En­er­gie­mix auf Par­zel­len­mass­stab

Umwelt und Energie

Mit dem Umbau eines Gewerbeanbaus in Wohnungen und Kindergarten realisierten Pfleger + Stöckli Architektur in Chur die schweizweit erste Nullenergiesanierung einer städtischen Liegenschaft. Die Solarenergie wird durch traditionelle und moderne Komponenten gewonnen.

Publikationsdatum
07-01-2016
Revision
08-01-2016

Im Zug der Überbauung der ­alten Kunsteisbahn Calanda (KEB) in Chur siedelten die dort ansässigen Kindergärten auf die benachbarte Liegenschaft um. Ein 1914 von Schäfer & Risch entworfener Gebäudekomplex bot hinreichend Umbaupotenzial. Nach zweijähriger Planungs- und Bauzeit ist das Gebäudeensemble mit Wohnungen und Doppelkinder­garten im Herbst 2015 komplett.

Die seit 2011 als Energie­stadt ausgezeichnete Gemeinde Chur bestimmte das Energiekonzept massgeblich mit. Die Energiegewinnung am Gebäude erfolgt primär über passive solare Erträge mit Unterstützung von Solaranlagen. Die Ausrichtung der Parzelle und die Lage der Nachbarbauten beeinflussten den Entwurf ebenso wie Klimadaten, Sonnenstandmessungen und die Speichereigenschaften der Bauteile.

Heimatstil neu interpretiert

Das Hauptgebäude mit drei Wohneinheiten blieb vollständig bestehen. Neben dem partiell gedämmten Dachtragwerk wurde lediglich der Gaskessel durch eine Pelletheizung ersetzt. 

Die Eingriffe am angrenzenden Gewerbeanbau waren trotz der gut erhaltenen Gebäudehülle deutlich intensiver. So entkernte man das Innere des bereits mehrfach umgebauten Gebäudes. Ein neues, vom Nordeingang und Innenhof her zugängliches Treppenhaus trennt im Erdgeschoss die beiden Kindergärten voneinander. Die axiale Raumaufteilung erfolgte anhand der markanten Rundbögen, die zusätzlich den Innenhof inszenieren. 

Geschossdecken aus Holzbalken und darüber liegenden Kalksandsteinen erhöhen die Speicherfähigkeit gegenüber einer herkömmlichen, glatten Holz­decke um das Vierfache. Auf dem ursprünglich ungedämmten und unbeheizten Dachgeschoss des L-förmigen Gebäudetrakts entstanden bei teil­weisem Ersatz der Dachkonstruktionen zwei neue 4.5-Zimmer-Wohnungen.

Die gut erhaltenen Biberschwanzziegel bilden erneut die Eindeckung des Dachs. Die übrigen Baumaterialien sind überwiegend regionale Erzeugnisse. Die Solargläser in der Süd- und Westfassade haben einen besonders hohen Energiedurchlassgrad (g-Wert) von 66 % bei einem U-Wert von 0.71 W/m2K.

Die Dachgeschosslukarnen werten das Objekt architektonisch auf und sind zentraler Bestandteil des Energiekonzepts. «Mit 7500 kWh/Jahr ist der passive Solareintrag der neun nachträglich installierten Lukarnen erheblich. Zugleich erweitern sie die historische Bausubstanz um ein typisches Element», erläutert Architekt Patrick Pfleger. Bei gleicher Breite und über jedem zweiten Rundbogen platziert, erzeugen sie ein harmonisches Fassadenbild.

Pro Wohneinheit ist eine Lukarne als Loggia nutzbar. Die wärmegedämmten Elemente fügen sich in die stabile thermische Gebäudehülle ein. Optisch orientierten sich die Planer an den umliegenden Gebäuden. «Das häufige Vorkommen von Kupfer auf den Dächern beeinflusste unsere Materialwahl. Das neue Kupferbraun entwickelt in den kommenden Monaten die typische Patina.» 

Vollständige Umsetzung

Weil die Stadt Chur neben der Photo­voltaikanlage auch eine solar­ther­mische Anlage auf dem Dach des Nebengebäudes bewilligte, konnte das gewünschte haustechnische Konzept umgesetzt werden. Die Module sind zwischen Lukarnen und Firstziegel in das Süd- und Westdach integriert (Abb. S. 18). Dort erzeugen sie 8000 kWh Strom für einen geschätzten Liegenschaftsbedarf von 10 000 kWh. Das Netz des lokalen Energieanbieters deckt den zusätzlichen Strombedarf oder erhält den Energieüberschuss.

Radiatoren ergänzen die Sonneneinstrahlung und Personenabwärme auf optimale Weise. Entsprechend ihrer Belegung aktivieren sich in den Kindergartenräumen dezentrale Lüftungsmonoblocks mit hohem Wärmerückgewinnungsfaktor. Sie ermöglichen im Sommer eine Nachtauskühlung. Die Dachwohnungen sind mit dezentralen Komfortlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. 

Der Umbau in Chur mit bedachtem Einsatz technischer Mittel ist nicht nur die Belebung historischer Bausubstanz, sondern auch ein wertvoller Beitrag auf sozialer Ebene. «Mit der Integration des ­Doppelkindergartens als Anstoss des Projekts ist dieser Ort lebendiger geworden», erklärt Pfleger und sieht in der Optimierung bestehender Bausubstanz auch einen Beitrag zur Umsetzung der Energieziele.

Verwandte Beiträge