Den Bo­den als Res­sour­ce be­trach­ten

Tagung Landmanagement

Der Boden lässt sich nicht vermehren. Wie sich diese Schlüsselressource besser schützen liesse, war Thema der diesjährigen Landmanagement-Tagung an der ETH Zürich. Die Hoffnungen beruhen auf einer griffigeren Raumplanung und einer nationalen Bodenstrategie.

Publikationsdatum
26-03-2015
Revision
07-10-2015

Die Vereinten Nationen haben 2015 zum internationalen Jahr des Bodens erklärt. Diesen Steilpass nahmen verschiedene Organisationen und Forschungsinstitute auf, die sich professionell mit dem Bodenschutz und der Raumplanung beschäftigen. An der 10. Landmanagement-Tagung an der ETH Zürich stand die Frage im Zentrum, welche Beiträge ein modernes Landmanagement für die nachhaltige Nutzung der Böden leisten kann.1 Federführend bei der Organisation waren der Verband für Geomatik und Landmanagement geosuisse und der Fachbereich Landschaftsplanung und urbane Systeme des Instituts für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH Zürich (IRL-PLUS).

Sensible Bevölkerung

In der Verantwortung stehen neben der Politik auch die Baufachleute. Diese würden dem Boden aber zu wenig Beachtung schenken, sagte SIA-Präsident Stefan Cadosch selbstkritisch. Doch die Schweizer Bevölkerung reagiere zunehmend sensibel, wie verschiedene Abstimmungen gezeigt hätten. Ein ungelöstes Problem stellt für ihn das Bauen ausserhalb der Bauzone dar. Eine der grössten Herausforderungen bestehe zudem darin, das Bauen an jene Orte zu lenken, wo es auch hingehört. Damit dies gelingt, ist laut Cadosch insbesondere die Verdichtung der bestehenden Siedlungsgebiete sorgfältig voranzutreiben.

Aber auch auf internationaler Ebene ist der Bodenschutz lückenhaft. So gibt es etwa kein umfassendes Abkommen über den Boden, während die internationale Gemeinschaft 1992 die Konventionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität vereinbarten. «Ohne fruchtbare Böden können wir aber keines dieser beiden wichtigen Ziele erreichen», sagte Adrienne Grêt-Regamey vom IRL-PLUS der ETH Zürich. Den Biodiversitätsverslust zu stoppen und die globale Klimaerwärmung auf höchstens 2 ° C zu begrenzen, sei ohne Einbezug der Böden nicht möglich. Diese stellen die Grundlage für die Ökosysteme und einen gigantischen Kohlenstoffspeicher dar. Und dass das Menschenrecht auf angemessene Ernährung ausreichend intakte landwirtschaftliche Produktionsäche bedingt, versteht sich von selbst.

Bodenschutz integrieren

Deshalb plädierte Grêt-Regamey dafür, den Bodenschutz vermehrt in andere Politikbereiche zu integrieren auf die Schweiz bezogen erwähnte sie die Raumplanung, den Schutz der wertvollsten ackerfähigen Böden (Fruchtfolgeflächen) und die Gewässerrevitalisierung. In das Konzept der Ökosystemleistungen müssten die Leistungen des Bodens vermehrt einfliessen.

Bettina Hitzfeld vom Bundesamt für Umwelt skizzierte die Entwicklung im Bodenschutz. Zuerst wollte man den Boden vor Schadstoffen schützen, auch die Sanierung von Altlasten war Thema. Später folgte der physikalische Bodenschutz zum Schutz vor Verdichtung. Derzeit spricht man vermehrt über Bodenfunktionen (z. B. Nahrungsmittelproduktion, Reinigung des Wassers, Kohlenstoffspeicherung, usw.). Hitzfeld gab allerdings zu bedenken, dass weniger als einen Drittel der landwirtschaftlichen Flächen kartiert sei.

Martin Vinzens vom Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) verwies auf die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG). Die erste Etappe ist seit Mai 2014 in Kraft, die zweite Etappe befindet sich in der Vernehmlassung, stösst dem Vernehmen nach aber auf Widerstand. Die Raumplanung stehe immer auch in einem politischen Umfeld, sagte Vinzens. Sehr viel hängt zudem von den Kantonen und Gemeinden ab. Diese Rahmenbedingungen machen die Sache für den langfristigen Bodenschutz nicht gerade einfach. 

Fruchtfolgeächen schützen

Der konsequente Schutz der Fruchtfolgeflächen bezweckt die besten Ackerböden für die Zukunft zu sichern. Der Sachplan «Fruchtfolgeflächen» legt für alle Kantone Flächenerhaltungsziele fest. Mit der 2. Etappe der RPG-Revision soll der Schutz der fruchtbarsten Böden nun auf Gesetzesstufe verankert werden. Zuständig für den Schutz der Fruchtfolgflächen ist das ARE. Mit der ersten Etappe der Revision des RPG erhielt das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ein Beschwerderecht gegen Entscheidungen, die Fruchtfolgeflächen betreffen. Vielleicht lassen sich dann Fälle verhindern wie im Kanton Uri, als 2008 bei Erstfeld auf der anderen Talseite der Baustelle des Nordportals des Gotthardbasistunnels ein riesiger LKW-Ausstellplatz auf Landwirtschaftsland erstellt wurde. Laut Jörg Amsler vom BLW wurde sein Bundesamt damals leider zu spät beigezogen.

Zu wenig klare Ziele

Der zweite Teil der Tagung war der Praxis gewidmet. Für Robert Wernli vom Vermessungs- und Ingenieurbüro Ackermann & Wernli AG werde die Forderung der Erhaltung der Fruchtfolgeächen auch dazu missbraucht, wenn es etwa darum gehe, unliebsame Vergrösserungen des Gewässerraums oder Ökoächen zu verhindern. Im Rahmen von modernen Meliorationen, die sich von den klassischen Güterzusammenlegungen zu gesamtheitlichen Projekten zur Gestaltung und Förderung des ländlichen Raum gewandelt haben, sind Interessens- und Nutzungskonikte zu lösen. Die in der Politik vorherrschende Polarisierung wirke leider oft bis in die Ämter der kantonalen Verwaltungen und in die Projekte hinein, sagte Wernli. So würde etwa eine Amtsstelle sich für die integrale Erhaltung des Bodens an einem bestimmten Ort einsetzen, während eine andere den fruchtbaren Oberboden abtragen wolle, um magere Standorte für den Naturschutz zu schaffen. Um mit diesen Zielkonflikten besser umgehen zu können, wären laut Wernli klarere Zielvorgaben notwendig.

Über eines der grössten aktuellen Projekte im Bereich des Landmanagements berichtete Paul Michelet von der Dienststelle für Landwirtschaft des Kantons Wallis. Der Landbedarf für die dritte Rhonekorrektion beträgt 870 ha; im ursprünglichen Projekt wären 380 ha Fruchtfolgeflächen benötigt worden (gemäss Sachplan rund 5% der Walliser Fruchtfolgeflächen). Das Projekt wurde nun optimiert, so dass 70 ha Fruchtfolgeflächen weniger beansprucht werden. Im September 2014 bewilligte der Walliser Staatsrat die finanziellen Mittel. Weil das Referendum ergriffen wurde, entscheiden die Walliser Stimmberechtigten am 14. Juni 2015 über das Jahrhundertprojekt der Rhonekorrektion.

Boden ist auch Eigentum

Wie Martin Fritsch von der Beratungsrma emac in seiner Synthese zur Tagung erläuterte, liegen die Elemente eines qualitativen und quantitativen Bodenschutzes auf dem Tisch und griffige Ansätze würden diskutiert. Aber noch viel zu oft werde der Boden einfach als Produktionsfaktor gesehen: als Investitionsgut, als Baugrund oder Deponie. Dabei sollte er viel mehr als Ressource betrachtet werden. Bei der konkreten Umsetzung zeige sich zudem, dass Boden immer auch Eigentum sei. Das Schweizerische Recht kenne kein umfassendes Bodenschutzgesetz, sagte Fritsch.

Während beispielsweise beim Wasser konsequent von einer Ressource gesprochen werde, sei der Boden in verschiedenen Gesetzen wie dem Umweltschutz-, dem Raumplanungs-, Landwirtschafts-, Wald- und Natur- und Heimatschutzgesetz integriert. Und so fehle es leider oft an einer integralen Sicht. Eine Möglichkeit, dieses Defizit zu überwinden, könnte in einer nationalen Bodenstrategie liegen. Die Bundesämter für Umwelt, Landwirtschaft und Raumentwicklung arbeiten aktuell an einem Entwurf. Der Schutz der Böden scheint international und national grundsätzlich mit ganz ähnlichen Defiziten konfrontiert zu sein.


Ungebrochen hoher

Kulturlandverbrauch Anfang März 2015 präsentierte das Bundesamt für Statistik anlässlich des internationalen Jahr des Bodens vertiefte Analysen zur Aeralstatistik zwischen 1985–2009. Diese zeigen, dass in dieser Periode allein das Wohnareal um 44% zunahm, doppelt so stark wie die Bevölkerung. Die Siedlungsflächen dehnten sich um 23.4% aus, während sich das Strassenaral um 17.2% vergrösserte. In der Talsohle war der Kulturlandverlust mit 2.2m2 pro Sekunde doppelt so gross wie im nationalen Durchschnitt. Die Verminderung der Landwirtschaftsfläche um 5.4% zwischen 1985–2009 lässt sich zu zwei Dritteln auf die Ausdehnung der Siedlungsgebiete zurückführen.
Weitere Infos: http://bit.ly/Bodenbedeckung, http://bit.ly/Bodennutzung

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