Bru­ta­lis­mus, sanft sa­niert

Editorial TEC21  39/2021

Publikationsdatum
02-12-2021

Bauten der einzigartig charmant bezeichneten Stilkategorie «Brutalismus» sind bei Architektinnen und Architekten ebenso beliebt, wie sie in breiteren Gesellschaftsschichten verpönt sind. Die Entwerfer faszinieren fensterlos gen Himmel strebende Betonkuben mit Regenwasserspuren als herber Patina, für Laien sind die oft nur grau, wenn nicht gar grauenvoll.

Architekten und der grosse Rest der Gesellschaft aber existieren nicht getrennt, sondern wollen miteinander auskommen. In diesem Heft stellen wir uns der Herausforderung, an Bauten des Brutalismus zu zeigen, wie man diese spröden Zeugen der spätmodernen Wachstumsjahre nicht allein ästhetisch, sondern auch energetisch in die Jetztzeit holen kann. Das Schulhaus Looren im Zürcher Stadtteil Witikon zeichnete sein rauer Charme aus Ortbeton aus; mittlerweile wurde es mit einer Holzfassade gezähmt, die gleichwohl eine gebaute Erinnerung an die einstige Verschalung des Betonkerns darunter bildet. Auch bei der Fassadensanierung der markanten Telli-Siedlung in Aarau war man um Wahrung des Charakters bemüht, zugleich bescherte man den Bewohnern breitere Balkone.

Was beiden Projekten zugute kam: Im Gegensatz zum üblen Leumund der Spätmoderne fühlen sich deren Nutzer oft ganz wohl darin. Die Wohnungen im Telli sind immer noch sehr gefragt, und die Schulanlage Looren ist so etwas wie der grüne Dorfplatz von Witikon. Eine Sanierung dieser Bauten ist also keineswegs ein Dienst am ausgefallenen Geschmack, sondern an der Gesellschaft – wie im Übrigen auch deren Dämmung.

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