Baul­mes für Uralt­bäu­me au­sge­zeich­net

Binding Waldpreis 2015

Für den sorgsamen Umgang mit ihren zahlreichen alten Bäumen erhält die Waadtländer Gemeinde Baulmes den mit 200.000 Franken dotierten Binding Waldpreis.

Data di pubblicazione
20-08-2015
Revision
31-10-2015

Für den Binding Waldpreis 2015 war ein Waldeigentümer gesucht, der sich in besonderer Weise für Uraltbäume einsetzt. Gefunden wurde er am Fuss des Juras: Die Waadtländer Gemeinde Baulmes zählt in ihren Wäldern über 7200 Bäume mit einem Durchmesser von mehr als 70 cm (und einem Umfang von deutlich mehr als 2 m). Die hiesigen Sägereien können solche Riesenbäume kaum mehr verarbeiten, doch stehen für den Holzmarkt genügend kleinere Bäume zur Verfügung. Die grossen und alten Bäume werden in Baulmes hingegen verehrt, gehegt und gepflegt.

Das Kuratorium des Binding Waldpreises hat nicht nur der hohe Anteil von 7.5 Bäumen pro Hektare mit über 70 cm überzeugt. Das Spezielle sei, dass die Altbäume in die Bewirtschaftung des Walds integriert würden und so einen Platz im Wirtschaftswald bekämen, sagte Georg Schoop, der Präsident des Kuratoriums, an der Preisverleihung in Basel. Eine ausgeprägte Sensibilität für die Pflege dieses Erbes existiere schon seit vielen Jahren. Mit dem «Sentier des géants» – dem Weg der Riesen – werde die Wirkung alter Tannen und Fichten für die Menschen emotional erlebbar gemacht, so Schoop. 

Der «Président» wird alle zehn Jahre vermessen

Die Wertschätzung der alten Bäume äussert sich auch darin, dass die drei grössten Bäume einen Namen besitzen. Der «Président» ist eine 300-jährige und 48.5 m hohe Weiss­tanne mit einem Umfang von 4.56  m und einem Durchmesser von 1.45 m. Der «Président d’honneur», ebenfalls eine 300-jährige Weisstanne, stand einst an erster Stelle. Ende 2014 ­wurde sie leider durch einen Vandalenakt schwer geschädigt. Der «Chêne Président» ist eine 250-jährige Eiche. Pierre-François Raymond, der für die Gemeinde zuständige Forstinspektor, vermisst den «Président» alle zehn Jahre. Und nach getaner Arbeit wird jeweils mit einem Glas Wein auf den Baumriesen angestossen. Das Erbe der baumverehrenden Kelten scheint hier weiterzuleben. Und man spürt ein bisschen die Magie der kalifornischen Mammutbäume – einfach im helvetischen Massstab.

«Wir sind stolz auf unsere alten Bäume», sagte Julien Cuérel, der Gemeindepräsident von Baulmes, anlässlich der Preisübergabe. Seit mehr als hundert Jahren würden diese bemerkenswerten Bäume geschützt. Die Erhaltung der alten Bäume erfolge in Kooperation mit dem Forstdienst und den Akteuren des Naturschutzes. Dass man in Baulmes aber nicht nur Bäume schützt, sondern den Wald auch zu nutzen weiss, zeigt sich dar­an, dass seine Einwohner bis in die 1950er-Jahre keine Gemeindesteuern zu entrichten hatten. Wollte die Gemeinde ein grösseres Bauvorhaben finanzieren, liess man im Gemeindewald – Baulmes zählt zu den zehn grössten Waldbesitzern in der Waadt – einige Bäume fällen und verkaufte diese.

Uraltbäume sind wichtig für die Biodiversität im Wald. Zahlreiche Tierarten profitieren von den ­vielfältigen Strukturen am Stamm, an der Rinde und in der Baumkrone: Hohlräume, Risse in der Borke und ab­gestorbene Äste bieten verschiedenste Lebensräume. Auf uralten Eichen konnten über tausend verschiedene Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen werden – von Flechten und Moosen über Insekten bis zu Vögeln: Drei dieser bedrohten und in der Schweiz selten gewordenen Arten sind Mittelspecht, Alpenbock und Lungenflechte.

Uralte Beziehung von Mensch und Wald

Unser Verhältnis zu Wald und Bäumen war das Thema der Festrede von Claude Martin, dem ehemaligen Direktor des WWF International. Ob es einem bewusst sei oder nicht, der Wald habe die Menschen seit jeher beeinflusst. Unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, lebten alle in Regenwäldern, und auch die indigenen Waldvölker seien seit Jahrtausenden Teil dieses Ökosystems. Die evolutionäre Affinität der Menschen zum Wald manifestiere sich – sofern nicht gänzlich von den Auswüchsen der urbanen Kunstwelt zugeschüttet – immer wieder in vielfältiger und manchmal unerklärlichen Weise, sagte Martin.

Es stelle sich aber die Frage, wieso an so vielen Orten auf dem Planeten trotz der Ehrfurcht vieler Menschen Wälder immer noch vernichtet würden. Mit der Entstehung des Ackerbaus in der Jungsteinzeit, so Martin, sei der Wald zum Hindernis für die landwirtschaftliche Produktion geworden. Wenn aber heute wertvolle Tropenwälder zerstört würden, um pro Hektar das Fleisch eines einzigen Rinds zu erzeugen, so habe dieser Wahnsinn noch andere Ursachen. Eine mögliche Erklärung dafür sei, dass die Investitionsentscheide für solch zerstörerischen Kommerz in den Metropolen von Geschäftsleuten getroffen werden, deren Welt von den betroffenen Bäumen und Tieren des Walds völlig entkoppelt ist.

Wenn sich die Bevölkerung von Baulmes für ihre uralten Bäume einsetze, so ist dies laut Martin Ausdruck einer tiefen Beziehung und eines grossen Respekts. Für die Menschen seien die dreihundertjährigen Tannen und Eichen Zeugen des vergangenen Lebens ihrer Vorfahren und gehörten genauso zu ihrer Identität wie ihr Heimatschein. Und er zitierte unter anderem John Muir, den berühmten amerikanischen Naturschützer der ersten Stunde aus dem späten 19. Jahrhundert: «Going to the woods is going home.» 

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