Schwei­zer So­lar­haus holt ers­ten Preis in den USA

Mitte Oktober fiel in Denver die Entscheidung: Von elf Finalisten im Endspurt um die Auszeichnung für ein Solarhaus obsiegte die Equipe aus der Westschweiz. Sie holte sich den ersten Preis im Betrag von 300 000 Franken. Ihr Solarhaus «NeighborHub» wurde am Labor für intelligentes Wohnen im Rahmen der Bluefactory Freiburg im Üechtland entwickelt. 

Publikationsdatum
23-10-2017
Revision
23-10-2017

Am Projekt beteiligt waren Studierende der Hochschule für Technik und Architektur und der Universität Fribourg, der EPF Lausanne und der Hochschule für Kunst und Design in Genf – vier Hochschulen, 250 Studierende, darunter 44 Solarzehnkämpfer in Denver, 150 Berater aus der professionellen und akademischen Welt und fast 50 Partner (vgl. «Schweizer Solarhaus im internationalen Wettbewerb»). Und als ebenso wichtig wie der Sieg erwies sich das menschliche Abenteuer – eine prägende und unvergessliche Lernerfahrung.

Ungehorsam als konstruktive Idee

Die Ausschreibung schlug vor, ein solarbetriebenes Einfamilienhaus zu entwickeln und als Prototyp zu bauen. Die Verantwortlichen der Schweizer Equipe waren von der Idee «Wohnhäuschen» aber wenig begeistert und stellten sich eigenmächtig die Aufgabe, eine Art Quartierzentrum zu entwerfen. Das kann in etwa gleich gross wie ein Einfamilienhaus sein, hat jedoch breiten Nutzen und nachhaltige Wirkung – so die Überlegung dahinter. Ungehorsam als konstruktive Idee sozusagen. Das Haus der Schweizer Equipe stellte sich drei Ziele:

  • Partizipation in der Planung. Entwicklung und Transformation des Quartiers, in dem das Haus steht, werden in einem partizipatorischen Prozess begleitet. Das Haus wird zum Treffpunkt, Ort des Austauschs und der Diskussion verschiedener am Entwicklungsprozess des Quartiers beteiligter Akteure: Bewohner, Verwaltung, Investoren, Vereine, Energieproduzenten.
  • Showcase Leuchtturm. Das Haus zeigt verschiedene technische, architektonische und soziale Prinzipien auf, die von Bauherren in ihren Projekten umgesetzt werden können. Durch die modulare Struktur, insbesondere der Fassade, lassen sich technische Elemente dem neuesten Stand anpassen.
  • Learning by doing. Im Haus kann durch verschiedene Aktivitäten und anhand von sieben Schlüsselthemen (Energie, Wassermanagement, Abfallmanagement, Mobilität, Essen, Material, Biodiversität) erlebt und erlernt werden, welche die besten Praktiken sind, um den Energieverbrauch und den CO2-Fussabdruck stark zu reduzieren. Ziel ist die 2000-Watt-Gesellschaft.


Arbeit im Team

Nach mehr als zwei Jahren intensiver Vorbereitung kann das Schweizer Team auf die Leistung seiner Studierenden stolz sein. Insgesamt haben mehr als 250 von ihnen mitgedacht, mitgeplant und mitgearbeitet. Das clevere Solarhaus misst aussen 15 x 12 x 4 m, sein beheizter Kern ist 8,8 x 7,2 m gross. Gebaut ist es aus Kertoplatten von 27 und 21 mm Dicke, gedämmt mit Pavatherm. Die Fassade besteht aus Metall und Polycarbonat, Acrylglas, Photovoltaikpaneelen und thermischen Paneelen.

Nach seinem probeweisen Aufbau in der Bluefactory überquerte das Haus – in Teile zerlegt und Container verpackt – den Atlantik, reiste mehr als 10 000 km auf Strasse, Meer und Schiene und bahnte sich seinen Weg durch die Hurrikane Harvey und Irma. Elf Container waren bereits vor den «Solar-Zehnkämpfern» in Colorado angekommen. Der zwölfte kam am dritten Montagetag an, gerade rechtzeitig, um den Zeitplan für den Aufbau einhalten zu können. Von da an folgten die einzelnen Montageetappen trotz der schwierigen Wetterbedingungen schnell aufeinander.

Der Core, der beheizte Teil des Hauses, besteht aus vier raumbildenden Modulen, in die alle Funktionen des Hauses fest eingebaut sind: Küche, Dusche, Toiletten, Technikraum, Schränke, Schlafnische. Darüber liegt ein technischer Ring, der die Energieträger verteilt und das Dach trägt. Auch die äussere Hülle, die Skin – so angelegt, dass rund um den Core ein nutzbarer Zwischenraum entsteht – ist zusammengefügt, sodass das Gebäude vor Wasser geschützt ist. Die Falttüren der Skin wurden anschliessend montiert, ebenso die technischen Anschlüsse und Verbindungen für die thermischen Solarkollektoren. Nun wurden die vorverlegten Energieträger miteinander verbunden und das Dach begrünt.

Beispielhafte Ökologie durch clevere Technik

Der «NeighborHub» will seine Besucher dazu anhalten, alltägliche Gewohnheiten zu ändern und sparsamer bzw. besser mit den Ressourcen umzugehen. Als Quartierhaus schlägt er Ideen für ein nachhaltigeres Leben vor, zum Beispiel das Entwickeln gemeinsamer Aktivitäten zum Thema Nachhaltigkeit wie Urban Gardening, ein Repair Café, Bienenzucht in der Stadt usw. 

Insbesondere möchte das Team mit seinem Haus beweisen, dass es heutzutage sinnvoll und rentabel ist, Solarkollektoren auf der Hausfassade anzubringen und so eine grösstmögliche Fläche zu nutzen – trotz des Schattens in den Städten. Im Fall einer klassischen Solaranlage sind die Kollektoren kettenartig miteinander verbunden; der Wechselrichter richtet sich nach dem am wenigsten produktiven Kollektor in der Kette und wandelt den Gleichstrom der Sonnenkollektoren in Wechselstrom um, der für das Gebäude genutzt werden kann. Dieser Mechanismus stellt ein massives Hindernis für die Effizienz des Fassaden-Solarsystems dar – das schwächste Glied der Kette (zum Beispiel das, das den meisten Schatten abbekommt) zieht die gesamte Energieproduktion nach unten.

Für diese Herausforderung suchte das Team nach Lösungen. Dabei kam die Idee auf, Leistungsoptimierer einzusetzen. Die auf die Sonnenkollektoren zugeschnittenen Optimierer kontrollieren die Leistung der Solarzellen fortlaufend und passen sie entsprechend an.

Selbstversorgung mit Energie

Dank innovativer Nutzung bekannter Technologien kann der «NeighborHub» seinen eigenen Energiebedarf ausschliesslich über Sonnenkollektoren an den Fassaden decken. Das Quartierzentrum produziert sogar mehr Energie, als es verbraucht. Das solarzellfreie Dach lässt sich für andere Zwecke nutzen, zum Beispiel zur Erhaltung der Biodiversität durch grosse Grünflächen.

Die Selbstversorgung mit Energie, die der «NeighborHub» als einstöckiges Haus unter Beweis stellt, eröffnet erfreuliche Perspektiven für andere Gebäude. So erzeugt jede Etage ausreichend Strom, um sich selbst über diese eigene Energieproduktion zu versorgen. Das ist ein enormer Vorteil für die Städte, die sich nach oben verdichten.

Wer wagt, gewinnt

Der «NeighborHub» überzeugte die Jury und gewann acht von zehn Podien, darunter sechs auf dem ersten Platz. Ein interessanter Fakt ist die Tatsache, dass die Jurys das ungewöhnliche Konzept aus der Schweiz entweder voll akzeptiert und dafür Auszeichnungen verliehen haben oder es als «off-topic» betrachtet und negiert haben. Dies deshalb, weil das Schweizer Team ein kühnes Wagnis eingegangen ist und ein anderes Konzept realisierte als verlangt.

Die Mehrheit der Jury allerdings schätzte diese innovative Idee. Das Team erhielt den 1. Platz für Architektur, Wassermanagement, Gesundheit und Komfort, Heimleben, Energiemanagement und Ingenieurwesen, es holte auch den 2. Platz für Hausgeräte und den 3. Platz für Kommunikation. Dieses Solarhaus wird auf dem Areal der Bluefactory in Freiburg wieder aufgebaut und soll dort Kristallisationspunkt der Arealentwicklung werden.


Solar Decathlon 2017 - Teilnehmer

  • University of Nevada, Las Vegas
  • University of Maryland
  • Missouri University of Science an Technology
  • HU University of Applied Science Utrecht
  • Northwestern University
  • Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne, School of Engineering and Architecture Fribourg, Geneva University of Art and Design, University of Fribourg
  • University of Alabama at Birmingham and Calhoun Community College
  • Embry-Riddle Aeronautical University and Daytona State College
  • University of California Berkeley and University of Denver
  • University of California, Davis
  • Washington University
  • Washington State University

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