«Die Pro­jekte nach 2025 sind nicht in Stein ge­meis­selt»

Gespräch mit Toni Eder, Vizedirektor BAV

Welche Aufgaben kommen auf das Bundesamt für Verkehr zu, wenn die Vorlage FABI ange­nommen wird –und was ­würde ein Nein bedeuten?

Date de publication
29-01-2014
Revision
13-10-2015

TEC21: Das Bundesamt für Verkehr hat die Botschaft zu Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) für den Bundesrat vorbereitet. Nach welchen Kriterien haben Sie die Projekte für den ersten Ausbauschritt ausgewählt, und wo liegen die Unterschiede zu den Vorhaben in ZEB 
Toni Eder: Wir haben analysiert, wo es eine Überlast gibt und wo sich mit der erwarteten Verkehrsentwicklung weitere Engpässe zeigen. In einem nächsten Schritt bewerteten wir die Entwicklungsmodule volks- und betriebswirtschaftlich. Die definitive Auswahl erfolgte dann ergänzt mit den Kriterien: Nutzen in allen Landesteilen und Aufwärtskompatibilität. Dabei war das vorgegebene Budget einzuhalten. Wir haben festgestellt, dass sich die Engpässe derzeit wie ein Bogen durch das schweizerische Mittelland ziehen: die Region Léman, Bern, Zürich, der Raum Basel und St. Gallen. 
Obwohl im ersten Ausbauschritt (STEP 25) keine Neubauprojekte wie sehr grosse Tunnel vorgesehen sind, ist der Sprung gegenüber den ZEB-Projekten recht gross, was die Kosten angeht. Bei den ZEB-Projekten ging es darum, das bestehende Netz maximal auszunutzen. Um Probleme in den Agglomerationen und zwischen den Metropolitanräumen zu lösen, reichen kleinere Anpassungen nicht mehr aus. Neu gegenüber den früheren Programmen ist Folgendes: Der erste Ausbauschritt 2025 ist festgelegt, die zukünftige Entwicklung mit der Langfristperspektive ist aufgezeigt, und weitere Projekte sind mit Dringlichkeitsstufen genannt. Diese Projekte sind aber noch nicht in Stein gemeisselt. Nimmt der Verkehr weniger schnell zu als prognostiziert, müssen wir einzelne Projekte später realisieren oder im umgekehrten Fall eventuell auch beschleunigen.

TEC21: Solche Beispiele gibt es immer wieder.
T. E.: Ja, die veränderte Einstellung der Verkehrsteilnehmer zum öffentlichen Verkehr und die Situation auf den Strassen in der Region Léman hatten beispielsweise grossen Einfluss auf die Planung. Die Verkehrsentwicklung unterscheidet sich deutlich von den Prognosen von vor 15 Jahren. Viele steigen auf öffentliche Verkehrsmittel um. Das führte aber dazu, dass Umplanungen notwendig wurden. Bei der Neubaustrecke zwischen Rupperswil und Gruemet im Aargau ist hingegen noch Zeit, um die Linienführung zu definieren. Deshalb haben wir das Geld, das für den Tunnel vorgesehen war, aus ZEB herausgenommen. Dieser Betrag soll im Rahmen von FABI im Raum Lausanne eingesetzt werden. Dort wird derzeit die Modernisierung und Vergrösserung des Bahnhofs Lausanne geplant. Der Ausbau soll 2017 beginnen und bis 2025 abgeschlossen sein. Zudem ist ein viertes Gleis zwischen Lausanne und Renens im Kanton Waadt vorgesehen.

TEC21: Die NEAT-Zulaufstrecken in der Schweiz sind noch nicht ausgebaut. Ist dafür Geld vorgesehen 
T. E.: Mit dem 2. Volksbeschluss 1998 wurde die NEAT redimensioniert und der Ausbau der Zulaufstrecken zurückgestellt. Mit den Basistunnels ist aber der Anfang gemacht. In ZEB sind mehrere hundert Millionen Franken enthalten, um den ursprünglichen Zielen einen Schritt näher zu kommen, z. B. die Kapazitätssteigerung Güterverkehr Basel–Gotthard-Nord, Gotthard-Süd–Chiasso. Dabei geht es um eine Zugfolgeverdichtung. Diese Projekte zusammen mit den Massnahmen im Projekt «4-Meter-Korridor» sollen die NEAT leistungsfähiger machen. Wesentliche Verbesserungen auf der Nord-Süd-Achse sind deshalb in STEP 25 nicht mehr vorgesehen, wobei natürlich bei Ausbauten in den Räumen Basel, Aargau, Tessin auch die Nord-Süd-Achse profitiert.

TEC21: Neben den konkreten Projekten gibt es in STEP 25 den Punkt «Planungsmittel für den nächsten Ausbauschritt». Was verbirgt sich dahinter 
T. E.: Das Vorgehen, dass Planungsmittel für einen noch festzulegenden Ausbauschritt gesprochen werden, erachte ich für einen kontinuierlichen Planungs- und Bauprozess als sehr zielführend. Heute beginnen die Arbeiten an der Vorlage für das Jahr 2018 und dem darin enthaltenen Ausbauschritt bis 2030 – ein Ja zu FABI am 9. Februar 2014 vorausgesetzt. Damit wir nach einer Zustimmung des Parlaments bis zum Baubeginn nicht zu viel Zeit verlieren, steht uns für die Planung der im Ausbauschritt 2030 vorgesehenen Projekte Geld zur Verfügung. Im entsprechenden Gesetz zu FABI hat das Parlament bereits definiert, dass die Strecken Aarau–Zürich–Winterthur mit dem Brüttenertunnel, die Strecke Zürich–Zug–Luzern mit dem Zimmerbergtunnel und dem Tiefbahnhof und der Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels projektiert werden sollen. 

TEC21: Das sind einige grosse Brocken zwischen 2025 und 2030 …
T. E.: … das Gesetz wurde entsprechend formuliert. Dort heisst es «voraussichtlich bis 2030. Je nach Entwicklung …» Wir wurden vom Parlament auch gefragt, ob die Bauindustrie überhaupt in der Lage sei, so viel zu bauen. Die Ausgaben für Neubauten entsprechen den heutigen Ausgaben zum Bau der NEAT. Das kann die Bauwirtschaft. Aber klar ist, der Nutzen steht im Mittelpunkt, es ist kein Programm zur Stützung der Bauwirtschaft, sondern ein öV-Entwicklungsprogramm. Allerdings ist ein gewisser Vorteil solcher Programme für Planungsbüros und Bauunternehmer nicht zu leugnen. Sie können in der Planung schon früh sehen, welche Massnahmen vorgesehen sind, und entsprechend reagieren. 

«FABI ist ein Entwicklungsprogramm für den öffentlichen Verkehr, kein Programm, um die Bauwirtschaft zu stützen.»

TEC21: Lassen sich die geplanten Vorhaben auf dem bestehenden, dichten Netz überhaupt umsetzen, ohne den Verkehr zum Erliegen zu bringen 
T. E.: Die SBB schenken diesem Punkt besondere Beachtung und haben intern neue Strukturen für diese Planung geschaffen. Nehmen wir die Strecke Bern–Lausanne. Aufgrund der Umbauarbeiten am Bahnhof Lausanne sind Langsamfahrstellen nötig. Geplant ist auch ein Ausbau im Raum Holligen für die S-Bahn Bern, was ebenfalls eine Langsamfahrstelle zur Folge hätte. Die Zeiträume müssen exakt aufeinander abgestimmt und weitere Baustellen, auch Unterhaltsarbeiten auf der Strecke, vermieden werden. In aussergewöhnlichen Fällen kann es zu Sperrungen kommen; das verändert den Fahrplan, oder er wird weniger verlässlich. Um das System auf hohem Niveau halten zu können, darf es jedoch keinen Unterhaltsstau geben. Diesen Aufwand unterschätzt man von aussen.

TEC21: Das Bewusstsein für die Fragen der Raumplanung hat in der Bevölkerung stark zugenommen. Inwiefern haben Sie als BAV diese Fragen berücksichtigt  
T. E.: Die Stärke der Schweiz sind die Zentren mit ihren Subzentren wie Burgdorf oder Wil. Diese muss man in das Gesamtnetz gut einbinden. Aufgrund der Analyse des bestehenden Netzes und der Anforderungen in der Zukunft war klar, dass die Kapazitäten zu erhöhen sind, nicht die Geschwindigkeit. Wir schaffen gute Verbindungen, aber keine Verbindungen, wie wir sie von U-Bahnen oder einer Metro kennen. Wir möchten mit dem Viertelstundentakt in den grossen Agglomerationen, dem Halbstundentakt etwas weiter ausserhalb und einem Grundnetz im Umland die heutige Siedlungsstruktur behalten und die Raumplanung unterstützen. Damit uns das in Zukunft nicht nur qualitativ gelingt, wird jedes neue Angebot auf seine räumliche Wirkung hin untersucht. Ein zusätzliches Tool ist für den Ausbauschritt 2030 vorgesehen. Damit kann man auf Karten zeigen, wie gut die Massnahme die Raumplanungsziele unterstützt.  

«Wir reden von einem Mobilitätssystem. Dazu gehören Schiene und Strasse gleichermassen.» 

TEC21: Zurzeit deutet vieles auf eine Annahme der Vorlage hin. Könnte sich die Ablehnung der Erhöhung der Autobahnvignettengebühr auf FABI auswirken  
T. E.: Ob sich das «Nein» tatsächlich auf das Abstimmungsverhalten auswirkt, kann ich nicht beurteilen. Wird die FABI-Vorlage hingegen abgelehnt, müsste man völlig neu priorisieren. Wir hätten kein Geld mehr für zusätzliche Ausbauten und könnten lediglich die Projekte im Programm ZEB umsetzen. Die andere Seite ist die Finanzierung des Unterhalts, die nicht mehr gewährleistet wäre. Zudem gibt es kantonale Folgeprojekte, die auch nicht umgesetzt werden könnten. Ich möchte zu bedenken geben, dass wir von einem Mobilitätssystem reden. 
Die Bahn hat in gewissen Bereichen ihre Vorteile und die Strasse in anderen. Es braucht beides, und es geht nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen, sondern beide weiterzuentwickeln. In den Agglomerationen ist der öffentliche Verkehr sehr wirkungsvoll. Die Taktverdichtungen beziehen sich auf Gegenden, wo man sich sinnvoll mit dem öffentlichen Verkehr fortbewegen kann. In ländlichen Gebieten stellen wir eine Grunderschliessung sicher, es ist nicht sinnvoll, in jedes Dorf eine Bahnlinie zu bauen. 

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