Dich­te be­grei­fen

Eine Ausstellung über bauliche Dichte tourt bis Mai 2015 durch elf Zürcher Gemeinden. Sie richtet sich an jene, die zugunsten unzersiedelter Freiräume ihr Ideal von Einfamilienhaus überdenken sollten.

Publikationsdatum
29-12-2014
Revision
05-10-2015

Durch die Stadt- und Gemeindehäuser der Zürcher Agglomeration zieht derzeit eine Ausstellung der kantonalen Baudirektion, Amt für Raumentwicklung, in Zusammenarbeit mit dem Institut Architektur der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz.

Verdichtetes Bauen ist unumgänglich, so die Prämisse. Vorgestellt werden vier Wohntypologien: das Einfamilienhaus, «LowRise», der Wohnblock und das Hochhaus. Die Macher plädoyieren für «Low­Rise»-Quartiere, die hohe bauliche und Belegungsdichte mit maximal vier Geschossen aufweisen. Die Wohnungen werden über den privaten Aussenraum erschlossen, überhaupt sind diese weitgehend privat, aber funktional bestimmt. 

Zu jeder der vier Typologien sind acht bestehende Siedlungen aufgeführt, neben dem Lageplan stehen Kenndaten wie Bevölkerungs-, Wohnungs- und Bebauungsdichte. Fotos charakterisieren die Aussenräume; zu den jeweiligen Infrastrukturkosten wird die Studie «Ecoplan»1 zitiert. Spielerisch-aktiv erfahrbar ist das Thema zum einen am Modell einer fiktiven Gemeinde, für deren Wachstum unterschiedliche Bausteine zur Verfügung stehen, zum anderen mit einem Kartenquartett der 32 untersuchten Siedlungen.

In vieler Hinsicht wird klar: Die beiden Extreme, Einfamilien- und Hochhaus, sind weniger leistungsfähig und qualitätvoll als «LowRise» und Wohnblock. Die Vielfalt von Wohntypologien und die Komplexität der Planung wird damit freilich nicht annähernd dargestellt. Der systematische Ansatz der Schau vermittelt jedoch im Gegensatz zu emotional geführten Politdebatten die wissenschaftlich-kreative Denkweise der Planer, die Qualität, Dichte und Wirtschaftlichkeit situa­tiv miteinander vereinbaren müssen. Verdichtung ist eine Herausforderung, die wir durch intelligente Planung meistern können – sofern die Gesellschaft dazu bereit ist.

Mit einem guten Dutzend Stellwänden und zwei Tischen ist der Umfang der Ausstellung überschaubar. Die Inhalte sind grafisch klar dargestellt – Verständlichkeit im Vorbeigehen statt Reizüberflutung. Zwar werden die grossen ­Probleme der Zersiedelung vernachlässigt; das Thema könnte viel drastischer dargelegt werden. Die getroffenen Aussagen scheinen zunächst banal – wenn die «Allgemeinheit» jedoch tatsächlich verinnerlichen würde, dass eine dichte Bauweise grosse Qualitäten aufweisen kann, wäre bereits viel erreicht.

Die gezeigten Siedlungen widerspiegeln die unschöne Realität der Agglomeration. Gute Beispiele gegenwärtiger Architektur werden bedauerlicherweise nicht gezeigt. Will man mit dem Bild des Durchschnitts die Leute «abholen», oder gibt es zu wenig interessante Projekte 

Zahlen und Fakten sind unmissverständlich, aber vorbildliche, attraktive Bauten oder Quartiere wären vermutlich um einiges anregender. Denn klar muss auch werden, wodurch der Verlust des gewohnten Einfamilienhauses kompensiert würde – nämlich durch unbebaute Landschaft einerseits, andererseits durch besondere Qualitäten dichteren Bauens.

Manchmal ist es besser, weniger zu sagen, dies aber klar verständlich. Insofern ist «Dichte begreifen» ein lobenswerter Versuch. Zu hoffen ist, dass sich viele Menschen die Ausstellung anschauen. 

Infos zu Ausstellungsorten und Öffnungszeiten gibt es hier. Stationen 2015 sind Dübendorf, Dietikon, Effretikon, Horgen, Meilen, Regensdorf und Kloten.

Anmerkung
«Wirtschafts- und Umweltstu­dien: Siedlungsentwicklung und Infrastrukturkosten». Ecoplan Wirtschafts- und Umweltstudien. Bern/Altdorf 2000

 

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