Von der Rea­li­tät ein­ge­holt

13. Interpraevent-Kongress in Luzern

Ende Mai diskutierten über 500 Experten in Luzern über die neuesten Entwicklungen in Wissenschaft und Praxis im Umgang mit Naturgefahren.

Data di pubblicazione
09-06-2016
Revision
14-06-2016

Gegründet in Kärnten 1967 unmittelbar nach drei verheerenden Hochwassern innerhalb von nur 18 Monaten, ist die «Interpraevent» in den letzten 50 Jahren zu einem der wichtigsten Treffen der Naturgefahrenfachleute geworden. Die international ausgerichtete Forschungsgesellschaft dient primär dem Wissens- und Erfahrungsaustausch.

Josef Hess, der Vizedirektor des Bundesamts für Umwelt (Bafu), bezeichnete den alle vier Jahre stattfindenden Kongress als Olympiade der Naturgefahrenfachleute. Und so wie es die olympischen Sommer- und Winterspiele gibt, findet auch die Interpraevent seit der Jahrtausendwende im Zweijahresrhythmus alternierend in Europa und in Asien statt.

1992 organisierte die Schweiz zum ersten Mal den Kongress. 24 Jahre später trafen sich Ende Mai die Naturgefahrenexperten wiederum in der Schweiz.1 Das Treffen mit über 500 Teilnehmern begann nur einen Tag nachdem Süddeutschland von schweren Unwettern heimgesucht worden war. Im Verlauf der viertägigen Konferenz stieg die Zahl der Hochwasseropfer in Baden-Württemberg und Niederbayern auf sieben.

Der neue Direktor des Bafu, Marc Chardonnens, sagte, eine Gesellschaft brauche Sicherheit, und der Schutz vor Naturgefahren gehöre dazu. Als Erfolgsfaktoren für die Bewältigung dieser Aufgaben in der Schweiz nannte er unter anderem politisch stabile Rahmenbedingungen, eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden sowie genaue Kenntnisse der Gefahren. Robert Küng, Regierungsrat des Kantons Luzern, plädierte dafür, nicht nur auf der Fachebene über Naturgefahren zu diskutieren, sondern den Dialog auch mit der breiten Bevölkerung zu führen. 

Den internationalen Bezug stellte Margareta Wahlström her, bis 2015 Sonderbeauftragte des Uno-Generalsekretärs für Disaster Risk Reduction. Sie berichtete insbesondere über das Sendai-Rahmenabkommen der Uno. Im japanischen Sendai verabschiedete die Staatengemeinschaft im März 2015 sieben globale Ziele sowie vier Handlungsprioritäten für die Periode 2015–2030.2 Für Wahlström besteht die Herausforderung insbesondere dar­in, wie wir vom Wissen zu konkreten Handlungen kommen. 

Die Themenvielfalt am diesjährigen Kongress beeindruckte. Juristische Aspekte, die Pflichten des Staats, Eigenverantwortung der Menschen, Kommunikation und Unterstützung der Gemeinden sowie die Frage, wie Frauen, Männer und Kinder von Naturkatastrophen unterschiedlich betroffen sind, kamen ebenso zur Sprache wie die klassischen Ingenieurthemen. 

Der Anspruch der Interpraevent, Forschung und Praxis zu verknüpfen, ist kein leeres Versprechen. 60 % der Autoren der eingereichten Fachbeiträge würden sich der Praxis zuordnen, sagte Kurt Rohner, der Präsident der Interpraevent. Er ist in der Kärntner Landesverwaltung im Wasserbau tätig, und ihn beeindruckt unter anderem die Elementar­schadenversicherung in der Schweiz, die an die Feuerversicherung der Gebäude gekoppelt ist. Andere Länder kennen das in dieser Form nicht oder nur ansatzweise, daher muss nach Naturereignissen oft der Staat im grossen Stil einspringen.

Anmerkungen

1 www.interpraevent2016.ch
2 www.unisdr.org


SIA-Norm 261/1 wird revidiert

Die 2003 in Kraft getretene SIA-Norm 261/1 über die Einwirkungen auf Tragwerke enthält zwar Erläuterungen zu Rutschungen, Murgängen, Hochwasser, Schnee- und Lawinendruck, Stein-, Block- und Eisschlag, Hagel sowie Wind. Damals war in der Schweiz die Gefahrenkartierung aber erst wenig fortgeschritten. Heute existieren für das Siedlungsgebiet fast lückenlos Gefahren- und Intensitätskarten.

Mit der geplanten Revision, die vom Bundesamt für Umwelt finanziell massgeblich unterstützt wird, sollen die Grundlagen für eine Bemessung bezüglich der gravitativen Naturgefahren geschaffen werden. Dabei kann auf die 2005 publizierte und derzeit in Überarbeitung befindliche Wegleitung zum Objektschutz der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen zurückgegriffen werden.

Ein Konzeptbericht soll bis im Frühjahr 2017 vorliegen.

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