Der Cam­pus Ge­sund­heit in Ba­sel

Studienauftrag Universitätsspital Basel Neubau Perimeter B

Nach dem Wettbewerb für den Ersatz des Klinikums 2 am Petersgraben kümmert sich das Unispital Basel um das letzte grosse Entwicklungsgebiet entlang der Klingelberg- und Schanzenstrasse. Die letzten Reserven auf dem Campus Gesundheit sollen voll ausgeschöpft werden.

Publikationsdatum
17-10-2019

Mit seiner Gesundheitsversorgung sowie der klinischen Lehre und Forschung spielt das Universitätsspital Basel am Standort für Life-Sciences eine bedeutende Rolle. Mit dem Masterplan «Campus Gesundheit» soll das Areal des Spitals weiterentwickelt werden. Neben dem denkmalgeschützten Klinikum 1, erbaut zwischen 1939 und 1945 durch die Architektengemeinschaft E. und P. Vischer, Hermann Baur sowie Bräuning, Leu, Dürig, wurden mit den beiden Perimetern A am Petersgraben und B an der Schanzen- und Klingelbergstrasse zwei grosse Baufelder für Neubauten definiert.

Im Perimeter A basiert die Planung auf dem Siegerprojekt des Projektwettbewerbs zur Erneuerung des Klinikums 2 von giuliani.hönger Architekten aus dem Jahr 2013. Dieser Juryentscheid hat hohe Wellen geworfen, unter anderem auch, weil sich Jacques Herzog als Zweitplatzierter vehement gegen den neuen Turm in der Nähe zur mittelalterlichen Altstadt gewehrt hat. Auf dem Perimeter B entlang der Klingelberg- und Schanzenstrasse definiert der Bebauungsplan 215 die Rahmenbedingungen für eine Neubebauung. Das «Infektionskrankenhaus» von Hans Schmidt (1943–1946) und das Schwesternhaus von Fritz Beckmann (1948–1950), die im kantonalen Inventar der schützenswerten Bauten aufgeführt sind, sollen aus dem Inventar entlassen und abgebrochen werden.

Auf dem Perimeter B sind das Tumorzentrum und Räume für die Labormedizin vorgesehen. Ab 2025 sollen Rochadeflächen für die Erneuerung des Klinikums 2 bereitgestellt werden, beispielsweise für ein provisorisches Notfallzentrum. Nach der Fertigstellung des Klinikums 2 ab 2030 können diese Flächen dann einer definitiven Nutzung zugeführt werden. Der Neubau muss also flexibel und nutzungsneutral sein. Um verschiedene Lösungsansätze zu dieser komplexen Aufgabe auszuloten, hat die Healthcare Infra AG, vertreten durch das Universitätsspital Basel, einen einstufigen Studienauftrag im selektiven Verfahren konform zur Ordnung SIA 143 ausgeschrieben. Für den Studienauftrag haben sich sieben Generalplanerteams mit den Kompetenzen ­Architektur, Städtebau, Landschafts­architektur, Tragwerks-, Spital- und Haustechnikplanung qualifiziert.

Die Teilnehmenden erhielten zwei Raumprogramme. Das Raumprogramm Basis war auf den bestehenden Bebauungsplan 215 zugeschnitten, während die Umsetzung des Raumprogramms Plus eine Überschreitung der Höhenbegrenzung von 25 m bedingte. Bereits nach der ersten Zwischenbesprechung war klar, dass nur mit einem Verzicht auf die Höhenbegrenzung eine städtebaulich und funktional befriedigende Lösung möglich ist. Die beiden denkmalgeschützten Bauten des Klinikums 1 und des Holsteinerhofs bilden eine Art Spange, in die das Baufeld B eingezwängt ist. Um zwischen den beiden Polen zu vermitteln, musste der Neubau die Enden möglichst flach halten und als Ausgleich in der Mitte mit einem hohen Turm die geforderte Nutzung unterbringen.

Der Städtebau geht vor

Das zur Weiterbearbeitung vorgeschlagene Projekt von Herzog & de Meuron und Rapp Architekten setzt auf einen geschwungenen, drei- bis viergeschossigen Sockelbau, der ans Klinikum 1 anschliesst und zum Holsteinerhof ein angemessenes ­Gegenüber schafft. Er fasst den Spitalgarten zum Cityring mit einer ­eleganten Geste. Über dem Sockel er­hebt sich ein 13-geschossiger Turm, der die Rochadeflächen enthält. Der Turm setzt das Fanal für den Hauptzugang an der Kreuzung von Klingelberg- und Schanzenstras­se, von der man das Gebäude durchqueren und in den Spitalgarten gelangen kann. Seine funktionale und stadträumlich präzise Setzung hat aber den Nachteil, dass sein 2-Stunden-Schatten die gegenüberliegenden Wohnliegenschaften an der Klingelbergstrasse gemäss Jurybericht «minimal» tangiert.¹

Der Sockelbau nimmt den Höhenversatz entlang der Schanzenstrasse auf. Die Strassenfassade ist mit Brise-Soleils versehen, während die Gartenfassade mit auskragenden Balkonen und Stoffmarkisen an die bestehenden Schwestern­häuser erinnert. Zwei Innenhöfe belichten den tiefen Baukörper und erleichtern die Orientierung. Die biomorphen Formen der Treppenhäuser, der Eingangshalle und des Dachpavillons sollen an den Verlauf der ehemaligen Stadtmauer erinnern. Auf dem Dach des Sockelbaus ist ein Garten als Rückzugsort für Patienten und Personal geplant, der mit Veranstaltungsräumen im Turm verknüpft wird. Im Dachpavillon ist der Bereich Nephrologie (Nie­renkrankheiten) angesiedelt. Aus denkmalpflegerischer Sicht überzeugt sowohl die zurückhaltende Passerelle zum Klinikum 1 wie auch die südliche Stirnfassade, die die Flucht des Holsteinerhofs an der Hebel­strasse übernimmt und damit den Strassenraum klärt.

Das gesamte Gebäude ist als Platten-Stützen-System konzipiert und garantiert eine maximale Flexibilität. Die vorgesehenen Massnahmen in den Bereichen der unterirdischen Bestandsbauten sind effizient. Die Konzepte zur Haustechnik sind durchdacht, und die Anbindung an den Energieleittunnel, die Material­transportanlage und die Pathologie ist gewährleistet. Die Erschlies­sung ist übersichtlich und verspricht einen reibungslosen Betriebsablauf. Der Vorschlag überzeugt sowohl in der provisorischen Belegung mit ­Rochadeflächen für das Klinikum 1 als auch mit der definitiven Nutzung.

Hü und hott

In ihrem Beitrag schlagen dany waldner + Morger Partner Architekten einen Sockel mit zwei unterschiedlich hohen Türmen an beiden Enden vor. Zur Hebelstrasse beim Holsteinerhof befindet sich der kleinere der beiden Türme. Durch einen Rücksprung entsteht ein Vorplatz mit einem zweiten Hauseingang. Am anderen Ende beim Klinikum 1 steht das Hochhaus, das Bezug auf den geplanten Turm des Klinikums 2 von giuliani.hönger Architekten nimmt. Die Kritik an diesem Projekt ist, dass durch den Bezug der beiden Türme aufeinander die Bezüge zur gesamtstädtischen Situation verloren gingen. Auch funktional überzeugt der Beitrag nicht, und die Denkmalpflege behauptet gar, die Geschichte des Orts sei nicht mehr erlebbar.

Der Jurybericht beschreibt das Projekt sehr widersprüchlich. In der Einleitung bedrängt das Hochhaus noch die Architektur des Bettenhauses und rückt nach Ansicht der Denkmalpflege dazu in bedrohliche Nähe, in der Gesamtwürdigung ist der Abstand dann doch «gebührlich». Mal wird das Tragwerk für sein sorgfältig und vertieft ausgearbeitetes Konzept gewürdigt, an anderer Stelle muss das gesamte Tragwerk zwingend überarbeitet werden. Offenbar hat der Beitrag im Beurteilungsgremium zu etlichen Kontroversen geführt. Es entschied nach dem Kontrollrundgang, das Projekt von der engeren Wahl in den zweiten Rundgang zurückzustufen. Das ist schade, denn gerade solche Beiträge, die sich an die Vorgaben halten und die Konsequenzen aufzeigen, die sich daraus ergeben, sind für die Beurteilung sehr hilfreich und verdienen allen Respekt.

Mit «minimalen» Abweichungen zum Erfolg

Das Team von Herzog & de Meuron und Rapp Architekten tut das städtebaulich Richtige und setzt den Turm zusammen mit dem Hauptzugang an die Kreuzung von Klingelberg- und Schanzenstrasse.

Leider wird dieser durchaus nachvollziehbare Entscheid durch die Verletzung des 2-Stunden-Schattens getrübt, dessen Konsequenzen laut Jurybericht noch nicht abschätzbar sind. Der Auslober hat noch bis zur zweiten Zwischen­besprechung an dieser Regelung festgehalten und auf das hohe Verfahrensrisiko bei einer Verletzung dieser Bestimmung hingewiesen. Kurz danach, rund vier Wochen vor Abgabe der Wettbewerbsbeiträge hat er die Teilnehmenden informiert, dass die 2-Stunden-Schatten-Regelung grundsätzlich gilt. Gleichzeitig deutet er darin erstmals an, dass eine «minimale» Abweichung zugunsten einer besseren städtebau­lichen Lösung und/oder einer bes­seren Nutzung bei der Beurteilung in Kauf genommen werden könnte.

Beim Studienauftrag können die Rahmenbedingungen im Dialog mit den Teilnehmenden präzisiert und vervollständigt werden. Kommen solche «Präzisierungen» zu einem späten Zeitpunkt, ist das ärgerlich für alle Teilnehmenden, die sich brav an diese Rahmenbedingung gehalten haben und aus Zeitgründen keine Möglichkeit mehr hatten, ihr Projekt entsprechend anzupassen. Der Entscheid des Beurteilungsgremiums, einen Beitrag zur Weiterbearbeitung vorzuschlagen, der die 2-Stunden-Schatten-Regel verletzt, ist mutig. Mutlos und diskriminierend hingegen ist der Verzicht auf eine angemessene Verlängerung der Bearbeitungszeit, die für gleich lange Spiesse unter den Teilnehmenden gesorgt hätte.

Anmerkung
1 Die Grundlagen für die 2-Stunden-­Schatten-Regelung im Kanton Basel-Stadt bilden die Publikation «Hochhäuser in Basel, Grundlagen und Konzept», Bau- und Verkehrs­departement des Kantons Basel-­Stadt, Juni 2010, und die beiden Bundesgerichtsentscheide BGE 99 Ia 143 und BGE 1C_539/2011.

Weitere Pläne und Visualisierungen zu diesen Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Weiterbearbeitung

Planungsgemeinschaft Herzog & de Meuron / Rapp Architekten; Vogt Landschaftsarchitekten; Teamplan; ZPF Ingenieure; Hochstrasser Glaus & Partner Consulting; Sytec, Schudel + Schudel; Rapp Gebäudetechnik

Weitere Teilnehmende

Boltshauser Architekten; Maurus Schifferli Landschafts­architekt; Hospitaltechnik Planungsgesellschaft; Basler & Hofmann; Meierhans + Partner; IBG B. Graf Engineering; Balzer Ingenieure
dany waldner + Morger Partner Architekten; Bryum; Evomed; Ferrari Gartmann; Stokar + Partner; HKG Engineering; tib Technik im Bau; HKG Consulting
Burckhardt + Partner; david & vonarx landschaftsarchitektur; Lohfert-­Praetorius; wh-p Ingenieure; Kalt + Halbeisen Ingenieurbüro; Scherler
Generalplaner Gmür; paul zimmermann + partner; vetschpartner Landschaftsarchitekten; Institut für Beratungen im Gesundheitswesen; Fürst Laffranchi Bau­ingenieure; Waldhauser + Hermann; GODE Zürich Ingenieurgesellschaft für Elektrotechnik; Gemperle Kussmann; Jobst Willers Engineering
PG Nissen Wentzlaff Architekten / Ludes Architekten – Ingenieure; Westpol Landschaftsarchitektur; WMM Ingenieure; Amstein + Walthert
ARGE Harry Gugger Studio / IttenBrechbühl; Stauffer Rösch Landschaftsarchitekten; Lead Consultants; Schnetzer Puskas Ingenieure; eicher + pauli Liestal; HKG Engineering; ing.-büro riesen

FachJury

Beat Aeberhard, Architekt, Kantonsbaumeister BS (Vorsitz); Lorenzo Giuliani, Architekt, Zürich; Fawad Kazi, Architekt, Zürich; Quintus Miller, Architekt, Basel; Stefan Traxler, Architekt, Frankfurt am Main; Anne Marie Wagner, Architektin, Basel; Thomas Blanckarts, Architekt, Basel (Ersatz); Bernhard Gysin, Architekt, Basel (Ersatz, bis Oktober 2018)

SachJury

Robert-Jan Bumbacher, Präsident des Verwaltungsrats USB; Prof. Albert Urwyler, Mitglied des Verwaltungsrats USB; Dr. Werner Kübler, CEO, Spital­direktor USB; Prof. Christoph A. Meier, CMO, Ärztlicher Direktor USB; Dr. Serge Reichlin, Leiter Direktionsstab USB (bis Mai 2018); Dr. Henrik Pfahler, Leiter Direktionsstab USB (Ersatz, ab Oktober 2018); Irmtraut Gürkan, Vorsitzende VR Immobilien Ausschuss USB (Ersatz); Dr. Volker Büche, Leiter Strategische Betriebsplanung USB (ab Mai 2018)

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