tiefgarage auf dem Areal Erlenmatt Ost mit weiteren bidirektionalen Lade­stationen aus­gestattet werden.

Daten aus dem Alltag

Das Pilotprojekt wird für ein Jahr wissenschaftlich begleitet. Die realen Pilotdaten stellen – anders als Daten auf Basis von Annahmen – einen Datenschatz dar, um zahlreiche technische und organisatorische Fragen zu beantworten. Offene Fragen haben die Projektpartner viele: Welche Erfahrungen ergeben sich aus der Zusammenarbeit der Beteiligten? Wie sieht das Mobilitätsverhalten der Nutzerinnen und Nutzer aus?  Wann stehen die mobilen Speicher für die Arealoptimierung zur Verfügung? Wie funktioniert die technische Einbindung der beiden bidirektionalen Elektroautos in das Energiemanagementsystem der Überbauung? Wie kann durch eine smarte Ladeplanung und die Beeinflussung des Nutzerverhaltens durch ein Tarifsystem der Eigenverbrauchsanteil erhöht werden? Lassen sich durch die Integration von Elektroautos in das Energiemanagementsystem des Areals neue Geschäftsmodelle identifizieren? Und können diese Erkenntnisse auf andere Areale oder Gemeinden übertragen werden? Welchen übergeordneten Beitrag leistet das Pilotprojekt für ­weitere Anwendungen in Basel und der Schweiz?

Um die Daten breiter abzustützen und festzustellen, ob und wie sie auf andere Überbauungen übertragbar sind, suchen die Verantwortlichen weitere Areale, in denen das Konzept angewendet werden kann. «Wenn jemand Interesse hat, sind wir gern zu einem Informationsgespräch bereit», betont Anna Roschewitz. Für Arealbetreiber und Eigenverbrauchsgemeinschaften, aber auch schon für Mehrfamilienhäuser könnte die geteilte E-Mobilität durchaus ein interessantes Modell sein.

Weitere Informationen zum Pilotprojekt OKEE.
Eine Übersicht, wie sich elektrische Energie speichern lässt, findet sich in TEC21 14–15/2017.

Am Bau Beteiligte
 

Projektbeteiligte
OKEE – Optimierung der Kopplung zwischen Elektrofahrzeugen und (Gebäude-)Energie­management
 

Auftraggeber
Kanton Basel-Stadt, Amt für Umwelt und Energie, AUE, Basel
 

Projektorganisation und Kommunikation
novatlantis, Villigen
 

Forschungspartner
ZHAW, Institut für nachhal­ti­ge Entwicklung, Winterthur
 

Umsetzungspartner Quartier
Stiftung Habitat, Basel
 

Umsetzungspartner Energiekonzept
ADEV-Energiegenossenschaft, Liestal
 

Industriepartner
Smart Energy Control, Brugg


So ein Müll!

Claudio Pfister ist Leiter e’mobile bei Electrosuisse.Claudio Pfister ist Leiter e’mobile bei Electrosuisse.

30 Tage ohne Essen – drei Tage ohne Trinken – drei Minuten ohne Atmen: So lang respektive nur so kurz können wir ohne sein. Beim Essen und Trinken sind wir wählerisch, bei der Luft hingegen nicht. Der grösste Müllberg der Menschheit ist die verschmutzte Luft. Das Schweizer Durchschnittsauto stösst fast einen Liter Abgas pro Meter aus. Pro gefahrenen Kilometer macht das 20 handelsübliche 35-Liter-Abfallsäcke. Das macht pro Person und Tag 400 Abfallsäcke voll Abgas in der Schweiz. Das Elektroauto hat beste Karten, um unsere Atemluft massgeblich zu verbessern. Kostengünstig im Betrieb, macht das Elektroauto mit seiner Beschleunigung Spass ohne Ende. Aber aus allen Richtungen tauchen Argumente gegen die Elektromobilität auf. Der noch etwas höhere Anschaffungspreis soll das Killerkriterium sein? Welchen Wert hat unsere Gesundheit? Wie viel Geld geben wir Tag für Tag für Lifestyle aus? Steigen Sie um.
(Claudio Pfister)

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