Sind wir die Gu­ten?

Rapperswiler Tag 2014: Schöne Aussichten!

Der diesjährige Rapperswiler Tag der Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten versprach offen eine Nabelschau: Klar werden wollte man sich als Berufsstand über die eigene gesellschaftliche Relevanz und wie man diese noch befördern könnte.

Publikationsdatum
01-04-2014
Revision
25-08-2015

Als Auftakt desillusionierte Stefan Kurath, Architekturprofessor an der ZHAW, am Beispiel von Pfäffikon SZ die letzten treuen Seelen, die noch an die Wirksamkeit der Raumplanung geglaubt hatten. Mit hartem Strich zeichnete er die Akteursnetzwerke nach, in denen die Landschaftsarchitektur mit dem weichen Bleistift nur eine von vielen Figuren – und allzu oft auch nur eine Randfigur – darstellt. Kein Wunder kämen Planungsinhalte in solch ungünstigen Konstellationen nie in der Siedlungsrealität an.

Als des Teufels Advokat stellte Wulf Tessin, Emeritus in planungsbezogener Soziologie der Uni Hannover, im Anschluss in gewohnt charmanter Manier gleich den gesamten Problemhorizont der Profession in Frage. Nichts weiter als ein Ist-Zustand werde skandalisiert und einem Zwang zur Daueroptimierung unterworfen, um die landschafts-architektonische Maschine zu befeuern und damit die personellen Kapazitäten auszulasten. Da die Bevölkerung die so konstruierte Problemlage nicht wahrnehmen wolle oder könne, müsse sie – gemäss Tessin nicht immer mit lauteren Mitteln – von Problem und Lösung mit Nachdruck überzeugt werden. Mit geschicktem Marketing der Ideen, vermittelt von charismatischen Akteuren, könne so manch inhaltliche Leerstelle gefüllt werden. Wo dies nicht reiche, könnten immer noch diverse Sachzwänge geltend gemacht werden, darunter – wunderbar demontiert – der vielbeschworene Genius Loci, dem Tessin ironisch überspitzt rundweg jede Daseinsberechtigung absprach.

In medias res

Schöne Aussichten? Eher eine schöne Bescherung. Im grossen Massstab gescheitert, von der Bevölkerung verkannt – in den ersten beiden Referaten waren viele Mythen lustvoll zerschlagen, aber auch noch keine Lösungen angeboten worden. So ging es also für einen ersten Abstecher in die Praxis. Gefordert worden war bereits von den Vorrednern mehr Bürgernähe, nun machten sich Ines-Ulrike Rudolph (tx-büro für temporäre architektur, Berlin) und Marco Broekman (Karres en Brands, Hilversum NL) für ein Rollenverständnis der Landschaftsarchitektur stark, die ihre Aufgabe vor allem in der Moderation von Prozessen sieht.

Die Bilder der aus solchen kollektiven Prozessen entstandenen Projekte ähnelten sich erstaunlich, nicht zuletzt auch im Vergleich mit den am Nachmittag gezeigten, dem temporären / permanenten Garten Kalkbreite (Sabine Wolf) und den Beteiligungsgärten von Atelier le balto. Die Frage, ob die Anarchie denn so organisiert sein müsse, wurde nicht ganz zu Unrecht gestellt. Mit umfangreichen Bewerbungsprozeduren, vorgegebenen Budgets und gelenkter Basisdemokratie wird das Bürger-Engagement einer Qualitäts-sicherung von professioneller Seite unterzogen, der die Lust am Scheitern nach den Erfahrungen im grossen Massstab definitiv abhanden gekommen zu sein scheint: Aus der Graswurzelbewegung trimmt man dann doch lieber einen passablen Rasen. Peter Latz kritisierte denn auch solche Ansätze als Mittelstandsvergnügungen. Die Landschafts-architektur sonne sich viel zu sehr in der Überzeugung: «Wir sind die Guten!»

Weltverbesserer und Zuhörerinnen

Die gefühlte Ratlosigkeit der älteren Generation durchbrach wohltuend und versöhnlich zum Schluss dann das Verständigungsbüro des Zürcher Künstler/innen-Duos Interpixel in Olten. Einen Monat lang hatten Eva-Maria Würth und Philippe Sablonier ein offenes Ohr für Anliegen aus der Stadt. Offen auch das Ergebnis, bewusst schielte man nicht auf eine Publikation. Ein paar irritierend schöne Fotos und Anekdoten gab das Duo dennoch zum Besten. Der Dialog mit der Bevölkerung, der in fast jedem Referat gefordert wurde, hier vollzog er sich plötzlich leichtfüssig und unverkrampft.

In der von Rahel Marti («Hochparterre») geleiteten Podiumsdiskussion schliesslich wurde gewarnt vor einer Partizipations- und Transdisziplinaritätsfalle, die sich im Management inhaltsloser Prozesse erschöpfe (Kurath). Gerade deshalb würde man der Profession ein vermehrtes Hin- und Zuhören im Kleinen wünschen, genauso wie eine lautere und selbstbewusstere Einmischung in die laufenden Debatten im Grossen.

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