Ar­chi­tek­tur und Land­schaft

Projektwettbewerb auf Einladung für den Ersatzneubau Reichenbach Nord

Ruch Architekten haben mit ihrem Entwurf für den Erweiterungsneubau der Privatklinik Meiringen das Gebäudeensemble nicht nur gestärkt, sondern es auch geschickt mit der umgebenden Landschaft verknüpft.

Publikationsdatum
24-10-2019

Die Privatklinik Meiringen (PM) soll erweitert werden. Sie gehört zur Michel Gruppe und bietet Programme für die Behandlung von affektiven Störungen (Depressionserkrankungen), Persönlichkeitsstörungen, Erschöpfungssyndromen (Burn-out), Abhängigkeiten von Alkohol, Medikamenten und/oder anderen Suchtmitteln, Traumafolgestörungen und alters­psychiatrischen Erkrankungen.

Das so­ge­nann­te Rei­chen­bach­ge­bäude im nördlichen Teil des Michel-Gruppe-­Areals in Schattenhalb soll durch einen Neubau mit Akutaufnahme­station und Kri­sen­interventions­bereich erweitert werden. Das 60-­jährige Quellenhaus im Westen des Areals hingegen soll saniert und umgenutzt oder abgerissen werden. Es entspricht den Anforderungen des heutigen Klinikbetriebs nicht mehr. Für das Neubauprojekt müssen die angrenzenden Flächen, bei denen es sich um Landwirtschaftszonen handelt, umgezont werden.

Komplexe Anforderungen

Im Januar 2019 schrieb die PM einen Wettbewerb aus und lud acht Architekturbüros dazu ein. Sie muss­ten sich mit Fragen zu Architektur, Funk­­­tionalität, Wirtschaftlichkeit, In­vestitions- und Be­triebs­kosten sowie Nachhaltigkeit auseinan­der­setzen. Das von der Bauherrschaft festgelegte Kostenziel von 14 Mio. Fr. Gesamtinvestionskosten erwies sich als sehr knapp – sieben der acht eingereichten Projekte lagen deutlich dar­über. In der Kostenanalyse stellte sich vor allem die Umgebungsgestaltung mit der neu zu ­erstellenden Badstrasse als kostentreibendes Element heraus. Daher schenkte die Jury in der weiteren Beurteilung der Kosteneffizienz der einzelnen Projekte besondere Aufmerksamkeit.

Die Jury platzierte fünf der acht eingereichten Arbeiten, be­merk­te jedoch, dass keines der fünf Projekte ohne Anpassungen zur Ausführung empfohlen werden konnte. Bei der Rangierung legte sie deshalb auch ein besonderes Augenmerk auf das Entwicklungspotenzial der Arbeiten. Die definitive Rangierung der Eingaben wurde trotzdem von allen Mitgliedern des Preisgerichts einstimmig festgelegt: Sie empfahlen «Lichtblick» von Ruch Architekten aus Meiringen zur Weiterbearbeitung.

Klare Zonierung

Ruch Architekten schlagen vor, das Reichenbachhaus mit einem ge­schickt situierten, gestaffelten Volumen zu erweitern. Es entsteht ein neuer, einheitlicher Siedlungsrand, der das Areal der PM zur Landwirtschaftszone abgrenzt. Im Gegensatz dazu steht die Ansicht des Ensem­bles zur Parkanlage, in der die Hie­r­archie der Gebäude deutlich zu ­erkennen bleibt. Der Erweiterungsbau stärkt die Gesamtanlage der PM. Auch die Option für eine spätere Erweiterung ist vorhanden. Das Konzept dafür muss allerdings im Bereich der Badstrasse überarbeitet werden.

Der längliche, zum Bestand versetzte, mehrteilige Neubau integriert sich am nordwestlichen Rand des Klinikparks in das Gebäudeensemble. Die Ausrichtung aller Zimmer und des Aufenthaltsbereichs nach Süden in den bestehenden Park soll zur raschen Genesung der Patienten beitragen. Auch der Eingang zum Neubau ist vom Park her erschlossen und liegt in der Mitte des Gebäudes, was den Park als Mittelpunkt des Klinikareals betont. Jedoch stellen sich das übrige Wegenetz auf dem Areal und das Nutzungsangebot der Aussenräume als zu vage dar und sollen in der Überarbeitung konkretisiert werden. Auch die geforderten geschützten Aussenräume der geschlossenen Abteilung müssen noch nachgewiesen werden. In der Überarbeitung soll die Flexibilität der Nutzung durch unterteilbare Ess- und Aufenthaltsräume oder geschlossene Stationszimmer gestärkt werden.

Fassadenrhythmus

Bei der Fassade haben sich Ruch Architekten für eine regelmässige Anordnung von Holzpfosten mit einem Rastermass von 1.30 m entschieden. In der frontalen Betrachtung soll die Fassade leicht und transparent ­wirken; ein seitlicher Blickwinkel hingegen lässt die Ansicht als eine weitgehend geschlossene Front erscheinen. Die Jury versteht diese vertikale Gliederung als Rhythmi­sierung, die jedoch durch die Eingeschossigkeit des Neubaus eine andere Nutzung vermuten lässt. Die Planenden hingegen heben das spannende Lichtspiel für Vorbeifahrende hervor, das am Abend entsteht.

Für die Konstruktion schlagen die Projektverfassenden vor­fabrizierte Holzelemente vor, die eine rasche, trockene und stille ­Bauweise ermöglichen sollen. Aufgrund der überdurchschnittlich hohen Erstellungskosten erwartet die Jury ­j­edoch eine Optimierung des Projekts in dieser Hinsicht.

Bei «Lichtblick» hebt die Jury insbesondere hervor, dass die unterschiedlichen betrieblichen Anforderungen trotz ihrer Komplexität mit der vorgeschlagenen Staffelung stringent gelöst werden können. Der Umgang mit dem Siedlungsrand und der Parkanlage sowie die dadurch entstehende neue Identität der Klinikanlage sind die Aspekte, die dem Entwurf zu seiner Erstplatzierung verholfen haben.

Weitere Pläne und Visualisierungen zu diesen Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Lichtblick»
Ruch Architekten, Meiringen; Jans Landschaftsarchitektur & Gestaltung öffentlicher Raum, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «Chillida»
Brügger Architekten, Thun; extra Landschaftsarchitekten, Bern
3. Rang / 3. Preis: «Salute»
Arge Hector Egger Gesamtdienstleistung/Lüscher Egli, Langenthal; David & von Arx Landschaftsarchitektur, Solothurn
4. Rang / 4. Preis: «parCour»
Co Architekten, Bern; Müller Wildbolz Partner Landschaftsarchitektur, Bern
5. Rang / 5. Preis: «Puzzle»
HMS Architekten und Planer, Spiez; Moeri & Partner Landschaftsarchitekten, Bern; DVDarchitecture, Beckenried

FachJury

Fritz Schär (Vorsitz), Architekt, Bern; Heinrich Sauter, Berner Heimatschutz Unterseen; Markus Bollhalder, ­Architekt, St. Gallen; David Bosshard, Landschaftsarchitekt, Bern

SachJury

Andreas Michel, CEO Michel Gruppe, Meiringen; Gerhard Fischer, Bau­ingenieur, Meiringen; Dr. Christian Pfammatter, Direktor Privatklinik Meiringen

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